Finanzen

Schäuble fordert Insolvenzordnung für Pleite-Staaten in Europa

Bundesfinanzminister Schäuble ist überzeugt, dass die Euro-Staaten ihre Schulden in den Griff bekommen. Seine Idee eines Europäischen Währungsfonds könnte darauf hindeuten, dass Schäuble auch mit Euro-Austritten rechnet.
13.03.2017 00:23
Lesezeit: 2 min

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Donnerstag bei einer DSGV-Veranstaltung, es sei nötig, Staatsanleihen künftig zu regulieren. Sie dürften fortan nicht mehr als risikofrei gelten, sondern müssten von den Banken mit Eigenkapital unterlegt werden. Dies kann darauf hindeuten, dass Schäuble in den kommenden Jahren mit Verwerfungen in dem Markt für Anleihen rechnet. Dafür spricht auch seine Forderung nach einer europäischen Insolvenzordnung. „Wir haben fast nirgendwo auf der Welt einen Mangel an Verschuldung. Auch Deutschlands Verschuldung liegt deutlich oberhalb der Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wir brauchen eine Insolvenzordnung von Staaten, die notleidenden Kredite in Europa müssen abgebaut werden. Das ist eine große Herausforderung.“

Über die Insolvenzordnung hatte die Euro-Zone intensiv im Jahr 2011 im Zuge der ersten Griechenland-Krise gesprochen. Damals hatten alle Euro-Politiker versprochen, eine solche Insolvenzordnung für Pleite-Staaten umgehend in Kraft zu setzen. Allerdings übernahm schließlich die EZB die Aufgabe, den Regierungen mit der Geldschwemme Zeit zu kaufen. Daraufhin legten die Regierungen ihre hehren Pläne zu den Akten.

Doch Schäuble hat in den vergangenen Tagen ein anderes Thema ins Spiel gebracht, dass unter Umständen genau diese Aufgabe übernehmen könnte: der ESM als Europäischer Währungsfonds. Dessen Chef Klaus Regling hatte vor einigen Wochen bereits in einem Interview gesagt, dass ein Europäischer Währungsfonds in der Zukunft gewiss kommen werden. Interessant: Regling sagte, es sei naiv zu glauben, dass der IWF nicht politisch motiviert handle. Daher sei es nötig einen eigene EWF zu haben.

Schäuble prüft nun die Optionen: „Im Bundesfinanzministerium beschäftigten wir uns ganz grundsätzlich mit der Frage, welche Rolle der ESM zukünftig spielen kann“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums laut Reuters. Dies bedeute aber nicht, dass man eine Gegenorganisation zum Internationalen Währungsfonds aufbauen wolle, teilte das Ministerium mit. „Klar ist aber auch, dass der IWF ein wertvoller Partner bei der internationalen Krisenbewältigung ist und bleibt.“

Schäuble hatte zuletzt schon betont, der ESM könnte zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Neben der Krisenbewältigung wie im Falle Griechenlands könnte er dann auch Aufgaben etwa im Bereich der Haushaltsüberwachung der Euro-Länder übernehmen. Zuletzt wurde berichtet, die Bundesregierung plane, den ESM so auszubauen, dass er künftig den IWF bei der Bewältigung von Krisen im Währungsraum ersetzen könne. Derzeit ist der ESM ein reines Finanzierungsinstrument der Euro-Länder, um Staaten aus ihrem Kreis bei der Bewältigung von Problemen zu helfen. Der Vorschlag, dass der ESM die Haushaltsüberwachung der Mitgliedsstaaten übernehmen könnte, dürfte jedoch von den hochverschuldeten Staaten und insbesondere von der EU-Kommission abgelehnt werden, welche diese Rolle derzeit innehat und die entscheidend an Macht verlieren würde.

Allerdings sehen Beobachter aus der Banken-Szene einen ganz anderen Hintergrund. Ein Experte sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Schon der Name ist irreführend, denn der echte Währungsfonds tauscht Währungen gegeneinander aus und vergibt keine Kredite. Es sei denn, die Institution wäre dafür gedacht, Währungen von Euro-Austretern zu stablisieren. Wenn man eine Haushaltsüberwachung will, soll man einen Bondversicherer einführen. MBIA ist das Vorbild.“

Die seit langem erhobenen Forderungen aus den Reihen Frankreichs, Spaniens und Italiens nach gemeinschaftlichen Anleihen aller Eurostaaten und nach einer Vertiefung der sogenannten Bankenunion werden von der Bundesregierung weiterhin abgeblockt. „Auf diesem Prinzip der Eigenverantwortung beharren wir, also ein Nein zu Eurobonds“, wird Merkel von Reuters zitiert. „Aus meiner Sicht stehen Vertragsveränderungen in nächster Zeit nun wirklich nicht auf der Tagesordnung“, sagte sie mit Blick auf die für gemeinschaftliche Staatsanleihen der 19 Euro-Staaten nötigen Beschlüsse. Es könne nichts vergemeinschaftet werden, bevor in Europa nicht entsprechenden Kompetenzen angesiedelt seien, sagte Merkel. Hintergrund ist auch der Widerstand einiger Euro-Länder, dass europäische Institutionen notfalls nationale Haushalte stoppen können, die nicht den Vorgaben des Stabilitätspaktes entsprechen.

Es ist noch zu früh, um festzustellen, ob es wirklich zu einem Euro-Austritt kommen wird. Die Tatsache, dass Schäuble allerdings ausgerechnet jetzt das Thema der Insolvenzordnung anspricht, deutet auf eine gewisse Verunsicherung hin. Mit dem ESM als einem Europäischen Währungsfonds wäre zumindest ein schnelles Vehikel für den Crash-Fall vorhanden.

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