Politik

„Wendekanzlerin“: FAZ rechnet mit Angela Merkels Wirtschaftspolitik ab

Die FAZ fällt über Angela Merkels Wirtschaftspolitik ein überraschend vernichtendes Urteil. Die Bürger würden von ihrer Kanzlerin im Stile einer Gouvernante erzogen und müssten dafür die Rechnung übernehmen.
21.11.2016 02:09
Lesezeit: 4 min

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Angela Merkel ist aus wirtschaftspolitischer Hinsicht keine gute Wahl für Deutschland - findet zumindest der Wirtschaftschef der FAZ, Rainer Hank. In einer ungewöhnlich deutlichen Analyse schreibt Hank, dass die wirtschaftspolitische Bilanz "vernichtend ausfallen muss". Merkel habe von dem Leipziger Programm aus dem Jahr 2003 "bis heute nichts eingelöst". Der "interventionistische Wohlfahrtsstaat" wurde "teuer ausgebaut": "Die Gerechtigkeitslücke, die das Finanzierungsproblem für die jüngere Generation reißt, wird verschwiegen." Hank: "Die Bürger werden von ihrer Kanzlerin im Stile einer Gouvernante erzogen und müssen dafür die Rechnung übernehmen." Im Hinblick auf den Atomausstieg urteilt Hank: "Aus der Atomkanzlerin war die Wendekanzlerin geworden." Die Kosten der Flüchtlingspolitik und der Euro-Krise werden Deutschland erheblich belasten: "Es zeigt sich bei Angela Merkel ein Zug zur anpasserischen Sprunghaftigkeit, verbunden mit einem Übereifer, der ... die Bürger teuer zu stehen kommt."

Angela Merkel habe nicht den relativ passable Lage der deutschen Wirtschaft herbeigeführt: Diese sei das Ergebnis des unterbewerteten (deutschen) Euro zu verdanken - und hätte der Regierung die Möglichkeit gegeben, die Wirtschaft wirklich anzukurbeln. Hank: "Dass Merkel noch nicht einmal diese günstige Ausgangslage für Reformen nutzt, ist der eigentliche Skandal. Als die ,fünf Weisen' dies kürzlich in aller Höflichkeit anzumerken wagten, konnten sie erfahren, wie es sich anfühlt, mit der Arroganz der Macht konfrontiert zu werden."

Angela Merkel hat am Sonntag in Berlin ihre erneute Kandidatur als CDU-Vorsitzende und Kanzlerin angekündigt. Ihre Erklärung in Auszügen, aufgezeichnet von der dpa:

"Meine Damen und Herren, ich habe in allen den vielen Monaten seit der letzten Bundestagswahl 2013, in denen ich ja immer wieder und wieder gefragt wurde, ob ich bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal für das Amt der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland kandidiere, geantwortet, dass ich mich dazu zum geeigneten Zeitpunkt äußern würde. Und der geeignete Zeitpunkt ist heute da. (...) Zur Bereitschaft für den CDU-Vorsitz zu kandidieren gehörte in meinem Verständnis immer auch die Bereitschaft, Bundeskanzlerin zu sein, und dazu gehört deshalb heute auch die Bereitschaft, bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal für das Amt der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu kandidieren.

Ich habe sprichwörtlich unendlich viel darüber nachgedacht. Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist nach elf Amtsjahren alles andere als trivial. Weder für das Land, noch für die Partei, noch - und ich sag's ganz bewusst in dieser Reihenfolge - für mich persönlich. Es geht ja nicht um eine Entscheidung für einen Wahlkampf, sondern es geht um eine Entscheidung für die nächsten vier Jahre einer neuen Legislaturperiode, wenn, aber das gilt ja immer, die Gesundheit es zulässt.

Ich habe bei meiner ersten Kanzlerkandidatur am 30. Mai 2005 gesagt, wir wollen Deutschland dienen, ich will Deutschland dienen. Daran habe ich mich seither nach bestem Wissen und Gewissen versucht zu orientieren. Und das leitet mich auch heute. Heute in überaus schwierigen, man kann auch sagen in unsicheren Zeiten. In Zeiten, in denen die Menschen, so ist mir von sehr vielen gesagt worden, wenig Verständnis hätten, wenn ich jetzt nicht noch einmal meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale werfen würde, um meinen Dienst für Deutschland zu tun. Und für mich spüre ich, und darauf freue ich mich auch, das ich damit diesem Land und meiner Partei auch etwas von dem weiter zurückgeben kann, was mir in vielen Situationen auch gegeben wurde oder gegeben wird. (...)

Diese Wahl wird wie keine zuvor, jedenfalls seit der Deutschen Einheit nicht, schwierig. Wir werden es mit Anfechtungen von allen Seiten zu tun haben. Von Rechts wie nie zuvor und auch mit einer starken Polarisierung unserer Gesellschaft. Anfechtungen von Links mit der Möglichkeit einer rot-rot-grünen Bundesregierung, wenn es dafür rechnerisch einigermaßen reichen würde. Wir haben es auch europäisch und international mit Anfechtungen für unsere Werte und für unsere Interessen zu tun und auch ganz einfach gesagt für unsere Art zu leben. Unter einer großen Anspannung steht die Europäische Union mit der Eurokrise, mit der Flüchtlingsfrage und nach der Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der Europäischen Union austreten zu wollen. Und mit einer Weltlage, die sich vorsichtig formuliert, erst noch einmal neu sortieren muss nach den Wahlen in Amerika und auch im Verhältnis zu Russland.

In dieser Situation bin ich bereit zu kandidieren, erneut zu kandidieren, aber ich habe auch ganz klar gesagt, all das, was damit ganz besonders jetzt nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika verbunden wird, wie es auf mich ankommt, das ehrt mich zwar, aber ich finde es auch sehr stark als grotesk und geradezu absurd. Kein Mensch alleine, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge in Deutschland, Europa, in der Welt mehr oder weniger zum Guten wenden - und schon gar nicht eine Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Es geht bei allem, was politisch zu tun ist, immer mit vielen anderen um den Ausgleich von Interesse, um Kompromisse, um Fortschritte im wortwörtlichen Sinne also um Fortschritte Schritt für Schritt und ich versuche das immer und überall auf der Grundlage unserer Werte zu tun. Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht, Würde jedes einzelnen Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Das leitet mich, dafür setze ich mich wieder und wieder ein. Aber Erfolge erzielen, das geht wirklich nur gemeinsam. (...)

Mein Ziel in der Politik ist es, für den Zusammenhalt in unserem Land zu arbeiten. Dafür, dass wir gesprächsfähig miteinander sind. Ich weiß, dass niemand die Wahrheit gepachtet hat. Wir wollen miteinander wie Demokraten streiten. Aber das heißt streiten, nicht hassen, nicht andere herabsetzen oder ausgrenzen. Ich habe Politik immer so verstanden, dass es unser Auftrag ist, soweit das der Staat kann, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger zu lösen. Für den Rahmen zu sorgen, in dem sie ihr Leben gestalten können. Das heißt, ich verstehe es als meinen Auftrag hinzuhören, Wünsche der Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen und im Sinne des Gemeinwohls auch gemeinsam mit meiner Partei umzusetzen. Wir müssen für ein gutes und starkes Deutschland morgen und übermorgen arbeiten. Aber wir können da auf eine Grundlage zurückgreifen, die sich über Jahrzehnte bewährt hat: soziale Marktwirtschaft.

Ich freue mich in den kommenden Monaten auf eine Auseinandersetzung über die richtige Politik, die braucht unser Land in dieser Zeit. Wir werden sie unter Demokraten führen und im Ton von Demokraten. So jedenfalls mein Vorsatz."

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