Politik

Kritiker halten Gröhes Pflege-Reform für unterfinanziert

Lesezeit: 2 min
01.02.2014 00:02
Gröhes Reform-Pläne für den Pflegesektor können nicht einmal den Status Quo finanzieren. Kritiker sagen, dass Pflegeberufe zu schlecht bezahlt sind. Ein höhere Bezahlung der Fachkräfte würde jedoch zu einer Explosion der Kosten führen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) kritisiert die geplante Pflegereform des Gesundheitsministers. Es gebe nicht nur zu wenige Stellen, diese würden zudem zu schlecht bezahlt. Die geplanten Maßnahmen reichen nicht aus, um die Qualität der Pflege zu halten oder gar zu verbessern.

Hermann Gröhe hatte seine Ziele zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Altenpflege zuvor konkretisiert.  „Geplant ist, die Ausbildungszahlen in der Altenpflege bis zum Jahr 2015 um 30 Prozent zu erhöhen“, sagte Gröhe der Rhei­nischen Post am Montag. „4.000 Pflegehelfer sollen zu Fachkräften weiterqualifiziert werden.“ Das Leistungsvolumen der Pflege in Deutschland soll durch diese Maßnahmen um 20 Prozent gesteigert werden.

Es komme aber auf viel mehr an, als nur die Zahl der Pflegestellen zu erhöhen, so die Forscher. „Mit jeder Pflegereform, die wir in den vergangenen Jahren erleben durften, hat sich die berufliche Situation für die Pflege eher verschlechtert“, sagte der Direktor des DIP, Frank Weidner.

Im Vergleich zu den Nachbarländern sei der Fachkräftemangel in Deutschland besonders ausgeprägt. Zudem lägen die öffentlichen Investitionen in den Pflegebereich deutlich unter dem Niveau der anderen west- und nordeuropäischen Länder. „Die Arbeitsbedingungen sind deshalb hierzulande vergleichsweise schlecht, die Vergütungen zu gering“, sagte Weidner.

Die Bezahlung müsse verbessert werden, sagte Pflegeratspräsident Andreas Westerfellhaus beim ersten Deutschen Pflegetag am vergangenen Donnerstag. Deutliche Worte kommen auch vom AOK-Chef Jürgen Graalmann: „Symbolpolitik reicht längst nicht mehr. Tatsächlich erwartet uns aber ein Zeitalter der Pflege.“ Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte wünschten sich einfach mehr Tempo bei der Umsetzung einer großen Pflegereform.

Der Mangel an Pflegekräften in Deutschland sei mittlerweile flächendeckend. Zudem benötigen Altenheime mehr als vier Monate, um eine frei gewordene Stelle wieder mit einer neuen Fachkraft zu besetzen. Bis die geplante Pflegereform – die noch gar nicht mit den Bundesländern ausgehandelt ist – greifen kann, können noch Jahre vergehen, in denen die Qualität der Pflege in Deutschland stagniert oder gar abnimmt.

In dieser Zeit werde Deutschland weiterhin Pfleger an die Schweiz, Österreich, Luxemburg, die Niederlande und Skandinavien verlieren, glaubt Weidner. Eine Erhöhung der Ausbildungszahlen um 30 Prozent bis 2015, so wie sie Gröhe derzeit anstrebt, könnte daher nicht einmal ausreichen, um die Qualität der Pflege auf dem derzeitigen Niveau zu halten.

Der Gesundheitsminister will die Ausbildung zur Pflegekraft kostenlos gestalten, um die finanzschwache Kliniklandschaft nicht zu belasten (mehr dazu - hier). Die Pflegeberufe sollen in Zukunft mit einer einheitlichen Grundausbildung starten, damit „der Wechsel zwischen den Berufen in der Kinder-, Kranken- und Altenpflege erleichtert“ werde. Auf die Grundausbildung soll eine Phase der Spezialisierung folgen.

Um das alles zu bezahlen, soll der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden. Ab 2015 soll dadurch eine zusätzliche Milliarde Euro pro Jahr in einen Fonds gesteckt werden, der von der Bundesbank verwaltet wird. Das Geld soll als Reserve für die Zeit verwendet werden, in der die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen erhöht sich von heute 2,5 Millionen auf 3,5 Millionen im Jahr 2020, so der Minister.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Aktienindex markiert Allzeithoch - 20.000 Punkte im Blick
02.12.2024

Nach dem jüngsten Anstieg ist der DAX auch erfolgreich in die neue Handelswoche gestartet, die Folge: Ein neues DAX-Rekordhoch am späten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Bürgergeld und Grundsicherung: Das Debakel der deutschen Politik
02.12.2024

Deutschland hat nicht nur ein Haushaltsproblem, sondern auch ein eklatantes Verteilungsproblem. Bürgergeldbezieher sollen mit...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Friedenstruppe: EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas spricht über Truppenentsendung - unter Bedingungen
02.12.2024

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat eine Ukraine-Friedenstruppe ins Gespräch gebracht, um einen möglichen Waffenstillstand durch...

DWN
Politik
Politik Parlamentswahl Rumänien: Linke führen, Ultrarechte legen zu
02.12.2024

Bei der Parlamentswahl Rumänien haben die Ultrarechten laut Auszählung der meisten Stimmen erhebliche Zugewinne verzeichnet. Dennoch...

DWN
Politik
Politik FDP-Chef Lindner will trotz D-Day-Papier weitermachen - mit neuer Strategie
02.12.2024

FDP-Chef Christian Lindner setzt auf eine umfassende Kommunikationsoffensive, um die Aufregung um das D-Day-Papier und den Ausstieg aus der...

DWN
Politik
Politik Hunter Biden: Begnadigung kommt überraschend durch US-Präsident Biden
02.12.2024

Die rechtlichen Probleme seines Sohnes belasteten ihn seit Jahren. Joe Biden wollte stets vermeiden, den Eindruck zu erwecken, seine...

DWN
Politik
Politik Scholz in Kiew: Bundeskanzler besucht überraschend die Ukraine - und sagt neue Waffenlieferungen zu
02.12.2024

Ein Telefonat mit Putin und die Ablehnung der Taurus-Lieferung: Die Ukraine-Politik von Kanzler Olaf Scholz sorgt in Kiew weiterhin für...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa-Sanierung: Gutachter bestätigt Chancen der Rettung - unter Bedingungen
02.12.2024

Der verschuldete Baywa-Konzern kann gerettet werden, so der Sanierungsgutachter – trotz Schuldenberg. Die Rettung ist aber nur unter...