Politik

Die Rendite-Killer: EZB treibt Anleger aus Unternehmens-Anleihen

Die reine Ankündigung der EZB, Unternehmensanleihen aufzukaufen, hat die Renditen umgehend auf historische Tiefststände gedrückt. Damit wird den Anlegern der Weg in eine weitere Asset-Klasse abgeschnitten. Dieselbe Methode hat die Anleger bereits aus den Staatsanleihen getrieben.
01.04.2016 01:08
Lesezeit: 2 min

Die EZB-Ankündigung, künftig auch Unternehmensanleihen aufzukaufen, zeigt bereits Wirkung. Schon vor vier Jahren hatte EZB-Präsident Mario Draghi mit seiner „Whatever it takes“-Rede die Renditen der Staatsanleihen massiv nach unten gedrückt. Dasselbe passiert nun offenbar bei den Unternehmensanleihen, schreibt das WSJ.

Der „nicht-finanzielle Anleihen-Index für die Eurozone“ der Bank of America Merrill Lynch – der Länder wie Italien, Spanien, Portugal und Irland miteinschließt – hat am Dienstag mit 0,76 Prozent sein Allzeittief zur Fälligkeit erreicht.

Bevor die EZB also einen einzigen Kauf in ihrem neuen Monetarisierungsprogramm (hierzu gehören auf Euro lautende, mündelsichere Anleihen von Nicht-Banken-Unternehmen aus der Euro-Zone) getätigt hat, scheint es so, als habe die bloße Ankündigung bereits die beabsichtigte Wirkung erzielt. Das bisherige Rekordtief für den Index lag bei 0,78 Prozent – das war kurz bevor der Staatsanleihenmarkt im Frühjahr 2015 zu beben begann.

Einige der größten betroffenen, börsennotierten Unternehmen verzeichnen aktuell die niedrigsten Anleiherenditen überhaupt. Die irische Fluggesellschaft Ryanair hat im Juni 2014 Anleihen im Wert von 850 Millionen Euro ausgegeben, die im Juni 2021 fällig werden. Nach dem Verkauf hat die Anleihe noch zwei Prozent Rendite abgeworfen, vor etwa sechs Wochen noch immerhin 1,6 Prozent. Am Dienstag stand die Rendite nur noch bei 0,67 Prozent.

Ein weiteres Beispiel: Die Rendite der im Januar 2023 fälligen Anleihe des spanischen Telekommunikationsriesen Telefonica liegt aktuell bei 0,95 Prozent – ein Rekordtief. Ende 2013 lag sie noch bei über vier Prozent.

Bei einigen Unternehmen sind die Renditen noch dramatischer zurückgegangen: Finmeccanica, einer der größten Industriekonzerne Italiens, wurde in den Jahren 2011/2012 von einer Korruptionsuntersuchung betroffen. Die Rendite der Finmeccanica-Anleihe, die im Januar 2022 fällig wird, war mit 11,04 Prozent im November 2011 auf ihrem Allzeithoch. Am Dienstag lag sie bei 2,16 Prozent.

Diese Entwicklung macht es Unternehmen leichter, sich Geld zu leihen – und die EZB hofft darauf, dass es zu einem Übertragungseffekt auf andere Unternehmen kommt. Ein großer Teil der Unternehmensfinanzierung kommt von anderen Unternehmen der gleichen Branche – und nicht über Banken oder Anleihemärkte. Niedrigere Renditen sollten es großen börsennotierten Unternehmen erleichtern, einen Kredit an kleinere Kontrahenten zu vergeben.

Im Vergleich: Finanzgesellschaften, deren Anleihen die EZB nicht kaufen wird, sind immer noch ein Stück weit entfernt von ihren Tiefstständen. Im März letzten Jahres lagen die Renditen bis zur Fälligkeit der „Bank of America Merrill Lynch Index für Finanzunternehmen in der Eurozone“ bei 1,12 Prozent – aktuell sind es 1,35 Prozent.

Die Gefahr ist nun, dass eine weitere Anlagenklasse – wie zuvor die europäischen Staatsanleihen – völlig aus ihrem Fundament gehoben wird. Die Staatsanleihen werden heute auch nicht aufgrund zugrundeliegender Werte gekauft, sondern weil die EZB sie kaufen muss. So wie es nun im Unternehmensanleihenmarkt angedacht ist. Sobald dieser Markt am Boden ist, wird sich die EZB ein weiteres Anleihen-Kauf-Programm einfallen lassen müssen, etwa für Junk-Bonds, Wandelanleihen oder schlussendlich Aktien.

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