Der spektakuläre Hackerangriff auf die Zentralbank Bangladeschs könnte für ein Nachbeben in der weltweiten Finanzwelt sorgen. Nach Reuters-Informationen gelang es den Cyber-Kriminellen, die vor einigen Wochen 81 Millionen Dollar von der Notenbank erbeuteten, möglicherweise in eine Software des internationalen Zahlungsverkehrsystems Swift einzudringen. Darauf deuten Erkenntnisse von Sicherheitsexperten des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems hin. Die Fachleute sagten der Nachrichtenagentur Reuters, sie hätten vermutlich ein Schadprogramm ausfindig gemacht, das die Hacker bei ihrem Angriff benutzt hätten. Damit hätten sie die Swift-Kundensoftware Alliance Access manipuliert. So wollten die Cyber-Diebe ihre Spuren verwischen und die Entdeckung des Raubs verzögern.
Swift ist ein Dreh- und Angelpunkt des internationalen Finanzsystems. Es handelt sich um eine internationale Kooperative von 3000 Finanzinstituten mit Sitz in Brüssel. Sie soll dafür sorgen, dass Zahlungsvorgänge sicher und reibungslos über die Bühne gehen. Noch Anfang April nach Bekanntwerden des Coups hatte Swift jede Kompromittierung des Systems abgestritten (Siehe Video am Anfang des Artikels).
Eine Swift-Sprecherin bestätigte nun jedoch die Existenz eines Schadprogramms, das auf Kundensoftware abziele. Sie kündigte an, noch an diesem Montag ein Software-Update vorzulegen, das das Schadprogramm ausschalten soll. Außerdem solle eine Sicherheitswarnung an Finanzinstitute herausgehen. Die Sprecherin betonte allerdings, das Schadprogramm habe keine Auswirkungen auf die Datenaustausch-Plattform von Swift, der sich weltweit 11.000 Banken und andere Einrichtungen bedienten.
Die betroffene Software Alliance Access hingegen werde nur von einigen Instituten genutzt.
Adrian Nish, der bei BAE den Bereich Gefahrenaufklärung leitet, hat nach eigenem Bekunden niemals zuvor ein dermaßen ausgetüfteltes Vorgehen von Cyberkriminellen gesehen. BAE wollte ebenfalls noch am Montag die Öffentlichkeit in einem Blog über die eigenen Erkenntnisse informieren. Dazu sollten technische Details vorgelegt werden, die Banken helfen sollen, ähnliche Attacken zu verhindern. Die Schadsoftware sei zwar speziell auf die Zentralbank von Bangladesch zugeschnitten gewesen, hieß es im Entwurf einer BAE-Mitteilung, den Reuters einsehen konnte. Aber: „Die allgemeinen Instrumente, Techniken und Methoden, die bei dem Angriff genutzt wurden, könnten es der Bande möglich machen, erneut zuzuschlagen.“
Die bislang beispiellose Cyberattacke auf die Zentralbank von Bangladesch ereignete sich Anfang Februar. Die unbekannten Diebe veranlassten betrügerische Transaktionen über insgesamt 951 Millionen Dollar, doch die meisten davon wurden blockiert. 81 Millionen Dollar wurden auf Konten auf den Philippinen gelenkt und dort an Kasinos weitergeleitet. Der größte Teil dieses Betrags wird weiter vermisst. Als Konsequenz aus dem Angriff musste der Notenbank-Chef zurücktreten.
Die Behörden in Bangladesch gehen bislang davon aus, dass die Hacker in die Notenbank-Computer eindrangen und sich dort Zugang zum Swift-System verschafften. Ihrer Ansicht zufolge zeigten die Computer der Zentralbank ernsthafte Sicherheitsmängel. Allerdings wiesen die Ermittler Swift eine Mitverantwortung zu, weil der Zahlungssystem-Betreiber auf die Probleme offenbar nicht hingewiesen habe.
Die Experten des BAE-Konzerns, für den Cybersicherheit ein großer Geschäftsbereich ist, kamen zu einer abweichenden Einschätzung. Demnach liegt die Schwachstelle in der Swift-Software, die sich auf den Zentralbank-Computern befindet. Das Schadprogramm mit dem Namen „evtdiag.exe“ habe dazu gedient, die Spuren der Hacker zu verwischen, indem Informationen über die betrügerischen Überweisungen verfälscht oder gelöscht wurden. Ziel sei es gewesen, den Cyberraub so lange zu verschleiern, bis die Täter die gestohlenen Gelder in Sicherheit gebracht haben, erläuterte Nish. Wie die Transaktionen genau angewiesen wurden, ist allerdings weiter unklar.
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