Politik

Warnung vor dem „großen Computer-Angriff“ des Staates

SZ-Rechtsexperte Prantl attackiert in ungewöhnlich scharfen Worten die Bundesregierung. Sie plane in „fast betrügerischer Weise“ einen Einbruch in die Privatheit der Bürger.
22.06.2017 16:08
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Heribert Prantl, Rechtsexperte bei der Süddeutschen Zeitung, hat in ungewöhnlich drastischen Worten vor dem Angriff des Staates auf private Computer gewarnt. Prantl, der wie die gesamte Öffentlichkeit von dem, wie er es nennt, "großen Computer-Angriff" des Staates überrumpelt wurde, schreibt:

"Man soll nicht bei jeder Gelegenheit von einem Skandal reden. Aber das, was heute am späten Nachmittag im Bundestag geschehen soll, ist eine derartige Dreistigkeit, dass einem die Spucke wegbleibt. Ein Gesetz mit gewaltigen Konsequenzen, ein Gesetz, das den umfassenden staatlichen Zugriff auf private Computer und Handys erlaubt, wird auf fast betrügerische Weise an der Öffentlichkeit vorbeigeschleust und abgestimmt."

Nach Prantls Ansicht handelt es sich hier um viel mehr als um einen "Eingriff in die Privatsphäre":

"Der große Computerangriff ist viel, viel größer. Es handelt sich nicht nur um einen Eingriff, es handelt sich um einen Einbruch in die Privatheit - und um einen Einbruch ins Grundgesetz."

Denn die Attacke gegen alle in Deutschland aktiven Computer-Besitzer geht an die Substanz der Selbstbestimmung:

"Ein privater Computer ist, so hat es Winfried Hassemer, der verstorbene Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, einmal formuliert, so etwas wie ein ausgelagertes Gehirn, ein Gedächtnisspeicher. Das Gesetz, über das der Bundestag heute abstimmt, ermöglicht einen umfassenden Zugriff auf dieses Gehirn. Es handelt sich um Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von einer Reichweite, wie es sie in der Strafprozessordnung bisher nicht gibt. Das geplante Gesetz hat etwas Science-fiction-haftes, es eröffnet die Möglichkeit, Gedanken auszulesen: Computer und Handy werden, ohne dass der Betroffene davon weiß, zu einer staatlichen Spionageanlage...Wenn dieses Gesetz verabschiedet wird - dann arbeitet ein PC nicht nur, wie es sich gehört, für seinen Besitzer, er arbeitet auch für den, der den Trojaner geschickt hat - für den Geheimdienst, den Zoll oder die Polizei. Der Staat liest mit."

Vor genau dieser Entwicklung warnt auch der Branchenverband Bitkom, der in seiner Stellungnahme ausdrücklich den Geheimdienst-Virus WannaCry als abschreckendes Beispiel nennt. Prantl glaubt nicht, dass ein Richter in der Lage ist, angemessen zu entscheiden, ob ein Angriff gerechtfertigt ist:

"Die Regeln, die für die "heimliche Infiltration" (so die Gesetzesbegründung) gelten sollen, sind vage und gummiparagrafenartig. Gewiss: Ein Richter soll kontrollieren. Kann er das? Kann er Trojaner, kann er Wanzen kontrollieren? Die juristischen Formeln, die ihm dazu an die Hand gegeben werden, sind in ihrer Labrigkeit eines Rechtsstaats unwürdig. Und von den technischen Dingen, von der Ausstattung, die dem Staatstrojaner mitgegeben wird, versteht ein Richter leider nichts. Er ist kein Wanzen-TÜV."

Es ist bemerkenswert, dass Prantl das Problem in dieser Schärfe benennt. Für kritische Beobachter kommt die Attacke des Staats auf die Bürger nicht wirklich überraschend. Bisher wurden jedoch all jene, die auf die Gefahren hingewiesen hatten, von Regierungs-, Parteien- und Geheimdienst-Aktivisten als "Verschwörungstheoretiker" oder "Aluhut" diffamiert und verunglimpft. Man darf dem im politischen Berlin hoch angesehen Prantl daher zurufen: Willkommen im Club!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Panorama
Panorama Elf Tote in Schweden: Was ist passiert?
05.02.2025

Nach einer Schießerei an einer Erwachsenenbildungseinrichtung in Schweden bleiben viele Fragen offen. Mindestens elf Menschen starben,...

DWN
Politik
Politik Grönland wählt am 11. März - und verbietet ausländische Spenden an Politik
05.02.2025

Aus Angst vor Wahlmanipulation und angesichts geopolitischer Begehrlichkeiten greift Grönland durch: Ausländische und anonyme Spenden an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Strafzölle: Wie die deutsche Wirtschaftsleistung massiv bedroht wird
05.02.2025

US-Strafzölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China könnten gravierende Folgen für die deutsche Wirtschaft haben. Experten des...

DWN
Panorama
Panorama Russischer Geheimdienst hinter Auto-Sabotagen vermutet
05.02.2025

Eine Serie von Sabotageakten gegen Autos sorgt für Unruhe in Deutschland. Die Polizei vermutet dahinter einen russischen Geheimdienst, der...

DWN
Technologie
Technologie Shein und Temu im Visier der EU-Kommission
05.02.2025

Die EU-Kommission will gegen den massenhaften Import billiger Produkte von Plattformen wie Shein und Temu vorgehen. Im Fokus stehen...

DWN
Politik
Politik Mehrheit bei Migrationsvotum durch AfD: Für mehr als die Hälfte der Deutschen kein Problem
05.02.2025

Bei den Demonstrationen gegen Merz und die AfD war viel Empörung zu spüren. Doch diese Proteste spiegeln nur die Meinung einer – wenn...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungskonzern KNDS übernimmt Alstom-Werk in Görlitz und sichert Arbeitsplätze
05.02.2025

Der Rüstungskonzern KNDS übernimmt das Alstom-Werk in Görlitz. In einer feierlichen Zeremonie unterzeichneten die Unternehmen eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Investments 2025: „Gold ist der beste Maßstab für den Wert von Bitcoin, den wir haben“
05.02.2025

Bitcoin-ETFs, politische Entscheidungen und die Goldkorrelation bestimmen die Spielregeln für Bitcoin 2025. Was das für Anleger bedeutet,...