Politik

Trump und Putin nehmen Erdogan in Syrien in die Zange

Trump und Putin nehmen Erdogan in Syrien in die Zange. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
03.05.2017 01:08
Lesezeit: 5 min

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Die USA und Russland könnten in Syrien eine gemeinsame Strategie entwickelt haben, was die Ehrgeiz der Türkei in der Region beeinträchtigen könnte. So analysiert der private US-Informationsdienste Stratfor die Entsendung von US-Truppen und russischen Streitkräften in das syrische Kriegsgebiet. Stratfor: "US-Kräfte in den Kantonen Kobane und al-Hasaka wurden vor kurzem entlang der türkisch-syrischen Grenze eingesetzt, um zwischen den türkischen Streitkräften und den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) zu puffern. Es scheint, dass Russland im Kanton Afrin ähnliche Maßnahmen plant, indem es die Türkei davon abhält, ihre Offensive gegen ihre kurdischen Feinde in Syrien fortzusetzen."

US-Präsident Donald Trump und sein russischer Kollege Wladimir Putin haben sich in einem Telefonat darauf verständigt, ihr Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus auch künftig miteinander abzustimmen. "Der Fokus lag darauf, wie das Vorgehen der USA und Russlands bei der Terrorbekämpfung abgestimmt werden kann", teilte der Kreml nach dem Telefongespräch der Präsidenten am Dienstag mit. Das Weiße Haus bezeichnete das Telefonat in einer Erklärung als "sehr gut".

Der US-Erklärung zufolge ging es in dem Gespräch auch um den Krieg in Syrien. Demnach waren sich Trump und Putin einig, dass "das Leiden in Syrien schon zu lange anhält und alle Parteien alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um der Gewalt ein Ende zu bereiten". Trump und Putin wollen demnach auch den Dialog zwischen den Außenministern beider Länder in der Syrien-Frage befördern.

Im Verlauf des Stellvertreterkriegs sind nicht nur Zehntausende von internationalen Söldnern, sondern auch reguläre Truppen der USA, Russlands, der Türkei und diverser NATO-Staaten mit der offiziellen Mission der Bekämpfung der Terror-Miliz ISIS in das Land gezogen. Die Großmächte USA und Russland wollen ihre Kräfte in Syrien aufstocken.

Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Fars wird Russland Bodentruppen in die syrische Provinz Hama entsenden. Unter anderem soll die Ortschaft Mahradeh, die hauptsächlich von arabischen Christen bewohnt wird, vor Angriffen durch internationale Söldner geschützt werden. Zudem sollen die russischen Truppen die syrische Armee in der Ortschaft Hahradeh unterstützen. Dort toben seit dem 04. April 2017 schwere Gefechte zwischen der syrischen Armee und internationalen Söldnern. Es ist geplant, den Norden der Provinz Hama bis zur Grenze zur Provinz Idlib zu befreien und diese Region zu sichern. Idlib hingegen gilt nach wie vor als Hochburg der internationalen Söldner. In der vergangenen Woche hatte das russische Verteidigungsministerium den Tod eines russischen Militärberaters in Syrien gemeldet. Der Name des Beraters soll Sergej Bordow gewesen sein, berichtet die Tass. Er starb bei einem Angriff von internationalen Söldnern. Nach Angaben des Senders NBC sollen sich in Syrien aktuell 1.600 bis 4.500 russische Truppen befinden.

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Herbert Raymond McMaster, so Bloomberg, will ebenfalls Truppen im Umfang von 10.000 bis 50.000 Mann nach Syrien entsenden. Dies birgt zumindest die Gefahr einer Kollision zwischen russischen und US-amerikanischen Truppen in sich. Die Washington Post berichtet, dass sich aktuell offiziell 1.000 US-Soldaten in Syrien befinden. 500 davon sind Mitglieder von US-Spezialeinheiten.

Doch zwischen den US-Truppen und den russischen Kräften gibt es aktuell eine vorläufige Kooperation, um Zwischenfälle und eine Eskalation zu verhindern. Die russischen und US-amerikanischen Truppen kooperieren in denselben Gebieten. Reibereien und Zwischenfälle sind nicht ausgeschlossen. Die Kooperation zwischen den Großmächten erfolgt aufgrund der Überlappung von mittel- und langfristigen Interessen der Amerikaner und Russen, sagte Andreas Krieg vom King's College London dem Sender NBC.

Zumindest in der Türkei gehen führende Geopolitiker davon aus, dass es zu keiner Eskalation zwischen US-amerikanischen und russischen Truppen kommen wird. Der türkische Geopolitiker Ardan Zentürk schreibt in einer Analyse der Zeitung Stargazete, dass die angebliche Feindschaft zwischen den USA und Russland in Syrien vorgespielt sei, um den Einfluss beider Länder in der Region zu erweitern. Dies habe bereits der Tomahawk-Vorfall gezeigt, der von Russland als Vorwand genommen worden sein soll, um seine militärisch-technische Präsenz zu erweitern. Dies hätten die USA stillschweigend hingenommen. In Syrien erfolge mit einer großen Wahrscheinlichkeit eine Aufteilung des Landes in Einflusssphären.

Für die EU und China ist Syrien aus energiepolitischer Hinsicht als Transitland wichtig. Doch die EU und China können sich in diesem Zusammenhang auf keine gemeinsame Strategie einigen. Der chinesische Sondergesandte für Syrien, Xie Xiaoyan, besuchte am Dienstag Brüssel, so der EU Observer. Dort traf er sich mit hochrangigen EU-Diplomaten. Xiaoyan sagte nach dem Treffen, dass die Diskussion mit den EU-Diplomaten „nützlich“ gewesen sei – auch wenn die EU und China verschiedene Ansätze für Syrien hätten. Während die EU für die Absetzung des syrischen Präsidenten Assad eintritt, ist China eindeutig gegen ein Regime-Change. Xiaoyan meint, ein Regime-Change würde eine Katastrophe nach sich ziehen. Das hätten bereits die Beispiele im Irak und Libyen gezeigt. Der Syrien-Konflikt stelle für ihn die komplizierteste Aufgabe in seiner bisherigen Laufbahn als Diplomat dar, weil „so viele Akteure“ bei dem Konflikt mitmischen würden. Diese Aussage des Top-Diplomaten ist deshalb bemerkenswert, weil er den Syrien-Konflikt offen als Stellvertreterkrieg umschreibt. Wenn die USA und Russland ihren Dialog fortsetzen könnten, wäre dies ein „gutes Omen für die gesamte Region und für alle“, so Xiaoyan. Seine Botschaft für die EU sei, dass Beratungen und Konsultationen wichtig seien. „Es ist nicht unsere Aufgabe, Vorurteile zu bilden. Es ist nicht unsere Pflicht, die Zukunft dieser Person (Anm.d.Red. Baschar al-Assad) zu bestimmen“, sagte der Chinese in Richtung der EU.

Aus den Aussagen des chinesischen Sondergesandten geht hervor, dass China an keiner Eskalation zwischen den USA und Russland interessiert ist. Eine Aufstockung der US-amerikanischen und russischen Truppen wird Peking offenbar hinnehmen. Die EU kann sich hingegen weiterhin weder mit den USA noch mit Russland auf eine gemeinsame Linie in Syrien einigen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am vergangenen Sonntag angekündigt, mit den Luftangriffen auf Stellungen der Kurden-Milizen der PYD in Syrien fortfahren zu wollen, berichtet der englischsprachige Dienst von AP. Die PYD wird in Syrien vom Pentagon und von CENTCOM als wichtigster Verbündeter angesehen. Die Türkei hatte bereits Ende April Stellungen der PYD mit Luftschlägen angegriffen. Bei den Luftschlägen kamen etwa 70 Kämpfer der PKK und der PYD ums Leben. Das Pentagon protestierte gegen die Angriffe. Ein Sprecher des Pentagons sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass die Türkei heute in Nord-Syrien und im Nord-Irak Luftangriffe durchgeführt hat, ohne dass eine ordnungsgemäße Koordination mit den USA und der globalen Anti-ISIS-Allianz getroffen wurde.“

Der darauffolgenden Beerdigungszeremonie der PYD-Kämpfer wohnten gepanzerte US-Fahrzeuge mit US-Flaggen bei, berichtet die Zeitung Milliyet. Zudem veröffentlichte Reuters Fotos mit PYD-Kämpfern und US-Soldaten, die die Grenze zur Türkei schützen. Nach Angaben der Zeitung Türkiye hat das Pentagon die PYD mittlerweile auch mit Panzern und weiterem schweren Gerät ausgerüstet. Am 24.09.2016 sagte der türkische Sicherheitsanalyst und ehemalige Soldat der türkischen Spezialeinheiten, Mete Yarar, dem Fernsehsender Habertürk, dass die USA unter keinen Umständen aufhören werden, die YPG zu bewaffnen und anzuführen. Die USA würden die YPG als eine Art Ersatzbodentruppen ansehen. Deshalb werden die YPG-Verbände auch von US-Spezialtruppen angeführt. „Die Amerikaner haben die YPG mit Panzerabwehrwaffen des Typs FGM-148 Javelin beliefert. Diese Panzerabwehrwaffe ist deshalb gefährlich, weil sie aufgrund ihrer speziellen Flugbahn den anvisierten Panzer nicht an den Seiten, sondern auf der Oberfläche der Fahrerhaube trifft, was der sensibelste Bereich eines Panzers ist. Die USA haben es immer abgelehnt, der Türkei diese Panzerabwehrwaffe zu liefern, doch die YPG bekommt sie. Wenn die Türkei sich auf großangelegte Gefechte mit der YPG einlässt, muss sie wissen, dass diese von US-Spezialtruppen angeführt werden. Die USA beliefern die YPG über ihre Luftwaffenstützpunkte in Kobani und Hasaka mit Waffen.“

Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, dass die USA mit ihrer Kooperation mit der PYD und der PKK gegen die Artikel 3 und 5 des Nordatlantikvertrags verstoßen würden. In Artikel 3 des Vertrags steht: „Um die Ziele dieses Vertrags besser zu verwirklichen, werden die Parteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln.“

In Artikel 5 des Vertrags steht: „Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.“

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