Gut eine Woche vor dem Brexit-Referendum haben britische Fischkutter auf der Themse für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union demonstriert. Rund 30 Schiffe passierten am Mittwoch mit tutenden Nebelhörnern die Tower Bridge und das Parlament, geschmückt mit der britischen Flagge und Brexit-Bannern. Premierminister David Cameron und sein Finanzminister George Osborne warnten die Briten erneut vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexits.
Organisiert wurde die Brexit-Flottille von der Kampagne "Fishing for Leave" (in etwa: Fischen für den EU-Austritt). "Leave, Save our Country" (Tritt aus, rette unser Land) oder "The Only Way is Brexit" (Der Brexit ist der einzige Weg) war auf den Bannern zu lesen, mit denen die Fischerboote geschmückt waren.
An der Aktion beteiligte sich auch der Chef der United Kingdom Independence Party (Ukip), Nigel Farage. "Die EU-Mitgliedschaft hat unsere Industrie zerstört", erklärte er, bevor er an Bord ging. Das Deck seines Schiffes war mit britischen Flaggen und Liegestühlen in den Farben des Union Jack bestückt. Bei der Flottille handele es sich nicht um eine Party, "sondern einen Protest mit Vollgas", sagte Farage. "Wir wollen unsere Gewässer zurück."
Die Liegestühle kann man als neutraler Beobachter durchaus doppeldeutig interpretieren: Farage bezieht sein Gehalt seit Jahren von der EU und hat, sehr zum Ärger der Briten, auch seine Frau bei der EU beschäftigt: Kritiker halten ihm deshalb vor, dass seiner EU-Kritik etwas Heuchlerisches anhafte. Farage warnt die Briten seit Jahren davor, dass die Ausländer ihnen die Jobs wegnehmen - und hat ausgerechnet seiner aus Deutschland stammenden Frau einen Job verschafft.
Gestört wurde die Brexit-Flottille von kleineren Schlauch- und Motorbooten, die ebenfalls auf der Themse unterwegs waren. Andere EU-Befürworter buhten vom Ufer aus die Fischkutter aus. Auf einem Banner an der Westminster Bridge stand: "Lasst Farage nicht Großbritannien versenken, stimmt für Bleiben."
Der Sänger und Aktivist Bob Geldof beschallte die Themse von Bord eines Schiffes mit dem Lied "In With The In Crowd". "Nigel, du bist ein Betrüger", rief er Farage über Lautsprecher zu. Als EU-Abgeordneter habe er an keiner Sitzung des Fischereiausschusses im Europaparlament teilgenommen.
Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Farage "zynischen Opportunismus" vor. Für die Probleme der Fischereiindustrie seien die von der britischen Regierung erdachten Fangquoten verantwortlich, nicht die EU. Ein Austritt aus der EU bedeute, dass die Industrie jahrelang über neue Fischereiabkommen verhandeln müsse, ohne dass hinterher bessere Vereinbarungen für Fischer oder ein besserer Meeresschutz garantiert seien.
Die Briten entscheiden am Donnerstag kommender Woche in einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU. In Umfragen liefern sich EU- und Brexit-Befürworter seit Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Finanzminister Osborne, der wie Premierminister Cameron für einen Verbleib in der EU wirbt, warnte die Briten am Mittwoch sehr konkret von den wirtschaftlichen Folgen eines Brexits. Ein Austritt aus der EU werde ein Loch von 30 Milliarden Pfund (37,9 Milliarden Euro) in den Staatshaushalt reißen, sagte Osborne. Trotz höherer Steuern müssten Schulen, Krankenhäuser und das Militär dann mit Kürzungen rechnen.
Auch Cameron warnte, dass ein Brexit zu "höheren Steuern, Ausgabenkürzungen und mehr Schulden" führen werde - "oder alles drei".
Unterstützung bekamen die EU-Befürworter am Mittwoch auch aus Deutschland. Der Wirtschaftsverband Die jungen Unternehmer verteilte am Trafalgar Square Bratwürste an die Londoner - um den Briten symbolisch zu zeigen, was sie durch einen Brexit alles verlieren würden.