Smartphones eröffnen Arbeitnehmern und Selbstständigen einen neuen Weg, sich von Arbeitgebern und Auftraggebern zu emanzipieren. Per App können Dienstleister jeglicher Art ihre Arbeitskraft anbieten und sind für Unternehmen lokal, regional oder international sofort sichtbar. Dieser Trend ändert die Struktur von Unternehmen. Für Freelancer eröffnen sich neue Möglichkeiten für den Aufbau einer Karriere.
Ein Unternehmen, das eine solche App anbietet, ist die US-Amerikanische Firma Handy. Das Unternehmen findet für seine Kunden zur richtigen Zeit den passenden Dienstleister. Bei den Jobs handelt es sich meist um kleine Aufgaben: Putzkräfte, Umzugshelfer und Fensterputzer bieten ihre Dienste in 29 der größten Städte in den USA und Kanada an. Handy hat derzeit 5.000 Arbeiter gelistet, die zwischen fünf und 35 Stunden in der Woche arbeiten. Wer viel arbeitet, verdient bis zu 2.500 US-Dollar im Monat. Handy selbst hat 200 fest angestellte Mitarbeiter.
Es gibt zahlreiche Unternehmen – auch in Deutschland – die Arbeit als Dienstleistung über mobile Apps anbieten. Unternehmen reagieren. Amazon hat den Trend erkannt und bietet eine eigene Plattform dafür an, den Mechanical Turk.
Neue Firmen entstehen: BloomThat liefert Blumen an die gewünschte Adresse, TaskRabbit sucht nach einem passenden Geschenk, die Firma Shyp kann es entsprechend verpacken und termingenau verschicken. SpoonRocket hat sich darauf spezialisiert, ein Mittagessen in Restaurant-qualität binnen zehn Minuten an die gewünschte Adresse zu liefern. Das erfolgreichste Unternehmen dieser Art ist der Taxi-Dienst Uber, der mittlerweile in 53 Ländern existiert. Die Supermarkt-Kette Rewe hat erfolgreich einen Lieferdienst gestartet, der inzwischen sogar von Studenten genutzt wird.
Eine Generation von Digital Natives – der es zunehmend an Zeit mangelt und die alles gleichzeitig erledigen will – braucht Essenslieferanten, einen Wäsche-Service, Hilfe bei Behördengängen oder beim Aussuchen von Geschenken. Am Ende dieses Gedankengangs steht der Wunsch, mehr Zeit zu haben für kreative Dinge, die Karriere, Familie oder Hobbys.
Unternehmer mit wenigen Ressourcen können Tasks auf diese Weise einfach auslagern. Mit dem Smartphone in der Tasche kann jeder Gedanke an eine Tätigkeit sofort in eine Handlung umgewandelt, die ein Dienstleister erledigt.
Es entsteht eine Wirtschaft auf Abruf (Economy On Demand), in der Gründer nach der nächsten Geschäftsidee suchen, die ähnlichen wirtschaftlichen Erfolg feiern könnte wie der Fahrdienst Uber. Das Risikokapital und die Anzahl der Startups in der Economy on Demand hat sich in den vergangenen Jahren auf fast 1,5 Milliarden Dollar fast verdoppelt, berichtet das Wirtschaftsmagazin Economist.
Der Trend geht über die Vermittlung von Putzkräften hinaus. Die Firma Elance-oDesk vermittelt insgesamt 10 Millionen Freelancer an über vier Millionen Unternehmen. Je nach Bedarf werden unterschiedliche Netzwerke aktiviert: Im Bereich der Unternehmensberatung beraten über 500 Selbstständige Consultants kleine Unternehmen oder große Konzerne. Die Firma InCloudCounsel unterbietet große Anwaltsfirmen um bis zu 80 Prozent, in denen sie massenhaft Freelancer engagiert, die rechtliche Dokumente für sie durcharbeiten. Ein Druck auf das Touch-Display des Smartphones genügt, schon kommt ein Anwalt oder ein Arzt innerhalb weniger Stunden.
Die Firma Tongal hat in ihrem Netzwerk für Video-Regisseure 17.000 Dollar ausgeschrieben für die Erstellung eines Werbe-Videos von 30 Sekunden innerhalb eines Nachmittags. Der Sieger-Clip war so gut, dass das Video sogar beim Superbowl ausgestrahlt wurde, neben zahlreichen anderen Werbespots, die ein hundertfach größeres Budget verbraucht haben.
Das Konzept eines guten und sicheren Arbeitsplatzes verändert sich aufgrund dieser Entwicklung. Von 1880 bis 1980 entstanden riesige Konzerne, die im Zuge der Industriellen Revolution Scharen von Arbeitnehmern zusammenbrachten. Kleine Unternehmen konnten vielfach nicht mit der rasanten Automatisierung und Massenherstellung der neuen Maschinen mithalten. In der neuen Economy on Demand werden diese Arbeiter mit dem Smartphone verbunden, die viel mehr Rechenleistung besitzen als die Desktop-Computer, die vor zwanzig Jahren bereits einen Strukturwandel eingeleitet haben. Zum Vergleich: Als Apple im September 2014 den Verkauf seiner iPhones startete, ging an einem Wochenende 25 Mal mehr Rechenleistung über den Ladentisch, als die gesamten Welt im Jahr 1995 zur Verfügung stand. Millionen von Menschen sind potenziell miteinander verbunden und können Ad-Hoc-Lösungen für nahezu jedes Problem finden.
Das eröffnet neue Möglichkeiten. Thomas Malone von der MIT Sloan School of Management stellt die These auf, dass die Computertechnologie ein Zeitalter der Hyperspezialisierung hervorrufen wird. Neue Nischen bilden sich heraus. Die Economy on Demand ist eine Fortführung der Sharing-Economy, wie sie durch das Unternehmen Airbnb veranschaulicht wird: Wohnungen werden zu Gästehäusern, die Hoteliers Konkurrenz machen. Für Unternehmer mit wenigen Assets werden Arbeitsmärkte On-Demand wichtiger.
Firmen wollen die Kosten ihrer Arbeitskräfte so gering wie möglich halten. Ein Kritikpunkt der Economy On Demand ist, dass Arbeitskräfte kaum oder gar nicht ausgebildet werden und die Qualität der Dienstleistung leiden könnte. Das ist allein der großen Distanz zwischen Freelancern und Auftraggebern geschuldet. Zudem gibt es so gut wie keine Loyalität zwischen Freelancern und Vermittlern, wenn es um vereinzelte, schlecht bezahlte Dienstleistungen geht. Bei den positiven Netzwerkeffekten ist die große Anzahl der Freelancer in dieser Hinsicht problematisch. Einige Unternehmen erzielen bessere Ergebnisse, wenn sie feste Mitarbeiter einstellen.
Ein weiteres Problem sind regulatorische Hürden. Der Fahrdienst Uber gefährdet etablierte Taxiunternehmen in zahlreichen Ländern, in dem er niedrigere Preise verlangt und bürokratische Hürden unterwandert. Neue Gesetze müssen den Strukturwandel der Arbeitswelt begleiten. Wie in der Industriegesellschaft und der Dienstleistungsgesellschaft auch, geschieht der Strukturwandel durch Routine, Arbeitsteilung und Vertragslegung.
Dabei werden traditionelle Arbeitsverträge und Strukturen keinesfalls abgeschafft. Die Economy-On-Demand erhöht vielmehr die Flexibilität von Selbstständigen und die Struktur von Dienstleistungs-Unternehmen. Zudem wird die Vermittlungsleistung von Arbeit verbessert. Das weckt die Hoffnung, dass in Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien die Jugendarbeitslosigkeit mit neuen Tools besser bekämpft werden könnte.
Die Anforderungen an Arbeitnehmer werden sich verändern. Egal, ob fest angestellt oder Freelancer, Arbeitskräfte müssen ihre Skills auf dem neuesten Stand der Technik halten, anstatt darauf zu hoffen, dass die Unternehmen sie ausbilden. Wer sich spezialisiert, sticht aus der Masse der Freelancer hervor. Wer sichtbar ist, der bekommt Arbeit.