Politik

Skandal im EU-Parlament: Merkel-Mann liefert brutale Hass-Rede ab

Im EU-Parlament hat der Vorsitzende der Konservativen, Manfred Weber, für einen Skandal gesorgt: Er nannte den griechischen Premier Tsipras nach dessen äußerst besonnener Rede einen Lügner und bezeichnete alle anderen Parteien, die Tsipras applaudiert hatten, als Extremisten. Die Ausfälle des Merkel-Mann zeigen, dass einige satte Partei-Funktionäre immer noch nicht begriffen haben, wie ernst die Lage ist.
08.07.2015 11:25
Lesezeit: 3 min

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Der Vorsitzende der Konservativen (EVP) im EU-Parlament, Manfred Weber, hat eine ausgesprochene Hass-Rede gegen den griechischen Premier Alexis Tsipras abgeliefert und für große Empörung bei allen anderen Parteien gesorgt - den Sozialdemokraten inklusive. Weber beschimpfte Tsipras in einem ungewöhnlich scharfen, geifernden Ton und sagte: „Sie zerstören Vertrauen in Europa. Der Rest Europas hat kein Vertrauen mehr in Sie.“ Zur Würde gehöre die Wahrheit, Ehrlichkeit. Der griechische Finanzminister habe die Griechen belogen: „Er hat gesagt, die Banken werden am Dienstag wieder öffnen. Heute ist Mittwoch, die Banken sind immer noch nicht geöffnet. Sie sagen Ihren Menschen nicht die Wahrheit. Das ist eine würdelose Politik.“

Weber sagte, er habe sich Entschuldigungen von Tsipras erwartet für die Varoufakis-Beschimpfungen („Terrorismus“) und die der Verteidigungsministers („Flüchtlingswellen über Europa“ - Anmerkung der Redaktion: Griechenland ist neben Italien das von den Flüchtlingen am meisten betroffene Land, in den ersten Lagern haben die Lieferanten die Versorgung mit Lebensmitteln eingestellt, weil sie nicht mehr bezahlt werden.)

Zu einem regelrechten Aufruhr kam es, als Weber alle anderen Parteien, die bei Tsipras ausgewogener und ruhiger Rede applaudiert hatten, pauschal als „Extremisten Europas“ beschimpfte. Diese Extremisten kämen von links und rechts. Auch Fidel Castro habe Tsipras gratuliert. Er umgebe sich mit falschen Freunden.

Schließlich griff Weber in die unterste Schublade der Ressentiments und begann, die Euro-Länder gegeneinander auszuspielen:

„Wenn wir über einen Schuldenschnitt sprechen, dann bitte, lügen Sie die Menschen nicht an. Den Schuldenschnitt werden nicht fremde Finanzinstitute, Banken, irgendwelche Finanzmärkte bezahlen, nein: Den Schuldenschnitt wird Portugal mit 3,5 Milliarden Euro bezahlen und Spanien mit 24 Milliarden Euro. Es wird der Landwirt in Portugal sein, es wird die Krankenschwester in der Slowakei sein und es wird der Beamte in Helsinki sein, der Ihre Schuldenlast zu bezahlen hat... An der Nordgrenze Ihres Landes grenzen Sie an Bulgarien. Bulgarien ist ein Mitglied der Europäischen Union. Sie wissen als erfahrener Politiker, wie dort die Lebensumstände der Menschen sind. Wie können Sie eigentlich den Bulgaren erklären, unter solidarischem Aspekt, dass Griechenland jetzt weitere Kürzungen nicht aushalten kann, obwohl in fünf Mitgliedsstaaten der Eurozone de Mindestlohn geringer ist als in Griechenland. Denken Sie eigentlich auch an diese Menschen?“

Weber: „Der slowakische Premier Fico hat angekündigt, auch ein Referendum durchführen zu wollen, weil es den Slowaken reicht, für die Griechen die Taschen aufmachen zu müssen.“

Auffällig - und wohl der tiefere Grund für die Aggressivität des CSU-Mannes: Weber nannte zwar einige Summen, die andere Staaten bei einem Schuldenschnitt verlieren werden, schwieg aber geflissentlich über die deutschen Verluste. Die hat nämlich seine Parteienfamilie, die Union, zu verantworten (ca. 40 Milliarden Euro bei einem 50 Prozent Haircut, mindestens 100 Milliarden Euro bei einer Griechen-Pleite, unbekannte Kredite der EZB (ELA) nicht mitgerechnet).

Was Weber ebenfalls verschwieg: Ausgerechnet an dem Tag, an dem Weber seine Brandrede für den Anstand als europäisches Kulturgut hielt, wurde bekannt, dass der bayrische Landwirt, die bayrische Krankenschwester und der bayrische Beamte 1,5 Milliarden Euro beim Schuldenschnitt für die österreichische Skandalbank Hypo Alpe Adria verloren haben.

Weber abschließend: „Sie lieben, Herr Tsipras, die Provokation. Wir lieben den Kompromiss. Sie lieben das Scheitern, wir lieben den Erfolg. Sie spalten Europa, und wir lieben Europa.“

Der Finanzsprecher der bayrischen Grünen, Thomas Mütze, machte am selben Tag, an dem Weber in Strasbourg vom Leser zog zur, klar, was man sich unter Erfolg bei der CSU vorstellen muss: „Das von der CSU zu verantwortende HGAA-Abenteuer hat das Land Bayern zehn Milliarden Euro gekostet, die Bayern LB rund fünf Milliarden Euro. Das ist ein Desaster!“

Diese Rede war sogar dem Fraktionsführer der Sozialdemokraten, Gianni Pittella, zu viel. Der Italiener war sichtlich irritiert über den schäumenden Auftritt des CSU-Mannes. Er sagte, dass er zwar nicht zu Tsipras' Partei gehöre, dass er sich aber in dieser ernsten Stunde als Europäer fühle. Die Sozialdemokraten würden niemals einen Grexit akzeptieren. Pitella distanzierte sich von Weber und sagte, die Situation viel zu ernst sei, um den Plenarsaal zu teilen und in einen Hexenkessel zu verwandeln. Er wolle keine Entschuldigungen (wie Weber), sondern eine gemeinsame Lösung. Er bezeichnete die aufgeladene Diskussion als „politisches Glücksspiel“.

Die Rede Webers wurde von den meisten im Saal auch deshalb als völlig deplatziert empfunden, weil der griechische Premier Alexis Tsipras in seiner Rede absolut ausgewogen, nüchtern und sachlich argumentiert hatte. Er sagte, dass der Niedergang Griechenlands nicht erst vor fünfeinhalb Monaten begonnen hatte - mit dem Eintritt der Syriza -, sondern vor fünfeinhalb Jahren - mit dem falschen Troika-Programm. Es seit nötig das Dreieck von „Oligarchen, Banken und Reichen“ in den Griff zu bekommen, die in den vergangenen Jahren nicht solidarisch gewesen seien und sich auf Steuerflucht begeben hätten. Er sagte, dass Griechenland die „Staatsmaschine“ in den Griff bekommen müsse, die seit Jahren nur auf Einzelinteressen, nicht aber auf das Wohl des griechischen Volkes ausgerichtet sei: „Dies ist keine Konfrontation mit Europa, sondern eine mit dem Establishment in unserem Land.“ Die griechische Krise sei eine europäische Krise. Es gelte, den historischen Bruch zu vermeiden. Er sei sich seiner Verantwortung bewusst und suche einen „würdigen Kompromiss“.

PS: Wie man eine kontroverse Debatte ganz ohne Gehässigkeit führen kann, bewies der liberale Guy Verhofstadt in seinem kritischen, aber fairen Dialog mit Tsipras:

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Tsipras' Antwort auf Verhofstadt:

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