Finanzen

Euro-Retter geben auf: Keine weiteren Kredite für Griechenland

Lesezeit: 5 min
27.06.2015 14:43
Die Euro-Gruppe erklärt die Verhandlungen mit Griechenland für gescheitert. Nun werde über Plan B verhandelt. Damit ist der Rauswurf Griechenlands aus dem Euro gemeint. Wie das rechtlich funktioniert ist völlig unklar.
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Die Finanzminister der Euro-Zone sehen keine Basis mehr für die Zusammenarbeit mit Griechenland.

Nach der Ankündigung eines Referendums in Griechenland will die Eurogruppe das Rettungsprogramm für Athen nicht mehr über Ende Juni hinaus verlängern.

Das Rettungsprogramm für Griechenland läuft Dienstagnacht aus. Das sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Samstag in Brüssel nach einer Sitzung der Euro-Finanzminister und bestätigte damit frühere Angaben von Diplomaten. Damit würden noch bereitstehende Milliardenhilfen für Griechenland verfallen, berichteten diese am Samstag am Rande von Krisenberatungen der Eurogruppe.

Die griechische Seite habe der Erklärung der Eurogruppe nicht zugestimmt. Dijsselbloem kritisierte es als "unfair", dass die griechische Regierung das Referendum angesetzt und den Wählern empfohlen habe, die Reformvorschläge der internationalen Geldgeber abzulehnen.

Die 18 Länder der Euro-Zone werden Reuters zufolge am Samstagabend ohne Griechenland darüber beraten, wie sich die Währungsunion schützen kann. Die 18 Staaten würden über alle Punkte sprechen, die nötig sind "um die Stärke und Glaubwürdigkeit der Euro-Zone zu erhalten", so Dijsselbloem. Auch in der gemeinsam vereinbarten Erklärung heißt es: "Die Euro-Zonen-Einrichtungen werden alles tun, was für die finanzielle Stabilität in der Euro-Zone nötig ist."

Die Mehrheit der Euro-Gruppe ist nach Angaben des finnischen Finanzministers Alexander Stubb gegen eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland. «Plan B wird nun zu Plan A», sagte Stubb am Samstag in Brüssel vor Beratungen der Euro-Finanzminister. Auch mit Blick auf die von Athen angekündigte Volksabstimmung über die Reform- und Sparvorschläge sprach Stubb von einem schlechten Tag für die Griechen. Die Frage einer Verlängerung des Hilfsprogramms um einige Tage durch ein Referendum stelle sich nicht. Die Tür für weitere Gespräche sei nun geschlossen.

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling hat die Lage im griechischen Schuldenstreit als eine «äußerst dramatische und schwierige Situation» bezeichnet. «Ich glaube, es ist das passiert, was eigentlich nie passieren hätte sollen.» Durch das Verhalten der griechischen Regierung sei die Zeit verloren gegangen, um Verhandlungen zu führen. «Griechenland hat den Verhandlungstisch jetzt verlassen.» Eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms über den 30. Juni hinaus schloss auch Schelling am Samstag aus. Nun müsse auch über Alternativen gesprochen werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht nach der Ankündigung einer griechischen Volksabstimmung keine Grundlage mehr für weitere Verhandlungen mit Athen. Die griechische Regierung habe einseitig die Verhandlungen beendet, jetzt müsse gesehen werden, was daraus folge, sagte Schäuble am Samstag in Brüssel vor Beratungen der Euro-Finanzminister. «Die Verhandlungen sind ja offenbar für beendet erklärt worden durch Herrn Tsipras, wenn ich ihn richtig verstanden habe.» Das Programm ende am 30. Juni. Die Lage der griechischen Banken sei bekannt. Aber das sei Sache der griechischen Regierung und der Europäischen Zentralbank (EZB).

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hat das griechische Referendum zwar begrüßt, aber Regierungschef Alexis Tsipras scharf kritisiert. «Die weitgehenden Angebote, die insbesondere (EU-Kommissionschef) Jean-Claude Juncker durchgesetzt hat, als Erniedrigung zu bezeichnen, ist rational nicht mehr nachvollziehbar und höchstens erklärbar als blanke Ideologie», sagte Schulz am Samstag der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Er bezog sich damit auf die Fernsehansprache, in der Tsipras das Referendum in der Nacht angekündigt hatte. «Ich glaube, das es richtig ist, sein Volk zu befragen. Aber das kann nur gehen, wenn man als Regierungschef seiner Führungsverantwortung nachkommt. Und das heißt: dem Volk zu empfehlen, das entgegenkommende Angebot der Geldgeber und Euro-Partner zu akzeptieren.»

IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich unterdessen trotz des angekündigten griechischen Referendums für weitere Gespräche der Geldgeber mit der Athener Regierung ausgesprochen. «Wir werden unsere Arbeit fortsetzen», sagte Lagarde am Samstag in Brüssel. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) sprach sich erneut für Schuldenerleichterungen für Athen durch die Europäer aus. Dies lehnen die Euro-Länder bisher allerdings strikt ab. Lagarde plädierte für ein ausgewogenes Vorgehen und Flexibilität. Ziel sei weiter, die wirtschaftliche Stabilität sowie finanzielle Unabhängigkeit Griechenlands wieder herzustellen.

Die Euro-Retter in Brüssel toben: «Das geplante Referendum hat alles noch komplizierter gemacht», sagte ein anonymer EU-Diplomat der dpa am Samstag in Brüssel. «Das ist noch einmal eine Volte der griechischen Regierung, um alles durcheinander zu bringen.» Der Zeitplan sei nun nicht mehr einzuhalten. «Ich denke, dass jetzt über einen Plan B geredet werden muss», sagte der Diplomat. Die dpa erklärt uns, dass damit «üblicherweise eine Pleite oder ein Euro-Austritt Griechenlands umschrieben» wird.

Euro-Gruppenchef Dijsselbloem erklärt die Verhandlungen für offiziell gescheitert.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte am frühen Samstagmorgen im Fernsehen die Volksabstimmung für den 5. Juli angekündigt. Das aktuelle Hilfsprogramm der Europäer für Griechenland läuft aber bereits an diesem Dienstag (30. Juni) ab. Dann muss Athen auch 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Der letzte Vorschlag der Troika ist ein Selbstmord-Programm für Griechenland. 

Tsipras kündigte an, eine kurzfristige Verlängerung des laufenden Kreditprogramms zu beantragen. Die Frage sei, ob die Euro-Finanzminister da mitmachten, sagte ein EU-Diplomat. Die Eurogruppe kommt um 14.00 Uhr in Brüssel zusammen. Bei dem Krisentreffen geht es um die Rettung Griechenlands vor der drohenden Staatspleite. Die Minister wollen sich mit der griechischen Regierung auf ein neues Austeritäts-Paket einigen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Griechenland bisher blockierte, weitere Kredite bekommt.

Die CDU spielt eine Vorreiterrolle in der Zerstörung der europäischen Werte: Ein Abgeordneter erklärte am Samstag, der Bundestag sollte auch dieser Minimal-Verlängerung nicht zustimmen. Es ist bemerkenswert, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit ausgerechnet die CDU die EU zum Abschuss freizugeben scheint.

Griechenland lehnt die dramatischen Steuererhöhungen völlig zu Recht ab - weil sie die griechische Wirtschaft endgültig ruinieren würden: Der Tourismus würde zusammenbrechen, die auf dem Papier schön errechneten Primärüberschüsse würden niemals Realität.

Tsipras hat mit dem Referendum völlig recht - er muss eine Allianz finden. Die über Jahre gescheiterten Parteien Pasok und Nia Demokratia fallen bereits über ihn her oder locken ihn mit dem vergifteten Angebot einer Einheitsregierung. Sie wollen zurück an die Macht - koste es, was es wolle. Wie Tsipras allerdings seinem Volk erklären will, dass sowohl die Annahme des Troika-Ultimatums als auch der Crash in Griechenland für das griechische Volk verheerende Folgen haben würde, ist schwer vorstellbar. Er kann beim Referendum im Grunde keine Alternativen aufzeigen, weil jede Entscheidung neues Leid über die griechische Bevölkerung bringen wird.

Tatsächlich haben die Euro-Retter eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Sherrif (oder dem bornierten Volk) im Video über dem Artikel, der sich in seiner neuen Gemeinde selbst als Geisel nimmt, um seine neuen Untergebenen auszutricksen. Denn ein Austritt Griechenlands aus dem Euro-System würde die Steuerzahler der Euro-Staaten schlagartig um 340 Milliarden Euro erleichtern (eine detaillierte Analyse der Verluste hier).

Beruhigend für die Euro-Retter: Sie können Griechenland gar nicht aus dem Euro werfen, weil das nach den Verträgen nicht vorgesehen ist. In der EU herrscht das strenge Einstimmigkeitsprinzip: Griechenland kann also ein Veto gegen seinen Rauswurf einlegen. Allenfalls könnte Griechenland selbst austreten, was aber die EZB konterkarieren würde: Mario Draghi hatte die Euro-Zone 2012 mit der Erklärung gerettet, dass der Euro unwiderruflich sei. Treten die Griechen aus, wäre die Überzeugungskraft der EZB an den Finanzmärkten dramatisch beschädigt.

Eine Erklärung für die Aufregung der Euro-Finanzminister kann in ihrer seltsamen Rolle gefunden werden: Die Euro-Gruppe ist kein Verfassungsorgan der EU. Sie muss den politischen Anordnungen folgen. Wenn aber die Anordnungen so wie in der Griechenland-Krise völlig konfus sind, können sie nicht handeln.

Es ist daher denkbar, dass der originelle Fall eintritt, dass Griechenland seine Schulden bei der EZB und beim IWF einfach nicht bezahlt. Eine Staatspleite tritt erst ein, wenn die griechische Regierung Zahlungen an die privaten Bond-Holder versäumt. Das haben übereinstimmend alle drei großen Rating-Agenturen erklärt.

Das Risiko für Griechenland besteht allerdings darin, dass dann die EZB die ELA-Kredite stoppen müsste. Dies würde vermutlich zum Zusammenbruch des griechischen Banken-Systems führen. Das hätte verheerende Folgen für die griechische Wirtschaft und die Menschen in Griechenland.

Beobachter halten das Verhalten der Euro-Retter für in höchstem Maß verantwortungslos. Sie gehen davon aus, dass der Zusammenbruch Griechenlands der Anfang vom Ende der Euro-Zone bedeutet.

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