Viele Amerikaner aus den geburtenstarken Jahrgängen erkennen, dass sie für das Alter nicht vorgesorgt haben. Ihre Renten sind mickrig, viele Firmenrenten wegen der Niedrigzinsen sogar in Gefahr. Zugleich haben sich die meisten Mit-Fünfziger bis ins hohe Alter verschuldet und erkennen nun, dass sie bis ans Lebensende für ihren Schuldendienst arbeiten müssen. Am Beispiel einer Highschool-Abschlussklasse aus dem Jahr 1976 illustriert der Boston Globe den wirtschaftlichen Abstieg, der große Bevölkerungsschichten in den USA inzwischen ergriffen hat.
Die Angst vor dem Rentenalter sei Teil eines landesweiten Phänomens, dass die Mittelschicht besonders hart trifft, schreibt die Zeitung. Einer aktuellen Studie des Center for a secure Retirement zufolge glauben 7 von 10 Amerikanern nicht, dass sie genug Geld verdient haben, um bis zum Alter von 85 Jahren komfortabel zu leben. 8 von 10 haben demnach Schulden und mehr als ein Viertel muss noch immer Hypotheken bedienen, die noch mehr als 20 Jahre andauern werden. Der National Retirement Risk Index bildet das Risiko von angehenden Rentnern ab, ihren Lebensstandard im Alter nicht halten zu können. 1989 betrug deren Anteil noch 30 Prozent, im Jahr 2013 hingegen schon 52 Prozent. Die Folge ist, dass immer mehr ältere Menschen freiwillig weiterarbeiten. Im August arbeiteten fast 19 Prozent der US-Bürger im Alter von 65 oder höher noch, wie aus Daten des Bureau of Labor Statistics hervorgeht. 1985 waren dies noch rund 10 Prozent.
Auch die Vorsorgesysteme vieler großer Konzerne sind in Schieflage geraten. Aus einem Bericht der US-Großbank Citigroup geht hervor, dass die Betriebsrenten vieler großer Unternehmen unterfinanziert sind. Bei den 500 Unternehmen des S&P-Index belaufe sich das Gesamtdefizit mittlerweile auf 375 Milliarden Dollar, zitiert der Finanzblog Zerohedge aus dem Papier der Citibank. Besonders bedenklich sei die Schieflage bei den 25 größten Unternehmen des Index – dazu gehören Konzerne wie General Electric, General Motors, Boeing und Exxon Mobil: hier fehlten 225 Milliarden Dollar an Einlagen zur Bezahlung künftiger Rentenansprüche der Arbeiter.
Die Unterfinanzierung der Betriebsrenten ist eine logische Folge der Ausschüttungs-Politik der meisten betroffenen Firmen. Diese hatten in den vergangenen Jahren nicht nur massiv Aktien zurückgekauft, sondern auch hohe Dividenden ausgeschüttet. Beides kommt den Aktionären der Unternehmen – meist Banken oder andere Großkonzerne zugute – vernachlässigt aber die Bildung von Rücklagen für die Betriebsrenten. Banken profitieren doppelt von Dividenden und Aktien-Rückkäufen, wenn das Kapital zu dessen Finanzierung aus Krediten der Bank stammt. In diesem Fall dienen die Unternehmen praktisch nur noch als Vehikel zur Selbstbedienung.
Verantwortlich für die Situation ist aus Sicht der Citigroup letztendlich auch die Zentralbank Fed, deren Niedrigzinspolitik dazu geführt habe, dass Rentenfonds kaum noch Rendite erwirtschaften und Vorsorge für die Zukunft betreiben könnten. „Die Renten des S&P 500 entwickelten sich vom Status einer Voll-Finanzierung hin zu einem Defizit von 375 Milliarden Dollar in nur acht Jahren. Das Hauptproblem ist natürlich die Niedrigzinspolitik der Fed, welche beide Seiten der Rentengleichung belastet. Renteneinlagen haben seit 2007 praktisch stagniert, weil Fonds keine Renditen mehr finden. Dagegen haben die niedrigen Renditen der Unternehmensanleihen dazu geführt, dass die Verpflichtungen in der gleichen Periode um über 40 Prozent angestiegen sind.“