Deutschland

Staatsanwaltschaft: Hundert Razzien wegen falscher Doktor-Titel

Die Durchsuchungen von Wohnung und Redaktionsräumen der Journalistin Eva Ihnenfeldt sind kein Einzelfall. Der Lübecker Staatsanwalt führt wegen der Doktortitel circa hundert Verfahren durch, bei denen er regelmäßig auch die Beschlagnahmung von Computern beantragt.
23.04.2013 13:41
Lesezeit: 2 min

Aktuell:

Uli Hoeneß: Bereits im März verhaftet und auf Kaution frei

In der vergangenen Woche hat der Fall Eva Ihnenfeldt für Aufsehen gesorgt. Acht Beamte durchsuchten ihre Wohnung und ihre Redaktion. Die Journalistin hatte von ihren Kindern als Scherz einen Ehrendoktor-Titel des MDLC-Instituts zum Geburtstag geschenkt bekommen (mehr hier).

Doch die Hausdurchsuchungen bei Eva Ihnenfeldt sind kein Einzelfall. Das Amtsgericht Lübeck sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass es allein im Zusammenhang mit den Ehrendoktortiteln des MDLC-Instituts bundesweit circa 100 Hausdurchsuchungen angeordnet habe.

Staatsanwalt will auch Computer beschlagnahmen

Die Journalistin Ihnenfeldt hat sich niemals im Ernst als echte Doktorin ausgegeben. Dennoch wird sie von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, nach Paragraph 132a des Strafgesetzbuchs zu Unrecht einen akademischen Grad zu führen.

Die Durchsuchungen sind Skandal genug. Doch beinahe wäre es noch schlimmer gekommen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck bestätigte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass sie eigentlich auch die Beschlagnahmung von Ihnenfeldts Computern beantragt hatte.

Dies sei jedoch vom Amtsgericht Lübeck im diesem Fall nicht genehmigt worden, da ein Ermittlungsergebnis nach Ansicht des Gerichts auch so habe erreicht werden können.

Die Staatsanwaltschaft hätte gern auch die E-Mails und die elektronischen Dokumente der Journalistin geprüft. Denn auch dort bestand ja der Verdacht, dass sie zu Unrecht einen Doktortitel führt.

Eine Telefonüberwachung habe das Gesetz in diesem Fall allerdings ausgeschlossen, so die Staatsanwaltschaft. Denn dies sei der „stärkere Eingriff“.

Auch Redaktionsräume im Visier der Ermittler

Internetrecherchen gehören bei der Staatsanwaltschaft Lübeck inzwischen zum Alltag. Im Zusammenhang mit den Ehrendoktortiteln des MDLC-Instituts seien bundesweit circa 80 Verfahren eingeleitet worden, so die Staatsanwaltschaft.

Redaktionsräume genießen in Deutschland eigentlich einen besonderen Schutz. Die Staatsanwaltschaft sagt, es habe sich „den Kollegen nicht erschlossen“, dass Ihnenfeldt Journalistin ist. Wenn man das gewusst hätte, wären die Redaktionsräume „möglicherweise schon“ von der Durchsuchung ausgenommen worden – „wegen der rechtlichen Hürden“.

Das heißt, wenn es sich „den Kollegen nicht erschließt“, dass es sich um eine Redaktion handelt, dann können ganz schnell auch Journalisten in das Visier der Ermittler geraten.

Amtsgericht: Durchsuchungen sind zur Entlastung der Verdächtigen

Das Amtsgericht Lübeck erlaubte zwar die Durchsuchungen von Ihnenfeldts Wohnung und Redaktionsräumen. Doch die vom Staatsanwalt geforderte Beschlagnahmung ihrer Computer lehnte das Gericht als unnötig ab.

Die Durchsuchungen von Wohung und Redaktion seien „sicherlich verhältnismäßig“, sagte das Amtsgericht. „Denn eine Durchsuchung dient auch der Entlastung der Verdächtigen. Und anders kommt man an die Beweise nicht ran“, so das Amtsgericht. Wenn man Verdächtige zum Beispiel vorgeladen würde, dann bestünde immer die Gefahr, dass sie die Beweise vernichten.

Ihnenfeldts Anwalt Maik Swienty hat beim Amtsgericht Lübeck eine Reihe von Beschwerden eingelegt, da die Durchsuchungen seiner Ansicht nach nicht verhältnismäßig gewesen sind. Der Streit soll notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gefochten werden.

Die Journalistin beschäftigt sich schon lange intensiv mit Themen wie Bürgerechte und Datenschutz. Doch sie ist erschüttert, wie leicht es für die Behörden geworden ist, die Wohnungen der Bürger zu durchsuchen, und welches Ausmaß dies angenommen hat.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...