Die Mehrheit der Haushalte in Europa hat von den Vorteilen des seit Jahren herrschenden Tiefzinsumfelds nicht profitiert. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der niederländischen Großbank ING Groep unter 15.000 Personen in 13 europäischen Staaten, berichtet Bloomberg.
Fast zwei Drittel der Befragten haben demzufolge nicht die Chance wahrgenommen, neue Kredite zu beantragen, zu refinanzieren oder bestehende teure Kredite durch günstigere abzulösen, Zinszahlungen zu reduzieren oder Kredite durch Ersparnisse zurückzuzahlen. Beispielsweise hätten nur 11 Prozent jener Europäer – die sich angesichts der tiefen Zinsen für Guthaben dazu entschlossen haben, weniger zu sparen – das freiwerdende Geld dazu benutzt, Kredite zurückzuzahlen.
Insbesondere die Ablösung von Krediten mit hohen Zinsen durch Kredite mit niedrigen Zinsen hätten viele Menschen nicht in Betracht gezogen. „Wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Europäer Schulden haben, könnten mehr von den tiefen Zinsen profitieren, um alte Schulden zu begleichen“, wird der Studienleiter Ian Bright zitiert. Steige die Inflation weiter an und es komme zu einer Zinswende, werde die Rückzahlung tendenziell wieder teurer.
Die institutionelle Anleger haben dagegen die Situation genützt - wie etwa BlackRock, deren Geschäfte Max Otte analysiert. BlackRock hat unter anderem massiv italienische Bankaktien gekauft.
Zu den Gewinnern der tiefen Leitzinsen gehören vor allem die Staaten. Denn die Absenkung des Zinsniveaus hat dazu geführt, dass auch die Zinsen, welche die Staaten an die Privatbanken für ihre Schulden zahlen müssen, sanken. Die Banken, insbesondere die Investmentbanken, konnten sich zinsloses Geld bei der Zentralbank leihen und dieses im in risikoreiche Assets investieren. Auch den Unternehmen bieten sich weitaus günstigere Konditionen für Anleihen und Darlehen, als noch vor der Finanzkrise von 2008.