Dutzende Maskierte haben im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein neues Protestlager mit Zelten von Regierungsgegnern gestürmt und mit Gewalt geräumt. Ein Teil der etwa 30 Demonstranten auf dem Maidan - dem Unabhängigkeitsplatz - sei festgenommen worden, berichteten die russische TASS und die dpa. Einer der Anführer des Protests, Rustam Tashbaev, wurde verhaftet. Video-Aufnahmen des russischen Staatssender RT sollen zeigen, dass die Polizei der Gewalt untätig zugesehen hat. Es sollen Schreie aus den Zelten gehört worden sein. Die Echtheit dieser Informationen lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.
Die Protestierenden hatten am Vorabend das Zeltlager aufgebaut und unter anderem den Rücktritt von Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk gefordert. Sie verlangten die Rücknahme von Energiepreiserhöhungen sowie einen Inflationsausgleich für Renten und Mindestlöhne.
In Kiew kommt es immer wieder zu Protesten vor allem mit sozialen Forderungen. Die prowestliche Führung, die nach gewaltsamen Massenprotesten auf dem Maidan im vergangenen Jahr an die Macht gekommen war, wirft den Demonstranten vor, von russischen Geheimdiensten gesteuert und bezahlt zu sein. Auf Flugblättern war von einem «Maidan 3.0» die Rede - nach den beiden Massenprotesten 2004/2005 und 2013/2014.
Bereits am Samstag war es bei einer Homosexuellen-Demo zu gewalttätigen Übergriffen von rechtsextremen gekommen.
Ultranationalisten hatten in Kiew fünf Polizisten verletzt. Ein Uniformierter habe eine schwere Halsverletzung erlitten, als er den Angriff Rechtsextremer auf den «Marsch der Gleichheit» von Schwulen und Lesben abwehren wollte, wie das Innenministerium in Kiew am Samstag mitteilte. Es gab demnach etwa 25 Festnahmen. Etwa 200 Menschen hatten trotz Bedrohungen aus der rechten Szene unter starkem Polizeischutz und weit entfernt vom Stadtzentrum für die Rechte von Schwulen und Lesben demonstriert.
Die teils Vermummten versuchten, die Kundgebung mit Knallkörpern und Knüppeln aufzulösen.
An dem geheim organisierten Demonstrationszug mit Regenbogenfahnen und Trommelwirbel nahmen ukrainische Parlamentsabgeordnete und Menschenrechtler teil. Auch eine deutsche Delegation der Partnerstadt München mit Stadträtin Lydia Dietrich und die EU-Abgeordnete Terry Reintke waren unter den Teilnehmern.
Im Vorfeld hatte Bürgermeister Vitali Klitschko die Organisatoren nach Gewaltdrohungen noch aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen. Präsident Petro Poroschenko hatte die Demonstration allerdings als «verfassungsmäßiges Bürgerrecht» verteidigt.