Deutschland

Gewerkschaft: Arbeitsagenturen vermitteln Jobs mit Dumping-Löhnen

Alle Industrien in Deutschland beschäftigen offenkundig Mitarbeiter mit Dumping-Löhnen. Der Hebel sind Konstruktionen mit Werkverträgen - ein ganz legales Mittel. Die Gewerkschaften fordern eine Gesetzesänderung, die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf.
26.06.2013 00:26
Lesezeit: 2 min

Die Fleischindustrie in Deutschland ist unter Beschuss geraten. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ermittelt bundesweit. Im Mai wurde an 90 verschiedenen Orten Büros und Wohnungen durchsucht. Der Anfangsverdacht ist Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Ein Geflecht aus 22 Unternehmen, Sub- und Subsubunternehmen steht im Mittelpunkt der Ermittlungen.

Die Arbeitsbedingungen der Menschen in der Fleischindustrie spielen dabei allerdings keine Rolle. „Ausbeutung und Stundenlöhne von drei bis fünf Euro sind keine Strafbestände“, kritisiert Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Berlin. „Selbst Arbeitsagenturen vermitteln Jobs mit sittenwidrigen Löhnen“, sagte Karin Vladimirov den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Hier sei es an der Politik, Gesetzeslücken zu schließen. Das große Problem sind nämlich die Werkverträge mit denen Arbeiter über Subunternehmen beispielsweise in Schlachthöfen arbeiten. Nur „noch 10 bis 20 Prozent der Beschäftigten an Schlachthöfen“ gehören Vladimirov zufolge zur Stammbelegschaft.

Doch der alleinige Fokus auf die Fleischindustrie greift zu kurz. „Das System der Werkverträge wird auch immer mehr in anderen Branchen der Lebensmittelindustrie angewandt“, so die Pressesprecherin der Gewerkschaft. „Aber nicht nur dort, selbst in der Metallindustrie.“ Die Politik wisse von den Problemen,  „sieht aber keinen Handlungsbedarf“.

Dies zeigt sich auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleinen Anfrage der Grünenpolitikerin Beate Müller-Gemmeke vom 14. Juni. Auf die Frage, wie viele Beschäftigte in den jeweiligen Unterbranchen der deutschen Schlachtbranche nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010 jährlich bei Werkvertragsunternehmen angestellt sind, heißt es:

Statistiken zu Beschäftigten, die im Rahmen von Werkverträgen in der Schlachtbranche arbeiten, liegen nicht vor.“

Und weiter:

Frage Nr. 4: Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010 bis heute jährlich im Rahmen der Werkvertragskontingente in der deutschen Schlachtbrache beschäftigt (Bitte differenziert nach Herkunftsländern) ?

Antwort: Bereits seit 2005 sind auf der Grundlage der zwischenstaatlichen Werkvertragsvereinbarungen keine Werkvertragsarbeitnehmer mehr in Fleisch verarbeitenden Betrieben tätig.

Frage 10: Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen Brutto-Stundensätze aktuell für Werkvertragsbeschäftigte sowie für Beschäftigte, die im Rahmen des Werkvertragskontingents in der deutschen Schlachtbranche arbeiten?

Antwort: Angaben über Leiharbeitnehmer sowie Werkvertragsarbeitnehmer liegen nicht vor. Da im Rahmen der Werkvertragsarbeitnehmerkontingente keine Werkvertragsarbeitnehmer tätig sind, liegen zur Höhe der Brutto-Stundensätze insoweit auch hier keine Angaben vor.

Angaben über die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten mit Werkvertrag  und der Zeitarbeitnehmer kann die Bundesregierung angeblich ebenfalls nicht machen. Und zusätzlicher Maßnahmen, etwa um die unwürdige Wohnsituation von Leiharbeitern und Werkvertragsbeschäftigten zu verbessern und zu verhindern, bedarf es der Bundesregierung zufolge nicht. „Das geltende Recht enthält wirksame rechtliche Rahmenbedingungen, um Ausbeutungsstrukturen bei Vermietung und Unterbringung einzudämmen“, heißt es.

Zuletzt hatte sich Belgien an die EU-Kommission gewandt. Das Land beschwerte sich, dass es in der deutschen Fleischindustrie Lohndumping geben (hier). Es sei billiger, das Fleisch aus Belgien nach Deutschland zum Schlachten zu bringen, als es in Belgien vor Ort zu schlachten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtverschiebung im Silicon Valley: Yahoo und OpenAI als mögliche Käufer von Chrome im Visier
03.05.2025

Die Marktaufseher in Washington erhöhen den Druck: Nach dem Urteil eines US-Gerichts, das Googles Suchmaschinengeschäft als illegales...

DWN
Technologie
Technologie BMW setzt auf Künstliche Intelligenz: Präzise Qualitätskontrolle durch „GenAI4Q“ im Werk Regensburg
03.05.2025

BMW setzt auf Künstliche Intelligenz in der Qualitätskontrolle: Im Werk Regensburg prüft ein neu entwickeltes KI-System jedes Fahrzeug...

DWN
Panorama
Panorama Nahrungsergänzungsmittel: EuGH schränkt Werbung für Pflanzenextrakte ein
03.05.2025

Viele Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln werben mit gesundheitsbezogenen Effekten – oft im rechtlichen Graubereich. Jetzt hat der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deepfakes: Die Bedrohung wächst - was Unternehmen tun können
03.05.2025

Deepfakes stellen für Unternehmen eine zunehmend gefährliche Bedrohung dar. Betrüger nutzen vermehrt die fortschrittliche...

DWN
Panorama
Panorama US-Stars und Trump – Schweigen mit Signalwirkung
03.05.2025

Zahlreiche Prominente unterstützten im Wahlkampf lautstark Kamala Harris. Nach Donald Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt zeigt sich...

DWN
Technologie
Technologie Duolingo ersetzt Menschen durch KI: Nutzer klagen über Qualitätsverlust
03.05.2025

Duolingo ersetzt menschliche Kursentwickler zunehmend durch Künstliche Intelligenz – und erntet dafür scharfe Kritik von Nutzern....

DWN
Panorama
Panorama Papst Franziskus, Prinzessin Diana und Co.: Warum uns der Tod großer Persönlichkeiten so nahegeht
03.05.2025

Am Samstag verabschiedet sich die Weltöffentlichkeit in Rom mit einer feierlichen Zeremonie von Papst Franziskus. Doch warum betrifft das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Keine Erholung in Sicht: Rutscht die deutsche Wirtschaft wieder ab?
03.05.2025

Die deutsche Wirtschaft könnte auch 2025 zum dritten Mal in Folge schrumpfen. Der Handelskonflikt hat die Lage drastisch verschärft....