Politik

EU erwägt Notbremse bei Sozialleistungen für EU-Migranten

Die EU verhandelt mit Großbritannien über eine für alle EU-Staaten mögliche Notbremse für Sozialleistungen für EU-Migranten, die in einem anderen Land leben wollen. Doch das System wäre sehr bürokratisch. Für London geht der Vorschlag nicht weit genug, Polen läuft dagegen Sturm.
30.01.2016 00:06
Lesezeit: 2 min

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Im Ringen um eine Einigung auf EU-Reformen angesichts der britischen „Brexit“-Drohung gibt es Fortschritte, aber noch keinen Durchbruch: Der britische Premierminister David Cameron nannte die bisherigen Vorschläge aus Brüssel am Freitag „nicht ausreichend“. Nach Informationen der „FAZ“ (Samstagsausgabe) soll London Sozialleistungen nur nach Abstimmung im Europäischen Rat streichen dürfen.

Der konservative Premierminister will die Briten im Sommer oder Herbst über den Verbleib in oder den Austritt aus der EU (Brexit) abstimmen lassen. Die Meinungen dazu sind gespalten (Video am Anfang des Artikels). Zuvor will er eine Reform der EU erreichen, um bei seinen Landsleuten für die weitere Mitgliedschaft in der Union werben zu können. Seine umstrittenste und zugleich markanteste Forderung ist es, EU-Ausländern vier Jahre lang Sozialleistungen vorzuenthalten und so Zuzugsanreize zu senken.

Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) sieht ein auf 20 Seiten festgehaltener Kompromiss zu den britischen Forderungen vor, dass Sozialleistungen nur gestrichen oder gekürzt werden dürfen, wenn die Sozialsysteme, der Arbeitsmarkt oder die Funktionsfähigkeit von Universitäten, Krankenhäusern oder anderen öffentlichen Einrichtungen durch die Einwanderung aus der EU besonders stark belastet sind. Dafür sollen „objektive Beweise“ erforderlich sein.

Zudem soll den Mechanismus laut „FAZ“ nicht ein Mitgliedstaat allein aktivieren dürfen, sondern nur der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit und nach Prüfung der Kommission. In den Brüsseler Beratungen läuft das Verfahren unter dem Stichwort „Notbremse“ oder „Migrationsbremse“. Das Verfahren würde nicht nur für Großbritannien gelten, sondern auch für jedes andere EU-Land.

Beim nächsten EU-Gipfel in drei Wochen in Brüssel wird eine Einigung mit London angestrebt. Cameron reiste nun im Vorfeld des Gipfels nach Brüssel, um dort über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen. Nach seinem Treffen mit Juncker sagte er dem Sender Sky News: „Wir haben heute Fortschritte gemacht.“ Es sei aber noch „nicht ausreichend“. Es liege nun ein Vorschlag auf dem Tisch, aber „er ist nicht gut genug“. Es werde noch „harte Arbeit“ nötig sein.

Cameron traf in Brüssel auch mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) zusammen. Schulz zeigte sich „optimistisch“, dass eine Einigung im Februar erzielt werde. Er warnte aber: „Der Teufel steckt im Detail“. Am Sonntag ist ein Gespräch Camerons in London mit EU-Ratspräsident Donald Tusk geplant. Es wird erwartet, dass Tusk dann am Montag Einzelheiten zu den Reformvorschlägen bekannt macht.

Viele EU-Länder, vor allem die mit einer großen Anzahl von Arbeitskräften in Großbritannien, lehnen den Reformwunsch aus London zu den Sozialleistungen für EU-Arbeitskräfte ab. So machte die polnische Regierung bereits klar, dass sie keine „Diskriminierung“ ihrer Landesleute akzeptieren werde.

Jüngsten Umfragen zufolge würden sich die Briten bei einem Referendum knapp für einen Austritt ihres Landes aus der EU entscheiden. Cameron hatte vor seiner Wiederwahl im Mai 2015 versprochen, bis spätestens Ende 2017 ein EU-Referendum abzuhalten.

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