Politik

EU verlängert Russland-Sanktionen, Widerstand wächst

Keine großen Diskussionen, kein langes Palaver, kein offener Streit: Nahezu geräuschlos haben sich die 28 Mitglieder der Europäischen Union auf die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland verständigt. Doch hinter den Kulissen knirscht es.
21.06.2016 16:36
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die dpa analysiert die Hintergründe zur Verlängerung der Russland-Sanktionen:

Warum ging es mit der Verlängerung jetzt so glatt?

Die einfache Antwort: Weil es eine zwei Jahre alte Grundsatzeinigung der 28 Staats- und Regierungschefs gibt. Im Sommer 2015 hatten sie beschlossen, die Sanktionen erst aufzuheben, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukrainekonflikt komplett erfüllt sind. Das ist bislang nicht der Fall.

Dann scheint doch alles in Ordnung zu sein?

Nein. Hinter den Kulissen wird seit Monaten darüber gestritten, ob der „Alles-oder-Nichts“-Kurs der richtige ist. Manche – auch die SPD mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier – sind der Ansicht, es müsse möglich sein, Fortschritte im Friedensprozess zu belohnen. Ihr Argument: Eine Lockerung der Sanktionen könnte Anreiz für Russlands Präsident Wladimir Putin sein, die Bemühungen für eine Lösung des Ukrainekonflikts fortzuführen.

Zudem ist die Lage kompliziert. So hat es Russland gar nicht alleine in der Hand, ob die Minsk-Vereinbarungen komplett erfüllt werden oder nicht. Auch in der EU meinen einige, dass die ukrainische Regierung aktiv daran mitwirkt, eine schnelle Lösung zu verhindern.

Für eine Verlängerung müssen alle 28 EU-Staaten zustimmen. Warum haben die Kritiker das nicht einfach blockiert?

Preis dafür wäre wahrscheinlich offener Streit gewesen. Nutznießer: Putin. Die Kritiker sollen vor der aktuellen Verlängerung aber deutlich gemacht haben, dass es mit „Alles-oder-Nichts“ auf Dauer nicht weitergeht. Möglicherweise wird das schon beim EU-Gipfel nächste Woche wieder Thema. Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte, es gehe um die Frage, ob im Falle signifikanter Fortschritte Sanktionen nicht schon früher gelockert werden.

Wie schnell wäre das möglich?

Theoretisch ginge das fix. In der Praxis würde es innerhalb der nächsten sechs Monate allerdings schwierig: Für eine Aufhebung wäre wieder die Zustimmung aller 28 erforderlich - auch von Ländern wie Polen, die Russland sehr kritisch gegenüberstehen.

Was hat der bevorstehende Wahlkampf in Deutschland damit zu tun?

Union und SPD wehren sich gegen alle Vorwürfe, bei der deutschen Russlandpolitik auf die Bundestagswahlen 2017 zu schielen. Aber der Umgang mit Moskau gehört zu den Themen, bei denen sich die Partner der großen Koalition erheblich voneinander unterscheiden. Die Sozialdemokraten gelten seit den Jahren der Ostpolitik als russland-freundlich. Und sie hoffen, im nächsten Jahr bei den Wählern damit punkten zu können. Über Steinmeiers Warnung vor einem „Säbelrasseln“ der Nato empört sich die Union gerade sehr.

Wie ist mit russischen Sanktionen gegen die EU?

Der Importstopp für europäische Agrarprodukte ist weiter gültig. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigt sich allerdings zuversichtlich, dass der Sanktionskrieg bald ein Ende hat. „Ich gehe davon aus, dass Russland in Zukunft wieder ein bedeutender Abnehmer für unsere Milchwirtschaft wird“, sagte der CSU-Politiker der Super Illu. Das werde nicht von heute auf morgen passieren – er hoffe aber in absehbarer Zeit, Schritt für Schritt.

Wie geht es mit den Friedensgesprächen weiter?

Die Verhandlungen stecken in der Sackgasse, seit Monaten schon. Deutschland und Frankreich - die beiden Vermittler - kommen mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen vom Februar 2015 praktisch überhaupt nicht voran. Vor allem bei den politischen Streitfragen wie einem Gesetz für Lokalwahlen im Konfliktgebiet gibt es kaum Bewegung.

Wie wäre es mit einem neuen Treffen in Minsk?

Seit einer Weile schon gibt es Überlegungen, mit einem neuen Spitzentreffen in Minsk frischen Schwung in die Gespräche zu bringen - entweder auf Ebene der Außenminister oder gleich der Staats- und Regierungschefs. Aber das ergibt eigentlich nur Sinn, wenn es Hoffnung auf größere Fortschritte gibt. So weit ist man aktuell noch nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Technologie
Technologie Fahrerlose Taxis in Hessen: Chinesische Technik, deutscher Pilotbetrieb
01.06.2025

In Deutschland startet das erste Pilotprojekt für autonome Taxis: Ohne Fahrer, aber mit Überwachung aus der Ferne. Ein Modell mit...

DWN
Technologie
Technologie Goldrausch 2.0: Wie Google KI neu definiert – und Europa zuschaut
01.06.2025

Google I/O 2025 bietet einen tiefen Einblick in die nächste Ära der Künstlichen Intelligenz – von echten 3D-Videocalls bis hin zu...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...