Vier Monate nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals hat eine Razzia bei Renault, dem französischen Konkurrenten, für neue Unruhe in der Autobranche gesorgt. Französische Regierungsmitglieder nahmen den heimischen Pkw-Hersteller allerdings nach einem Rekord-Kurssturz von dessen Aktie in Schutz. In kürzester Zeit verlor Renault rund fünf Milliarden Euro an Börsenwert. Energieministerin Segolene Royal schloss einen Abgas-Schummel aus. „Es gibt keinen Betrug bei Renault. Das sollten Aktionäre und Mitarbeiter wissen“, sagte Royal am Donnerstag. Frankreich habe bei Renault Emissionsprüfungen vorgenommen. Dabei sei keine manipulierte Software festgestellt worden. Bei Autos von Renault und anderen Herstellern hätten die Tests allerdings Emissionswerte über dem erlaubtem Maß ergeben. Durchsuchungen von Betrugsermittlern habe es auch bei anderen Autobauern gegeben.
Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron stimmte zu: Renault sei wegen seiner Abgaswerte nicht speziell im Visier der französischen Behörden, sagte Macron in Berlin. „Es gibt nichts Besonderes in Hinblick auf Renault.“ Es sei lediglich bekannt geworden, dass seine Behörden bei Renault wie auch bei anderen Autoherstellern die Informationspolitik gegenüber den Kunden prüfe. „Das ist eine normale Arbeit unserer Behörden“, ergänzte Macron. Die Regierung in Paris hatte ihren Anteil an Renault im April auf 19,7 Prozent von rund 15 Prozent erhöht und damit mehr Einfluss bei dem Autobauer bekommen. Für dieses Jahr hat sie eine Reduzierung der Beteiligung angekündigt.
Zuvor waren bei Renault die Behörden zu einer Razzia angerückt. Der Autobauer teilte mit, drei seiner Werke seien im Rahmen einer Überprüfung von Abgasmesswerten durchsucht worden. Die laufenden Tests ergaben laut Renault keine Hinweise auf manipulierte Werte. Am Aktienmarkt war das Entsetzen groß: Renault-Aktien verloren zeitweise knapp 23 Prozent an Wert und schlossen zehn Prozent tiefer. Es war der schlechteste Börsentag für Renault seit Erstnotiz der Aktie 1994. Auch die Kurse anderer Autobauer wie Peugeot, VW, BMW und Daimler gaben deutlich nach.
Renaults deutscher Partner Daimler, der in einigen Fahrzeugen Motoren der Franzosen einsetzt, bekräftigte, dass zu keinem Zeitpunkt Schummelsoftware eingebaut worden sei. Ein Daimler-Sprecher sagte: „Renault hat uns versichert, dies ebenfalls nicht zu tun.“ Der heimische Renault-Rivale Peugeot erklärte, dass in seinen Werken keine Durchsuchungen stattgefunden hätten. Die Abgastests des Energieministeriums hätten keine Unregelmäßigkeiten ergeben.
Eine von der Regierung eingesetzte Kommission untersucht derzeit 100 Fahrzeugmodelle französischer Autobauer, darunter 25 von Renault. Der Hersteller teilte mit, bis Ende Dezember seien vier seiner Modelle getestet und „kein Hinweis auf eine Betrugssoftware“ entdeckt worden. Ein Mitglied der Kommission, der Grünen-Abgeordnete Denis Baupin, sagte dagegen, dass Renault in der nächsten Woche dem Gremium Lösungen für zu hohe Emissionswerte liefern müsse, die bei den Überprüfungen festgestellt worden seien. „Die Tests bei Renault haben ganz eindeutig Normabweichungen gezeigt. Es ist kein Zufall, dass sich Betrugsermittler entschieden haben, Renault zu durchsuchen.“
Europas größter Hersteller Volkswagen hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, Stickstoffwerte bei Diesel-Autos geschönt zu haben. Weltweit ist eine Software, die den Stickoxid-Ausstoß nur auf dem Prüfstand unter den Grenzwert senkt, in elf Millionen Autos eingebaut. Seit dem Bekanntwerden der Manipulation steht auch die Konkurrenz unter besonderer Beobachtung von Behörden, Justiz und Öffentlichkeit.