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Auf falschem Kurs: Deutsche Autobauer unterschätzen Donald Trump

Wie schon im Abgas-Skandal drohen die deutschen Autobauer, über ihre eigene Arroganz zu stolpern. Sie unterschätzen Donald Trump und riskieren damit ein Milliarden-Debakel.
27.01.2017 14:27
Lesezeit: 3 min

Jan C. Schwartz von Reuters mit einer sehr interessanten Analyse der möglicherweise fatalen Fehleinschätzung von Donald Trump durch die deutschen Autobauer:

Der neue US-Präsident Donald Trump hat die deutschen Autobauer in Schockstarre versetzt. Während die US-Konzerne General Motors und Ford prompt auf die Forderung nach einer Ausweitung der Produktion in den USA reagierten und jetzt Teile der Fertigung aus Mexiko in die Heimat zurückholen und dort neue Jobs schaffen wollen, halten sich ihre europäischen Konkurrenten mit Ankündigungen zurück. Sie warnen vor Protektionismus und wollen sich von ihrem Kurs nicht abbringen lassen. Doch damit geraten sie nach Meinung von Experten in Gefahr: "Trumps Drohungen haben alle ernst genommen - bis auf die Deutschen", kritisiert Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. "Ford, GM und auch Toyota wissen genau, dass Trump Zölle einführen wird."

Sollte der US-Präsident das Land durch Handelsbarrieren abschotten - und darauf deute derzeit vieles hin - stünden die deutschen Autobauer vor großen Problemen, meint Dudenhöffer. Werke in Mexiko, aus denen die Konzerne günstig produzierte Autos nach Nordamerika liefern, drohten dann zu einer Fehlinvestition zu werden. Besonders schmerzhaft wäre dies für die VW-Tochter Audi, die in San Jose Chiapa gerade erst ein Werk für mehr als eine Milliarde Euro eröffnet hat, in dem der Geländewagen Q5 vom Band rollt. Aber auch die Fabrik der Schwestermarke VW in Puebla würde in Mitleidenschaft gezogen, denn ein Großteil der dort produzierten Wagen rollt in die USA.

Der Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach geht davon aus, dass die deutschen Konzerne über kurz oder lang auf den US-Präsidenten zugehen werden, um Vorschläge zu präsentieren. Denkbar sei, dass die Produktion in den USA "nach außen sichtbar" ausgebaut werde, die Zulieferteile aber weiter weltweit bezogen würden, sagt Bratzel. Trump könnte dann verkünden, er habe Stellen in den USA geschaffen, und die Konzerne müssten ihre Wertschöpfungsketten nicht kappen. Dudenhöffer schlägt die Lieferung von Bausätzen vor, das sind in Einzelteile und Baugruppen zerlegte Fahrzeuge, die erst im Importland zusammengebaut werden. Diese sind meist nicht mit Importzöllen belegt. Viel wird davon abhängen, wie Trumps Pläne konkret aussehen. Im Raum steht bisher nur die pauschale Drohung 35-prozentiger Strafzölle. Die deutschen Autobauer, auch in den USA erfolgsverwöhnt, wollen erst einmal abwarten, was von Trumps Ankündigungen wirklich Gesetz wird.

Nach Ansicht der Experten müssten die Hersteller signalisieren, dass sie Trumps Botschaft verstanden haben, der Autos für Amerikaner in Amerika bauen lassen will. Vielen Managern fällt dies jedoch schwer, weil der Immobilienmilliardär ausblendet, dass die Automobilindustrie wie kaum eine andere Branche weltweit vernetzt ist. Autos werden oft nicht dort produziert, wo sie verkauft werden. Zugleich sind viele Autos "amerikanisch", die der US-Präsident gar nicht auf der Liste hat, wenn er beklagt, dass in den USA zu viele Wagen ausländischer Hersteller unterwegs sind. Der Geländewagen BMW X5, der in den USA vom Band rollt, ist so ein Beispiel: "Das ist ein amerikanisches Auto, wenn man so will", sagt Bratzel. Die Münchner produzieren mehrere Geländewagenmodelle der X-Reihe in South Carolina, weil SUV in den USA hoch im Kurs stehen. Ähnlich ist es beim Rivalen Daimler. Im Mercedes-Werk im US-Bundesstaat Alabama bauen die Stuttgarter die Geländewagen GLE und GLS und beliefern Kunden damit weltweit. Dort rollen auch Pkw der C-Klasse für Kunden in den USA vom Band.

Das 'amerikanischste' aller US-Autos ist ausgerechnet ein Japaner: Die Mittelklassewagen Camry von Toyota besteht zu drei Vierteln aus Komponenten aus den USA. Das geht aus Daten der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hervor. Seit Jahren schon müssen Autohersteller in den USA nach dem "American Automobile Labeling Act" für Neuwagen den Ort der Endmontage sowie die Herkunft von Motor und Getriebe angeben. Die Herkunft von weiteren Zulieferteilen oder der Entwicklungsstandort fließen laut der Zeitschrift "Auto Motor und Sport" nicht in die Auswertung ein.

Der Jeep Wrangler des italienisch-amerikanischen Herstellers Fiat-Chrysler ist demnach zu 73 Prozent amerikanisch, der in den USA meistverkaufte Pick-up Ford F-150 zu 70 Prozent. Der Chevrolet Silverado, immerhin auf Platz zwei der Bestseller-Liste, kommt sogar nur auf 38 Prozent. Am amerikanischsten unter den deutschen Herstellern ist die C-Klasse von Mercedes mit 72 Prozent und der GLE mit 65 Prozent. Dahinter folgt der VW Passat mit 30 Prozent, der im US-Werk in Chattanooga vom Band rollt. Der US-Anteil ist vergleichsweise niedrig, weil wichtige Komponenten aus dem VW-Werk in Mexiko dorthin geliefert werden. Vor allem ausländische Hersteller mit einem niedrigeren Wertschöpfungsanteil in den USA dürfte Trump im Visier haben, wenn er fordert, stärker im Land zu produzieren. BMW hat die Drohung bereits zu hören bekommen.

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