Politik

Hohe Mietpreise lassen tatsächliche Armut um das Dreifache ansteigen

Steigende Mieten führen dazu, dass sich die Grenzen der Armut verschieben. Die Tatsächliche Armut dürfte drei Mal höher liegen, als sie in offiziellen Statistiken ausgewiesen wird. In Ballungszentren steht nicht genug Wohnraum zur Verfügung.
22.07.2013 23:43
Lesezeit: 1 min

Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge haben einkommensschwache Familien in vielen größeren Städten weniger Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Haushalte. Die Tatsächliche Armut sei „fast drei Mal so hoch“, sagte Anette Stein von der Bertelsmann-Stiftung den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Derzeit gebe „es 4,6 Prozent Hartz-IV-Empfänger“ (SGB-II Bezieher). Aber 16,9 Prozent lebten an der Grenze zur Armut und sind damit akut armutsgefährdet. Dieser Umstand gelte bereits, ohne die gestiegenen Mietpreise der letzten Jahr in Betracht gezogen zu haben.

Werden die Mieten von den Einnahmen der armutsgefährdeten Bevölkerung in Deutschland in Abzug gebracht, „gilt für mehr als jede Zweite Kommune, dass das verfügbare Einkommen von Familien unter Hartz-IV-Niveau fällt“, so Stein.

Deswegen müsse nicht gleich die Armut umdefiniert werden, „man muss sie aber regional betrachten“. Dabei komme es nicht nur darauf an, wie viel man verdiene, sondern wo man wohne. In 60 der 100 größten Städten blieben einer vierköpfigen Familie, die weniger als 60 Prozent des ortsüblichen mittleren Einkommens verdienen, nach Abzug der Miete weniger als 1169 Euro übrig, heißt es in der Studie der Bertelsmann-Stiftung.

In Jena hat eine einkommensschwache Familie nach Abzug der Miete noch 666 Euro zur Verfügung. Das sind 43 Prozent weniger als das Niveau der Grundsicherung. Ähnlich bedrohlich ist die Lage für Familien in Frankfurt am Main, Freiburg und Regensburg. Hier wird mehr als 50 Prozent des Gesamteinkommens für die Miete aufgebracht.

Es gibt jedoch starke regionale Unterschiede: In Heilbronn gibt es relativ hohe Durchschnittseinkommen  und einen entspannteren Wohnungsmarkt. Dort habe eine einkommensschwache Familie der Studie zufolge 1941 Euro zur Verfügung, 66 Prozent mehr als in der Grundsicherung.

„Es muss genügend Wohnraum für die unterschiedlichen Einkommen verfügbar gemacht werden“, sagte Stein. „Sonst lässt sich die Situation nicht entspannen.“ Eine Mietpreisbremse sei aber nur begrenzt sinnvoll, da sie „keinen Anreiz für neue Wohnbauprojekte“ liefere. Stattdessen bedürfe es mehr Transparenz für die Ausgangslage und mehr Infrastruktur in strukturschwachen Regionen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik „Trump ist nur eine Episode“: Boltons Abrechnung mit dem Mann im Weißen Haus
18.05.2025

Während Europa nervös auf jeden Tweet aus Washington reagiert, warnt Ex-Sicherheitsberater John Bolton: Nicht Trump sprengt die NATO –...

DWN
Technologie
Technologie Cyberkriminalität: Nur ein Klick von der Katastrophe entfernt
18.05.2025

Cyberkriminalität ist zur globalen Supermacht aufgestiegen – mit höherem Schaden als die Volkswirtschaften Deutschlands und Japans...

DWN
Panorama
Panorama Whisky – die stets liquide Luxus-Geldanlage
18.05.2025

Wein, Uhren, Schmuck, Handtaschen, Kunst, Oldtimer – es gibt viele Möglichkeiten, in alternative Geldanlagen zu investieren. Die meisten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Marokko als chinesisches Tor zur EU – doch Handelskrieg könnte Riegel vorschieben
18.05.2025

Peking investiert Milliarden in Marokkos Industrie – doch geopolitische Spannungen und der drohende Protektionismus eines möglichen...

DWN
Politik
Politik Gefängnis, Gericht, Geschichte – Stammheim 50 Jahre nach dem RAF-Prozess
18.05.2025

Vor 50 Jahren begann in Stammheim der RAF-Prozess – ein juristisches Mammutverfahren gegen den Terror. Wie viel Rechtsstaat blieb im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Analyse: „Die alte Weltordnung ist am Ende – und sie wird nicht zurückkehren“
18.05.2025

Das Zeitalter des freien Welthandels ist vorbei – die Welt wird neu vermessen. China produziert, die USA rüsten sich, und Europa...

DWN
Politik
Politik Handelskriege auf Risiko – Trumps russisches Roulette mit der US-Wirtschaft
18.05.2025

Mit Zöllen, Drohungen und Handelskriegen will Washington die Industrie heimholen. Doch was, wenn der Revolver in der Hand des Präsidenten...

DWN
Finanzen
Finanzen Greg Abel übernimmt: Der stille Stratege hinter Warren Buffetts Milliarden-Imperium
17.05.2025

Mit dem Rückzug von Warren Buffett endet eine Ära. Doch an die Stelle des legendären Investors tritt kein charismatischer Visionär,...