Politik

Kroatien brüskiert EU und stellt Kriegsverbrecher nicht vor Gericht

Vor dem EU-Beitritt hatte Kroatien erklärt, einen kommunistischen Agenten an Deutschland auszuliefern. Nun macht Zagreb keine Anstalten, die Zusage einzuhalten. Brüssel ist empört und droht dem Neu-Mitglied mit Sanktionen.
28.08.2013 02:15
Lesezeit: 1 min

Am 1. Juli wurde Kroatien das 28. Mitgliedsland der EU. Nur drei Tage vor dem Beitritt verabschiedete das kroatische Parlament entscheidende Gesetzesänderungen: Danach werden Verbrechen, die vor 2002 begangen wurden, von der Umsetzung des Europäischen Haftbefehls (EuHB) ausgenommen.

Der Konflikt mit der EU eskalierte, nachdem die deutsche Regierung einen EuHB für Josip Perkovic ausstellte, berichtet EUobserver. Perkovic war in der kommunistischen jugoslawischen Ära Chef der kroatischen Geheimpolizei. Seine Auslieferung steht im Zusammenhang mit der Ermordung eines kroatischen Überläufers in Deutschland.

Auch Verbrechen während des jugoslawischen Bürgerkriegs Anfang der 90er Jahre haben die kroatischen Abgeordneten von der EuHB-Strafverfolgung ausgenommen. Der EuHB verlangt von den Mitgliedsstaaten, Verdächtige festzunehmen und auszuliefern, wenn andere EU-Staaten dies fordern.

In einem Brief an den kroatischen Justizminister Orsat Milijenic vom 29. Juli stellte EU-Kommissarin für Justiz Viviane Reding die Position der Kommission dar: Die Gesetzesänderungen stünden in klarem Widerspruch zum EU-Recht.

Am 26. August – fast einen Monat später – hat die EU-Kommission noch immer keine Antwort auf Redings Brief erhalten. Kroatiens Verhalten sei ein „Vertrauensbruch“ bei einem Thema, das „den Kern der rechtlichen Kooperation betrifft“, sagte Kommission-Sprecherin Mina Andreeva.

Kroatien müsse den EuHB vollständig umsetzen, so Andreeva. Die Kroaten hätten das Thema während der Beitragsverhandlungen nicht angesprochen. In der kommenden Woche werde Justiz-Kommissarin Reding weitere Schritte der EU ankündigen, darunter mögliche Maßnahmen gegen Kroatien.

Auch Reding selbst hatte bereits mögliche Strafmaßnahmen gegen Kroatien unter Artikel 39 des kroatischen Beitrittsvertrags angedeutet, die bei „ernsthaften Mängeln“ bei der Umsetzung von EU-Recht greifen. Möglich sind die Aussetzung von EU-Mitteln wie dem Kohäsionsfonds oder Gelder zum Umbau des Justizsystems.

Nach dem Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2002 gelten für den EuHB zunächst nicht dieselben Regeln wie für normales EU-Recht. Erst ab 2015 wird die Kommission die Macht haben, formell wegen Vertragsverletzung gegen Kroatien vorzugehen.

Anfang Juni stimmte Deutschland als letztes Mitgliedsland und trotz großer Bedenken der Aufnahme Kroatiens in die EU zu. Vor allem wegen dem hohen Grad an Korruption standen viele dem EU-Beitritt des Landes skeptisch gegenüber (hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...