Politik

Griechenland nimmt EU-Gelder für Flüchtlinge nicht in Anspruch

Griechenland nimmt die von der EU bereitgestellten Gelder für Flüchtlinge nicht in Anspruch. Die Versorgung der Migranten wird hauptsächlich von privaten Organisationen geleistet. Die Zustände sind verheerend, wie die jüngsten Ereignisse nach dem Brand in einem Lager auf Lesbos gezeigt haben.
21.09.2016 02:07
Lesezeit: 2 min
Griechenland nimmt EU-Gelder für Flüchtlinge nicht in Anspruch
Der EU-Hotspot Moria auf Lesbos, vor dem Brand. (Foto: Zoran Dobric)

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Die griechische Regierung scheint kein besonderes Interesse daran zu haben, die von der EU bereitgestellten Gelder zur Versorgung von Flüchtlingen abzurufen. Hunderte Millionen Euro an Hilfsgeldern stünden bereit, würden aber kaum nachgefragt, berichtet der EUobserver.

Die EU-Kommission kündigte inzwischen offenbar an, Personal nach Athen zu entsenden, um administrative Hürden abzubauen und eine bessere Vergabe der Gelder zu koordinieren. „Wir haben bisher nur sehr, sehr geringe Nachfragen nach Kostenübernahmen vom griechischen Staat erhalten“, wird ein Sprecher der Kommission zitiert. Die bisher ausbezahlten Mittel flossen demnach fast ausschließlich internationalen Nichtregierungsorganisationen und in Griechenland tätigen EU-Agenturen zu.

Insgesamt hat die EU Griechenland Gelder im Umfang von 509 Millionen Euro bis 2020 zugesagt. Bislang wurden davon knapp 70 Millionen ausbezahlt – das meisten an private Organisationen. „Es wurde nicht alles an die griechischen Behörden vergeben, weil sie Probleme haben, das Geld auszugeben“, zitiert EUobserver einen Beobachter.

Der griechische Premier Alexis Tsipras hat in New York die EU harsch kritisiert, weil sie Griechenland in der Flüchtlingskrise nicht helfe. Man habe Personal angefordert und sei allein nicht in der Lage, die Probleme zu lösen.

Scheinbar ist die griechische Verwaltung nicht gewillt oder in der Lage, für eine effiziente Verteilung der Gelder zu sorgen. Offensichtlich wurden die Probleme vergangene Woche durch den Rücktritt des Generalsekretärs für Migration, Odysseas Voudouris. Die EU-Kommission forderte bereits, die gesamte Flüchtlingshilfe Griechenlands auf das Wirtschaftsministerium zu übertragen.

Unterdessen verschlechtern sich Beobachtern zufolge bei zurückgehenden Einreisezahlen die Bedingungen in den Lagern auf den griechischen Inseln. „Die Einrichtungen sind unreguliert. Neue Mitarbeiter werden eingestellt – aber es gibt niemanden, der ihnen sagt, was sie genau zu tun haben“, sagte Voudouris einem Radiosender.

Nach dem Brand im Flüchtlingslager «Moria» spitzt sich die Lage auf der griechischen Insel Lesbos zu. Mehr als 3000 Flüchtlinge und Migranten wurden durch das Feuer obdachlos, viele haben sich auf der Insel versteckt, um einer möglichen Abschiebung in die Türkei zu entgehen, berichten griechische Medien am Dienstag. Die Situation könne jederzeit wieder eskalieren, warnte Bürgermeister Spyros Galinos.

Bereits vor Monaten war klar, dass die Einrichtung in Moria keine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und Migranten möglich macht, wie eine Recherchen der DWN seinerzeit vor Ort ergeben haben. 

Die Situation im völlig überfüllten Auffanglager der Insel war am Montagabend eskaliert. Ersten Erkenntnissen zufolge legten Flüchtlinge und Migranten an verschiedenen Stellen Feuer, so dass der sogenannte Hotspot zu mehr als 60 Prozent zerstört wurde. Anschließend machten sich die Menschen auf den Weg zum Hafen der Insel.

«Angesichts des überfüllten Lagers war es nur eine Frage der Zeit, bis das passiert», sagte Galinos. «Wenn die Situation nicht umgehend entschärft wird, werden wir sicher wieder neue, noch schlimmere Vorfälle erleben.»

Am Dienstagmorgen nahm die griechische Polizei auf der Insel 18 Flüchtlinge und Migranten fest. Die Männer aus Afghanistan, Kamerun, Senegal und Syrien stehen im Verdacht, für die Brandstiftung und die Krawalle inner- und außerhalb des sogenannten Hotspots verantwortlich zu sein, berichtete die Athener Tageszeitung Kathimerini. Mindestens neun von ihnen sollen dem Haftrichter vorgeführt werden.

Die griechische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu den Vorfällen. Ministerpräsident Alexis Tsipras und andere Regierungsmitglieder nehmen derzeit am UN-Flüchtlingsgipfel in New York teil. Galinos warf Athen Versäumnisse vor. Er selbst habe wiederholt um Hilfe gebeten und gewarnt. «Es kann nicht sein, dass nur rund 15 Gemeinden in ganz Griechenland die gesamte Flüchtlingsproblematik schultern.»

Seit dem Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei im März dieses Jahres dienen die Hotspots dazu, illegal eintreffende Neuankömmlinge festzuhalten, um sie zurück in die Türkei zu schicken. Zuvor können die Menschen einen Asylantrag stellen - allerdings zieht sich die Prozedur mangels Personal in die Länge, so dass die Hotspots längst überfüllt sind.

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