Politik

Das böse Erwachen: AfD sichert Merkel für lange Zeit die Macht

Lesezeit: 4 min
28.12.2015 02:21
Die SPD ist hypernervös: Sie hat erkannt, dass der Aufstieg der AfD Angela Merkels CDU auf lange Zeit die Macht sichern kann. Denn mit einer starken AfD sind in vielen Ländern rot-rot-grüne Koalitionen nicht mehr mehrheitsfähig. Merkel kann sich aussuchen, wen sie zum jeweiligen Junior-Partner kürt.
Das böse Erwachen: AfD sichert Merkel für lange Zeit die Macht
Das neue Buch von Michael Maier. (Foto: FBV)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  

Die SPD hat sich während der Weihnachtsfeiertage offenbar mit den Folgen des Aufstiegs der AfD für die deutsche Parteienlandschaft beschäftigt. Das Ergebnis der Analyse ist für alle rot-rot-grünen Machtträume niederschmetternd.

Denn die neuesten Umfragen machen klar: Die CDU kann sich nach den nächsten Wahlen komfortabel aussuchen, mit wem sie regieren will. CDU/CSU verbesserten sich in der aktuellen Emnid-Umfrage um einen Punkt auf 39 Prozent. Die AfD kommt auf neun Prozent. Die SPD verlor im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt und erreichte nur noch 24 Prozent. Die Linke legte einen Punkt zu auf zehn Prozent. Unverändert blieben die Grünen mit neun Prozent. Die FDP würde derzeit mit vier Prozent (minus ein Punkt) den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen - sie zahlt den höchsten Preis für die jahrelange Mehrheitsbeschaffung für Angela Merkel und müsste allen Parteien eigentlich als warnendes Beispiel vor Augen stehen.

Der Aufstieg der AfD ist für die CDU faktisch ein Geschenk des Himmels: Denn die Union kann nun eine Doppel-Strategie fahren, die für die Partei keine Nachteile bringt: Sie kann innerparteilich rechte Positionen durchsetzen mit dem Verweis, dass die AfD der CDU sonst am rechten Rand Stimmen wegnimmt. Zugleich kann sich die CDU öffentlich unflätig gegen die AfD äußern und so den Eindruck erwecken, dass die AfD außerhalb des zulässigen Meinungsspektrums steht. Diese zutiefst undemokratische Position wird der AfD weitere Protest-Wähler in die Arme treiben, was der CDU wiederum in der Endabrechnung nützt.

SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat die CDU daher in einer Art Panik-Attacke scharf kritisiert. Allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz hoffe die Union nach seiner Einschätzung klammheimlich auf den Einzug der AfD in möglichst viele Parlamente. «Mein Gefühl ist: Die Union setzt darauf, dass die AfD bei den kommenden Landtagswahlen in die Parlamente einzieht und damit progressive Mehrheiten dort nicht mehr möglich sind», sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist das Kalkül der Union.» Die CSU biedere sich ganz offensiv bei den Rechten an, übernehme teilweise sogar deren Parolen. «Und die CDU tut nichts.»

Die Landtagswahlen im kommenden Jahr hätten nicht nur für die jeweiligen Länder eine hohe Bedeutung. «Es geht dabei auch um die Frage, ob sich in Deutschland die Rechte etabliert. Und tut sie das mit Hilfe und Duldung der Konservativen oder verhindern wir das.» Eine fatalistische Einstellung nach dem Motto, das komme langfristig eh so, halte er für komplett unakzeptabel. «Hier muss ein klarer Strich gezogen werden. Dieses Liebäugeln mit den Symbolthemen der Rechtspopulisten, wie es CDU-Bundesvize Julia Klöckner macht, geht nicht.»

Die Feinde der Demokratie, zu denen er auch die AfD zählt, dürften keinen Zutritt zu den Parlamenten erlangen, sagte Stegner. «Offiziell sagt die Union natürlich: Wir haben mit denen nichts am Hut. Aber schauen Sie sich Frau Klöckner an: Da mal ein Burka-Verbot, hier mal eine Integrationspflicht. Man spielt damit. Man hofft etwas zu gewinnen, weil man den Stammtisch mobilisiert.»

Auch mit dieser Haltung wird Stegner den Zulauf bei der AfD befördern: Denn eine politische Partei, die nicht wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten verboten ist, darf selbstverständlich Zutritt zu den Parlamenten erlangen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Dialektik perfekt angewendet: Er warnte seine Partei davor, bei den anstehenden Landtagswahlen auf einen Einzug der AfD in die Parlamente zu hoffen, um so rot-grüne Mehrheiten zu verhindern. «Es wäre verantwortungslos und dumm, auf eine starke AfD zu setzen», sagte Schäuble der Bild am Sonntag. «Die CDU muss auf ihre eigene Stärke setzen.» Er selbst werde alles dafür tun, um die AfD aus dem Bundestag halten. «Das beste Rezept ist dafür übrigens: dass wir die Sorgen der Bürger lösen und nicht die Parolen der Dumpfbacken noch übertönen.»

Auch hier dasselbe Muster: Indem man den Wählern ankündigt, dass man eine demokratische Partei aus dem Bundestag halten will, sorgt man für die klassische «Jetzt erst recht!»-Reaktion.

In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo am 13. März neue Landtage gewählt werden, könnte die Partei den Umfragen zufolge die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. In den Grün-Rot und Rot-Grün regierten Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz liegt die AfD in den jüngsten Umfragen bei sieben Prozent, im Schwarz-Rot regierten Sachsen-Anhalt bei über 13 Prozent.

Zur vermeintlich moralischen Ausgrenzung gehört auch die unterschwellige Zuweisung von Gewalttaten in den Verantwortungsbereich des politischen Gegners: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier machte Parteien im rechten Spektrum für Übergriffe auf Asylbewerber mitverantwortlich. «Wie gefährlich es aber ist, mit dem Flüchtlingsthema auf Stimmenfang zu gehen, das zeigt der starke Anstieg rechter Gewalt in Deutschland», sagte der SPD-Politiker der Funke-Mediengruppe. Diese Entwicklung sei «auch ein Ergebnis geistiger Brandstiftung». Dem müsse man sich mit aller Vehemenz entgegenstellen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt weitete den Vorwurf der geistigen Brandstiftung gleich auf die CDU aus und warf auch Unionspolitikern vor, mit dem Flüchtlingsthema Ressentiments zu schüren und damit den Boden für rechte Gewalttaten zu bereiten. «Da ist besonders die AfD in der Verantwortung, aber es gibt auch immer wieder Politiker von CDU und CSU, die Ressentiments schüren», sagte die Politikerin dem Tagesspiegel.

Die einzige Idee, auf die die etablierten Parteien nicht kommen, ist die Infragestellung ihrer eigenen Politik. Es ist ihnen keinen Gedanken wert, dass das Aufkommen der AfD vielleicht auch die Folge ihrer eigenen abgehobenen und bürgerfernen Politik sein könnte. Sie ziehen nicht in Erwägung, dass die Wähler der jahrelangen Hinterzimmer-Politik überdrüssig geworden sein könnten und sich nun in der Illusion wiegen, die AfD könne etwas besser machen. Damit aber wird der Demokratie insgesamt Schaden zugefügt.

Die sinkende Wahlbeteiligung müsste den Parteien eigentlich eine Warnung sein. Doch statt sich zu erneuern, haben sich die Parteien in seltener Eintracht die Beiträge erhöht, die sie pro Stimme künftig erhalten: Auch wenn weniger Leute wählen, steigen die Einnahmen der Parteien. Die Kontrolle durch den Wähler - eigentlich das Wesen der Demokratie - ist ausgehebelt. Von dem morschen System wird auch die AfD dankbar profitieren. Die Feinde der Demokratie sitzen, so hat es den Anschein, in allen Parteien.

***

DWN-Herausgeber Michael Maier beschreibt in seinem neuen Buch das Problem der abgehobenen Politik in den von den Parteien dominierten demokratischen Staaten. Er analysiert, dass die Demokratie zu einem Formalismus verkommen ist: Wichtige Entscheidungen werden in den Hinterzimmern getroffen, die Bürger können sich nur noch zwischen unterschiedlichen Marketing-Konzepten entscheiden. Diese Entwicklung gefährdet auf Dauer den sozialen Zusammenhalt in den westeuropäischen Staaten.  

Das Management-Journal urteilt: „Wer die globalen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Probleme dieser Welt verstehen will, muss ,Das Ende der Behaglichkeit‘ lesen.“

Michael Maier: „Das Ende der Behaglichkeit. Wie die modernen Kriege Deutschland und Europa verändern“. FinanzBuch Verlag München, 228 Seiten, 19,99€. Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!

Oder bestellen Sie das Buch bei Amazon. Mit einem Kauf unterstützen Sie die Unabhängigkeit der Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...