Politik

Scharfschützen auf dem Maidan: Offenbar mehrere Auftraggeber

Die Übergangsregierung kann ihre Version der Schüsse auf dem Maidan nicht mehr aufrechterhalten. Es sei unwahrscheinlich, dass die Scharfschützen ausschließlich von Janukowitsch beauftragt wurden, so ukrainische Ermittler.
10.04.2014 12:21
Lesezeit: 2 min

Knapp zwei Monaten nach den tödlichen Schüssen auf dem Maidan, häufen sich Hinweise, die an der offiziellen Version der Übergangsregierung zweifeln lassen.

Vor einer Woche sind zwölf Mitglieder der inzwischen aufgelösten Berkut-Bereitschaftspolizei wegen des Verdachts auf Massenmord verhaftet worden (mehr hier). „Die Polizisten wurden für Sondereinsätze trainiert, zu denen auch die Tötung von Menschen gehört“, so der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft über die Verhaftungen. „Sie wurden direkt vom Präsidialamt überwacht.“

Doch Ermittler zweifeln an der Version der Staatsanwaltschaft. Es sei unwahrscheinlich, dass die Schüsse ausschließlich von Seiten Janukowitschs ausgingen.

„Meine Untersuchungsergebnisse stimmen nicht mit dem überein, was die Staatsanwaltschaft in der Pressekonferenz erklärt hat“. So ein an den Untersuchungen beteiligtes hochrangiges Mitglied des Ermittler-Teams der ukrainischen Übergangsregierung zum WDR über die Vorgänge am blutigen 20. Februar.

Ein Funkverkehr zwischen Scharfschützen, die Janukowitsch zuzurechnen ist, wurde von einem Amateur-Funker mitgeschnitten. Die Männer waren auf verschiedenen Dächern im Zentrum von Kiew positioniert. Darauf ist zu hören, wie ein Scharfschütze einen anderen über Funk fragt: „Wer hat da geschossen? Unsere Leute schießen nicht auf Unbewaffnete.“ Kurze Zeit später antwortet ein anderer: „Den hat jemand erschossen. Aber nicht wir.“ Dann fügt er hinzu: „Gibt es da noch mehr Scharfschützen? Und wer sind die?“. Das berichtet die ARD.

Auf Videos sei zudem zu erkennen, dass Demonstranten auch vom Hotel Ukraina beschossen wurde. Ein Zeuge sagt im Interview mit dem WDR: „Wir wurden von vorn beschossen und auch von hinten, etwa aus der achten oder neunten Etage des Hotels Ukraina. Das waren auf jeden Fall Profis.“ Im Hotel waren Journalisten aus aller Welt untergebracht. Am Morgen des 20. Februar wurde der Eingang von Oppositionellen streng bewacht.

Die Generalstaatsanwaltschaft wird auch von Anwälten der Angehörigen und Verwundeten angegriffen. Sie hätten keinerlei Zugang zu den Ermittlungen. „Wir haben nicht gesagt bekommen, welcher Typ Waffen verwendet wurde, wir bekommen keinen Zugang zu den Gutachten, wir bekommen die Einsatzpläne nicht. Die anderen Ermittlungsdokumente haben wir auch nicht. Wir können gar nicht sagen, was aus Sicht der Staatsanwaltschaft eigentlich passiert ist“, zitiert sie die ARD.

Die EU hatte bereits am 26. Februar glaubwürdige Informationen, dass die Heckenschützen am Maidan nicht im Auftrag des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, sondern im Auftrag einer Gruppe gehandelt haben sollen, die der neuen Koalitionsregierung angehören (hier).

In einem abgehörten Telefonat zwischen EU-Außenbeauftragte Catherine Asthon und dem Außenminister von Estland, Urmas Paet,  sagt dieser, dass hinter den Scharfschützen vom Maidan „jemand aus der neuen Koalition“ steht.

Paet spricht auch von einem Gespräch mit einer Ärztin, welche die Verletzten vom Maidan behandelte. Sie soll gesagt haben, dass Regierungs-Gegner und Polizisten von den gleichen Leuten erschossen wurden (hier).

Mehr als 100 Menschen kamen bei den Protesten auf dem Maidan ums Leben. Viele wurden von Scharfschützen erschossen.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Was sind alternative Investments? Whisky, Windpark, Private Equity – wie Sie abseits der Börse Rendite machen
16.05.2025

Alternative Investments gelten als Baustein für resiliente Portfolios. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Anlageklasse? Warum sie...

DWN
Politik
Politik Dobrindt: Grenzkontrollen markieren den Beginn eines Kurswechsels
16.05.2025

Innenminister Dobrindt setzt auf strengere Maßnahmen und schärfere Grenzkontrollen – ein klarer Kurswechsel in der Migrationspolitik....

DWN
Politik
Politik Grüne kritisieren Wadephuls Aussage zu Verteidigungsausgaben als "naiv"
16.05.2025

Verteidigungsausgaben sollen auf fünf Prozent steigen – ein Vorschlag, der Deutschland spaltet. Doch wie realistisch ist dieses Ziel?...

DWN
Politik
Politik Merz warnt vor Wiederbelebung von Nordstream 2 – Geheimgespräche zwischen USA und Russland
16.05.2025

Geheimgespräche zwischen Washington und Moskau über Nordstream 2 alarmieren Berlin. CDU-Chef Friedrich Merz warnt vor einer...

DWN
Politik
Politik Fünf Prozent für Verteidigung: Welche Kosten kämen auf Deutschland zu?
16.05.2025

Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben nimmt Fahrt auf: Fünf Prozent des BIP stehen im Raum. Doch was würde das konkret für...

DWN
Politik
Politik Russland-Ukraine-Friedensverhandlungen: Was kann in Istanbul erreicht werden?
16.05.2025

Russland und Ukraine starten in Istanbul neue Friedensverhandlungen – doch wie realistisch sind Fortschritte? Welche Rolle spielen...

DWN
Politik
Politik Die Macht der Herausforderung: Putin hat gekniffen
16.05.2025

Man möchte den wenigstens etwas ernstzunehmenden Menschen sehen, der geglaubt hat, Wladimir Putin würde die Herausforderung des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DAX-Konzerne verzeichnen deutlichen Rückgang bei Gewinnen
16.05.2025

Geringere Gewinne, schrumpfende Belegschaften und globale Unsicherheiten: Deutschlands DAX-Konzerne stehen unter Druck. Doch wie...