Ein Bewaffneter ist am Mittwoch in Ottawa nach einem Angriff auf einen Soldaten in das kanadische Parlamentsgebäude gestürmt und hat sich nur eine Tür von Regierungschef Stephen Harper entfernt einen heftigen Schusswechsel mit Sicherheitskräften geliefert. Bei dem dramatischen Vorfall am hellichten Tag im Herzen der Hauptstadt konnte Harper unverletzt in Sicherheit gebracht werden, während der Angreifer nach Polizeiangaben erschossen wurde. Auch der Soldat, auf den der Bewaffnete zuvor gefeuert hatte, erlag seinen Verletzungen. Die Hintergründe der Tat waren zunächst völlig unklar. Auch wollte die Polizei nicht ausschließen, dass sich noch ein weiterer Angreifer im Parlamentsgebäude befinden.
Erst am Montag hatte ein mutmaßlicher Islamist in der Provinz Quebec einen Soldaten getötet, bevor er selbst erschossen wurde. Am Dienstag hatte die Regierung die Terrorwarnstufe erhöht und dies auf Beobachtungen von Islamisten-Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) und Al-Kaida begründet.
"Harper hat mit Leuten aus seiner Fraktion gesprochen, als es plötzlich einen lauten Knall gab, gefolgt von einen Ra-ta-ta-ta an Schüssen", sagte das Kabinettsmitglied Tony Clement. "Es passierte genau vor unserer Tür."
Zunächst hatte der Angreifer auf einen Militärangehörigen an der zentralen Kriegsgedenkstätte der Hauptstadt geschossen. Dann stürmte er Augenzeugen zufolge ins nahe gelegene Parlamentsgebäude. Dort lieferte er sich ein heftiges Gefecht mit Sicherheitskräften, Zeugen sprachen von mindestens 30 Schüssen. Ein Sicherheitsbeamter im Gebäude wurde der Regierung zufolge verwundet.
Die Polizei erklärte, sie könne nicht bestätigen, dass dieselbe Person für die Schüsse am Mahnmal und im Parlament verantwortlich sei. Es werde nach einem oder mehreren weiteren Verdächtigen gefahndet. Der Sender CBC berichtete, es würden drei Schießereien in Ottawa untersucht: eine am Kriegerdenkmal, eine im Parlament und eine in einer Einkaufspassage. Details bleiben zunächst unklar.
Die Polizei erklärte, sie von dem Anschlag überrascht worden. Massenschießereien sind in Kanada deutlich seltener als in den USA, nicht zuletzt wegen der strengeren Waffengesetze. Zugleich sind aber auch die Sicherheitsvorkehrungen im Regierungsviertel deutlich geringer als in Washington.
Vor dem Parlament in Ottawa riegelten Einsatzkräfte nach der Tat das gesamte Viertel ab und forderten Passanten zum Verlassen des Gebiets auf.
Ein Bauarbeiter sagte Reuters, er habe bei dem Mahnmal Schüsse gehört. Dann sei ein schwarz gekleideter Mann, dessen Gesicht mit einem Schal verhüllt gewesen sei, in Richtung Parlament gelaufen. Schwarze Kleidung ist üblich bei Kämpfern des Islamischen Staates (IS), die in Syrien und im Irak ein Kalifat errichten wollen. Der IS bedroht Andersgläubige mit dem Tod, der radikalislamischen Organisation werden Gräueltaten und Massenmorde vorgeworfen. Kanada beteiligt sich mit sechs Kampfflugzeugen am Kampf gegen den IS im Irak.
Der kanadische Kabinettsminister Jason Kenney erklärte, Kanada lasse sich nicht einschüchtern. Die USA sicherten Kanada ihre Unterstützung zu. US-Präsident Barack Obama telefonierte nach Angaben des Präsidialamts mit Harper.
Am Montag hatte ein Konvertit einen Soldaten in Saint-Jean-sur-Richelieu rund 40 Kilometer südöstlich von Montreal überfahren und getötet. Der 25 Jahre alte Fahrer wurde nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen. Die Behörden gehen davon aus, dass es sich bei ihm um einen radikalisierten Muslim handelt. Der kanadische Geheimdienst CSIS warnt seit Jahren vor den Gefahren durch die Radikalisierung junger Menschen. Nach Erkenntnissen des Geheimdienstes haben sich mehr als 50 Kanadier dem IS oder anderen extremistischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen.