Politik

Türkei erhöht Druck auf Merkel: EU kann wegen Flüchtlingen zerfallen

Vor dem für Angela Merkel entscheidenden Gipfel mit der Türkei rührt Ankara noch einmal die PR-Trommel: Die Flüchtlingsströme würden das Projekt EU gefährden. Mit dieser Warnung will die Türkei offenbar den Preis in den Höhe trieben, den die EU zu bezahlen bereit ist.
03.03.2016 15:10
Lesezeit: 1 min

Der türkische EU-Minister Volkan Bozkır hat am Mittwoch auf einer Podiumsdiskussion am Harvard University Center for European Studies eine Warnung an die EU gerichtet, berichtet Orient News. „Die Euro-Krise, der Flüchtlingszustrom und der Terrorismus sind drei Bedrohungen für die Integrität der EU. Ich möchte betonen, dass die Flüchtlings-Krise einen entscheidenden Moment für Europa darstellt. Wenn Europa bei der Bewältigung der Flüchtlings-Krise scheitert, wird das Schengen-System zusammenbrechen. Aber noch wichtiger ist die menschliche Tragödie, die daraus folgen würde.“

Die Freizügigkeit von Personen innerhalb des Kontinents sei eines der wichtigsten Errungenschaften der EU-Integration. Der Flüchtlings-Zustrom „entfacht jetzt eine Krise, die den Kern des europäischen Projekts bedroht“, zitiert die Zeitung Sabah Bozkır.

Wenn der europäische Kontinent in eine „ausländerfeindliche Atmosphäre“ zerfalle, werde die Situation weitaus schlimmer werden.

Europa müsse eine neue Daseinsberechtigung artikulieren, aus der eine frische und ehrgeizige Vision hervorgehe, um künftigen Herausforderungen zu begegnen und unmittelbare Probleme zu lösen.

Damit stößt die Türkei ins selbe Horn wie die Nato: Deren Oberbefehlshaber General Breedlove hatte verkündet, dass sich unter den Flüchtlingen viele Terroristen befinden, allerdings ohne jeden belastbaren Beleg. Mit der Aussage dürfte erreicht werden, dass die EU-Politiker unter noch größeren Druck geraten. Dies würde der Türkei helfen, beim bevorstehenden Gipfel den Druck auf Merkel sowie den Preis zu erhöhen, den die EU dafür zahlen muss, dass die Türkei die Flüchtlinge nicht weiter nah Europa schickt.

Die EU selbst ist in der Frage kaum noch handlungsfähig: Im Spätsommer 2015 hatte die EU die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen – am Donnerstag hat Rumänien eine erste Gruppe von 15 Jemeniten und Syrern aus dem ihm zugewiesenen Kontingent aufgenommen. „Darunter sind Jugendliche und Kinder“, sagte eine Sprecherin der Einwanderungsbehörde.

Die Flüchtlinge wurden aus einem griechischen Erstaufnahmelager (Hotspot) nach Bukarest geflogen und von dort mit einem Bus zu einem Asylbewerberheim in der östlichen Stadt Galati gebracht. Die Einrichtung aus dem Jahr 2004 hat 280 Plätze.

Rumänien ist eines der ärmsten Länder der EU und hatte sich zunächst gegen die Zuweisung von Kontingenten gewehrt. Schließlich akzeptierte die Regierung, bis Ende 2017 insgesamt 6.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Aus eigenem Antrieb haben sich bislang kaum Flüchtlinge nach Rumänien begeben.

Insgesamt kommt die Umverteilung der 160.000 Einwanderer nur sehr schleppend voran. Beim EU-Gipfel vor zwei Wochen lag die Zahl nur bei etwas mehr als 500.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Konzern behauptet Spitzenposition im deutschen E-Auto-Markt
08.07.2025

Der VW-Konzern setzt im deutschen E-Auto-Markt neue Maßstäbe. Die aktuellen Zahlen zeigen eine eindrucksvolle Entwicklung – doch der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Politik
Politik Trump droht BRICS-Staaten mit neuen Strafzöllen
07.07.2025

Trump verschärft den Handelsstreit mit den BRICS-Staaten drastisch. Seine angekündigten Strafzölle könnten globale Lieferketten...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell auf Höhenflug trotz drohender US-Handelszölle
07.07.2025

Der DAX überrascht mit einem starken Anstieg über 24.000 Punkte – und das trotz drohender US-Zölle. Wie reagieren Investoren auf die...