Politik

Druck aus den USA: EU gespalten über neue Sanktionen gegen Russland

Die EU-Staaten sind in der Frage nach neuen Sanktionen gegen Russland zerrissen: Die Amerikaner haben den Druck erhöht, doch immer mehr Staaten bekommen die Folgen für die eigene Wirtschaft zu spüren. Die EU-Gremien versuchen daher, auf Zeit zu spielen. Doch die Amerikaner setzen nach und erwarten vom EU-Steuerzahler neue Kriegs-Kredite für die insolvente Ukraine.
28.01.2015 13:40
Lesezeit: 3 min

Die EU-Außenminister wollen die Sanktionen gegen Russland verlängern und ausweiten. Die seit März 2014 geltenden Strafmaßnahmen sollen nicht auslaufen, sondern bis Dezember gelten, soll es in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Ministertreffens heißen, der der Nachrichtenagentur Reuters zugespielt wurde. Zunächst hatte Reuters davon gesprochen, dass die Sanktionen bis September verlängert würden.

Der Rat der EU-Außenminister will beim Treffen am Donnerstag dem Entwurf zufolge die EU-Kommission beauftragen, innerhalb einer Woche Vorschläge für eine Ausweitung der Sanktionsliste vorzubreiten. "Der Rat stellt fest, dass es Beweise für anhaltende und wachsende Unterstützung der Separatisten durch Russland gibt, was Russlands Verantwortung unterstreicht", heißt es in dem Dokument. Alle Beteiligten wurden aufgerufen, das Minsker Abkommen dringend umzusetzen. In den Gebieten der von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete sollten Drohnen eingesetzt werden, Beobachter müssten freien Zugang erhalten.

Nach dem Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Mariupol hat Lettland zu einem außerordentlichen Treffen der EU-Außenminister am Donnerstag aufgerufen. Es soll über eine mögliche gemeinsame Reaktion bezüglich der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt beraten werden. Lettland, Polen, Irland, die Niederlande und Großbritannien fordern eine Bestrafung Russlands, weil diese Länder die Auffassung vertreten, die Russen seien für den Beschuss von Mariupol verantwortlich. Handfeste Belege für eine Verwicklung Moskaus liegen nicht vor. Eine Stellungnahme zum Beschuss eines zivilen Autobus, der von Söldnern oder der ukrainischen Armee begangen sein könnte, liegt nicht vor.

Der ursprüngliche Grund für die Sanktionen war der Abschuss des Fluges MH 17 über der Ost-Ukraine. Bis heute ist völlig unbekannt, wer die Maschine abgeschossen hat und damit die Verantwortung für das Verbrechen trägt, bei dem über 200 Zivilisten ums Leben gekommen sind.

Die aktuelle Diplomatie der EU weist auf eine erhebliche Verunsicherung hin: Das Weiterschieben von Gremium zu Gremium soll dazu dienen, Zeit zu gewinnen. Denn die EU ist tief gespalten über das weitere Vorgehen gegen Russland.

Die Hardliner-Fraktion in der EU sieht ganz klar Russland als den Hauptschuldigen für die neuerliche Zuspitzung: Moskau sei dafür verantwortlich, dass die Angriffe gestoppt würden, twitterte der lettische Außenminister Edgars Rinkevics. Wenn Russland dies nicht tue, werden man die Isolation und die Sanktionen erhöhen. Der polnische EU-Ratspräsident Tusk sagte, die Politik der EU müsse nun eher auf harten Fakten als auf Illusionen beruhen, so der EUObserver. Eine „weitere Eskalation werde unweigerlich zu einer deutlichen Verschlechterung der Beziehungen führen“, sagte auch die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini. Russland solle seinen Einfluss auf die „separatistischen Führer nutzen und jede Form der militärischen, politischen und finanziellen Unterstützung stoppen“.

Doch die Position der EU ist alles andere als einheitlich: Mogherini sprach in ihrem Statement von der Unterstützung Russlands für die Rebellen, währen Tusk Russland direkt als Aggressor bezeichnet. Mogherini, die eine mildere Haltung vertritt, weil Italien von den Sanktionen schwer getroffen ist, scheint unter Druck zu stehen: Sie hat ihre Tonart merklich verschärft, wenngleich sie sich der harten Diktion der Polen noch nicht angeschlossen hat.

Auch Deutschland laviert irgendwo in der Mitte: „Die Bemühungen bezüglich einer Deeskalation müssen fortgesetzt werden“, sagte Außenminister Steinmeier. „Ich hoffe, dass auch nach den letzten drei Tagen nicht alles verloren ist.“ Zum Treffen der Außenminister sagte er: Niemand sei „blind ehrgeizig“, beim EU-Außenministertreffen am Donnerstag in Brüssel neue Sanktionen zu verhängen. „Unser Ehrgeiz geht dahin, dass die Kampfhandlungen endlich beendet werden“, so Steinmeier. „Aber selbstverständlich: Ein Angriff oder gar eine Offensive breit angelegt in Richtung Mariupol und darüber hinaus, das wäre eine qualitative Veränderung der Situation, die uns auch reagieren lassen müsste.“

Neben Deutschland waren auch Österreich, Luxemburg und Spanien eher für eine Lockerung der Sanktionen gewesen. Zuletzt wurden die Sanktionen im Lebensmittelbereich sogar schon gelockert. Und so ist eine tatsächliche Verschärfung der Sanktionen als Ergebnis des Treffens der Außenminister am Donnerstag sehr unwahrscheinlich, betonte auch ein EU-Diplomat auf Nachfrage des EUObservers. Es sei eher damit zu rechnen, dass die die Außenminister ein „starkes Statement“ zu den neuesten Vorfällen in der Ukraine veröffentlichen.

Die EU scheint zwischen ihren Eigeninteressen und einer Reaktion auf den Druck aus den USA zerrissen zu sein: Demnach fügen die Sanktionen der Wirtschaft enormen Schaden zu und können politische Umbrüche wie zuletzt in Griechenland beschleunigen. Der neue griechische Premier Tsipras hat als erste Amtshandlung ein Veto gegen neue Sanktionen in den Raum gestellt - eine für die EU völlig neue Situation. Die Amerikaner wiederum haben die geplante Annäherung der EU an Russland neulich gestoppt und beharren darauf, den Druck auf Russland weiter zu verschärfen.

Zu diesem Zweck haben die Amerikaner schon einmal vorgelegt und der Ukraine Kreditgarantien über zwei Milliarden Dollar zugesagt sowie ihre Bereitschaft zu schärferen Sanktionen gegen Russland unterstrichen. "Wir bleiben bereit, wenn nötig mehr zu tun", sagte US-Finanzminister Jack Lew am Mittwoch in Kiew. Bis dahin würden die USA mit den Verbündeten zusammenarbeiten, um den Druck auf Russland zu erhöhen. Lew ergänzte, die zugesagten Finanzmittel sollen der Ukraine helfen, anstehende Sozialausgaben decken zu können.

Diese "Zusammenarbeit" wird vor allem in Zahlungen der EU-Steuerzahler an die insolvente Ukraine bestehen. Spätestens bei der Debatte um die Höhe der Kriegs-Kredite könnte sich die Spaltung in der EU erneut vertiefen.

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