Finanzen

Die Ukraine kämpft gegen den Zusammenbruch des Finanz-Systems

Die Ukraine versucht mit der Verstaatlichung der größten Bank des Landes, das heimische Finanzsystem zu retten. Dieses steht offenbar kurz vor dem Kollaps.
01.01.2017 02:36
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die ukrainische Regierung versucht, das heimische Finanzsystem mit der Verstaatlichung der größten Bank des Landes zu retten. „Wir sind uns sicher, dass dies der einzige Weg ist, um das Geld der Bankkunden und das Finanzsystem zu retten“, erklärte die ukrainische Notenbank Reuters zufolge am Montag. Präsident Petro Poroschenko forderte die mehr als 20 Millionen Kunden der PrivatBank auf, Ruhe zu bewahren. Ihr Geld sei sicher, erklärte er. Zudem kündigte er einen Parlamentsantrag an, mit dem zusätzliche Garantien für die Anleger und Bankkunden festgelegt werden sollen.

Die PrivatBank verwaltet gut ein Drittel aller Spareinlagen in der Ukraine, ihr Zusammenbruch hätte unabsehbare Folgen für das Land gehabt. Die Rettung des Instituts kostet nach Angaben des Finanzministeriums umgerechnet mindestens 4,5 Milliarden Dollar. Die Opposition kritisierte den Schritt.

Bisheriger Besitzer der PrivatBank war der Milliardär Igor Kolomoiskij, der unter Korruptionsverdacht steht. Die ukrainische Zentralbank hatte Kolomoiskij aufgefordert, die Bank mit mehreren Milliarden Dollar zu rekapitalisieren. Dieser Forderung kam er aber nicht nach. Kolomoiski verurteilte die Verstaatlichung als „feindliche Übernahme“. Kolomoiskij und Poroschenko gelten als Rivalen.

Ukrainischen Medienberichten zufolge haben faule Insider-Kredite die Bank in eine Schieflage gebracht. Sie soll demnach hohe Kredite an Unternehmen vergeben haben, die ebenfalls von Kolomoiskij kontrolliert werden; eine Rückzahlung sei nicht vorgesehen gewesen. Die Aktienkurse der Bank brachen nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe im November um 50 Prozent ein. Am 1. Dezember betrug das Finanzloch des Instituts 5,65 Milliarden Dollar. Die Notenbank sicherte der PrivatBank zu, sie notfalls mit Liquidität zu versorgen. Nennenswerte Auswirkungen auf den Währungsmarkt und die Inflation erwarte man durch die Verstaatlichung aber nicht, behauptet die ukrainische Zentralbank.

Zerohedge beschreibt die politischen Auswirkungen der Verstaatlichung: „Der präzedenzlose Bailout könnte die Instabilität in der Ukraine anfachen, wo die Oppositionsparteien auf vorgezogene Neuwahlen drängen, um die pro-westliche Führung zu entmachten, die nach den Maidan-Protesten im Jahr 2014 an die Macht gekommen war. Die Opposition hat die Wut all jener Sparer geschürt, welche durch die kürzlich erfolgten Bankenschließungen betroffen waren, indem sie Demonstrationen mobilisiert und den Rücktritt des Zentralbankchefs gefordert hat.

Bei der Opposition stieß der Schritt auf starke Kritik. Der Chef der Radikalen Partei, Oleg Liaschko, machte die Zentralbank für Missmanagement bei der PrivatBank verantwortlich. „Die Ukrainer müssen jetzt mit ihrem Geld für diese Fehler bezahlen.“ Ein anderer Oppositions-Abgeordneter sprach vom „größten Raubüberfall auf den Staatshaushalt der Ukraine im Jahrtausend“.

In wenigen Tagen stimmt das Parlament über den Etat für das kommende Jahr ab. „Sollte der Haushalt diese Woche ohne Probleme verabschiedet werden, ist die Situation für Präsident und Regierung unter Kontrolle“, sagte der Politikexperte Wolodimir Fesenko.

Die Ukraine hat große Korruptionsprobleme und ist wirtschaftlich schwer angeschlagen. Sie ist auf Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen, der aber im Gegenzug politische Stabilität und Reformen verlangt. Zuletzt hatte Kiew im September knapp 960 Millionen Euro aus einem vierjährigen IWF-Kredit-Programm von 16,7 Milliarden Euro erhalten. In einer ersten Reaktion begrüßte der IWF die Verstaatlichung als wichtigen Schritt, um die Finanzstabilität zu sichern. Der Fonds kündigte an, er werde die Ukraine weiter unterstützen. Die europäische Entwicklungsbank EBRD signalisierte, dass sie einen Anteil der PrivatBank übernehmen könnte, wenn die Rekapitalisierung und Sanierung gut laufe.

Die PrivatBank warf in einer ersten Reaktion am Sonntag den Medien Panikmache vor. Die Bank habe der Verstaatlichung zugestimmt, nachdem klar geworden sei, „dass diese Medienattacken unsere Kunden gefährden könnten“, hieß es in einer Erklärung. Die Bank werde ihre Geschäfte fortsetzen.

In Poroschenkos Appell an die Bankkunden hieß es: „Die neue (staatliche) Verwaltung übernimmt bereits die Hebel der Macht - in diesem Augenblick, zu dieser Stunde, in dieser Minute.“ Der ukrainische Finanzminister Oleksandr Danyluk erklärte: „Alle unsere internationalen Partner, einschließlich des IWF, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Regierung der USA unterstützen diesen Vorstoß.“ Er fügte hinzu, die Entscheidung der ukrainischen Regierung trage dazu bei, „die Ersparnisse von fast 20 Millionen PrivatBank-Kunden zu sichern“.

IWF-Chefin Christine Lagarde – welche gerade von einem Pariser Gericht für Nachlässigkeit in ihrer Amtszeit als französische Finanzministerin schuldig gesprochen wurde – nannte Kiews Aktion einen „wichtigen Schritt bei den Bemühungen zur Sicherung der finanziellen Stabilität“. Die Chefin der ukrainischen Zentralbank Valeria Gontarewa sagte, die PrivatBank sei bei einer Reihe von Stresstests kläglich gescheitert. Sie habe bis zum 1. Dezember 5,6 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Euro) Schulden angehäuft.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schockt die Konkurrenz: 3000-Kilometer-Batterie stellt alles Bisherige in den Schatten
01.08.2025

Huawei greift nach der Technologieführung im Batteriezeitalter: Mit 3000 Kilometern Reichweite und fünf Minuten Ladezeit droht der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollroulette: Die Weltwirtschaft tanzt nach seiner Pfeife
01.08.2025

Donald Trump zündet die nächste Eskalationsstufe im globalen Wirtschaftskrieg – mit Zöllen, Chaos und Drohgebärden. Experten sprechen...

DWN
Politik
Politik Boomer-Soli: Rentensystem soll stabiler werden – und reiche Rentner sollen zahlen
01.08.2025

Reiche Rentner sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden – so die Idee eines "Boomer-Soli". Ein Vorschlag, der das Rentensystem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Industriestimmung hellt sich erneut auf
01.08.2025

Die Industrie der Eurozone sendet erste Hoffnungszeichen – doch es bleibt ein fragiles Bild. Während kleinere Länder überraschen,...