Bundeskanzlerin Angela Merkel ist im Kreis der EU-Partner wegen des geplanten Ausbaus der Gaspipeline von Russland nach Deutschland erheblich unter Druck geraten. Mehrere süd- und osteuropäische Staaten machten beim EU-Gipfel in Brüssel ihre Einwände gegen das Projekt Nord Stream 2 geltend. Die europäische Energieversorgung werde damit nicht auf eine breitere Basis gestellt, kritisierte EU-Gipfelchef Donald Tusk am Freitag. Merkel (CDU) entgegnete, die Pipeline sei ein wirtschaftliches Projekt mit privaten Investoren.
Merkel verhinderte eine klare Positionierung der EU gegen Nord Stream 2, berichteten Diplomaten. In der Gipfel-Abschlusserklärung wird nicht explizit erwähnt, dass Energieprojekte dieser Art dazu beitragen sollen, Europa unabhängiger von Einfuhren großer Lieferanten wie Russland zu machen.
Tusk verwies darauf, dass der russische Energiegigant Gazprom nach Einschätzung der EU-Kommission mit Nord Stream 2 eine dominierende Stellung auf dem deutschen Markt bekäme. Es gebe aber bisher keine abschließende rechtliche Klärung. Hinter den Kulissen hieß es, das Vorhaben widerspreche den strategischen Interessen der Union.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi schwang sich zum Wortführer der Kritiker auf und erinnerte, das Pipeline-Vorhaben South Stream sei vor einem Jahr gestoppt worden. «Auf einmal gab es den Versuch, das Prinzip von Nord Stream 2 in aller Stille zu billigen.» South Stream hätte vor allem Südosteuropa mit russischem Gas versorgen sollen. Russland stoppte vor einem Jahr das Projekt nach Einwänden der EU-Kommission.
Renzi verwies auch auf die EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Diese werden wegen unzureichender Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine um weitere sechs Monate verlängert. Die ständigen EU-Botschafter starteten das offizielle Beschlussverfahren, das nächste Woche abgeschlossen werden soll.
Kritische Stimmen gegen die Pipeline kommen mittlerweile auch aus dem Deutschen Bundestag. «Es spricht viel dafür, dass Nord Stream 2 die Ziele der vereinbarten europäischen Energiepolitik konterkariert», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir wollen die Abhängigkeit von Russland in der Energiefrage reduzieren. Nord Stream 2 widerspricht diesem Ziel", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, der FAZ. Spätestens seit der Ukraine-Krise habe man erkannt, dass Energiepolitik Teil der europäischen Sicherheitspolitik sei. Bernd Fabritius, der dem Bund der Vertrieben vorsteht, sagte dem Blatt, Deutschland solle Bedenken Polens gegen Nord Stream 2 berücksichtigen. "Russland hat die Position eines verlässlichen Partners noch lange nicht wiedererlangt, wir sind daher gut beraten, Unabhängigkeit in der europäischen Energieversorgung zu fördern."
Beteiligt an den Nord-Stream-2-Plänen sind neben Russland auch die deutschen Konzerne Eon und BASF sowie das britisch-niederländische Unternehmen Shell, die österreichische OMV und die französische Engie-Gruppe.