Politik

EU weist Vorwurf von Amnesty zum Tod von Flüchtlingen zurück

Die EU-Kommission weist den Vorwurf von Amnesty International, für den Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer verantwortlich zu sein. zurück
11.07.2017 23:14
Lesezeit: 3 min

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Die Europäische Union weist den Vorwurf der Organisation Amnesty International (AI), ihre Politik trage Mitschuld am Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer, zurück.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Die Operation Sophia trägt eindeutig nicht zum Tod von Migranten auf dem Mittelmeer bei. Im Gegenteil. Die Operation Sophia hat fast 39.000 Menschen gerettet, seitdem die Operation im Oktober 2015 in internationalen Gewässern gestartet wurde. Man muss auch darauf hinweisen, dass die größten Verluste von Menschenleben auf See im Jahr 2016 in libyschen Gewässern zu verzeichnen waren, wo wir nicht tätig sein können. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Mitglieder der libyschen Küstenwache wissen, wie sie Migranten in Not helfen können. Aus diesem Grund schulen wir sie. Mit den Ausbildungsmaßnahmen wollen wir ihre Fähigkeiten stärken, Such- und Rettungseinsätze in libyschen Hoheitsgewässern durchzuführen und die Netzwerke zu bekämpfen, die in Libyen Menschenschmuggel und -handel betreiben.

Wir sind die einzige Mission, die diese kriminellen Organisationen effektiv und mit einem relevanten Abschreckungseffekt bekämpft und folglich Menschenleben auf See rettet, dank der hochtechnologischen Systeme, die der Operation Sophia zur Verfügung stehen, und dem hoch qualifizierten und professionellem Militärpersonal, das Teil der Crew der Operation ist.

Die Operation Sophia hat bisher zur Festnahme von 110 mutmaßlichen Schleusern und Menschenhändlern beigetragen und 463 Boote neutralisiert. Die Boote werden neutralisiert, nachdem die Migranten und Flüchtlinge gerettet wurden.“

Außerdem sagte die Kommission zum jüngsten Bericht von Amnesty International:

„Die Europäische Kommission hat großen Respekt vor der noblen und humanen Arbeit von Amnesty International und anderen NGOs. Dennoch, eine Politik der offenen Grenzen ist einfach nicht realistisch. Wie Kommissar Avramopoulos letzte Woche in Tallin gesagt hat, Europa wird unserem humanitären Imperativ gerecht und gewährt denen Zuflucht, die vor Krieg und Verfolgung fliehen.

Aber 80 Prozent der Menschen, die von Libyen aus losfahren, sind keine Flüchtlinge. Menschen, die nicht vor Krieg oder Verfolgung fliehen, die kein Recht darauf haben, in Europa zu bleiben, müssen zurückgeführt werden und zuvorderst davon abgebracht werden, ihr Leben zu riskieren.“

Auf die Frage, ob NGOs, die auf dem Mittelmeer agieren, eine Sogwirkung auf nachziehende weitere Migranten ausüben könnten, sagte der EU-Sprecher:

„Es geht nicht um Pull-Faktoren, denn es gibt am Ende des Tages einen sehr großen Push-Faktor. Menschen riskieren nicht ihr Leben, solange sie nicht sehr, sehr verzweifelt sind. Gleichzeitig müssen wir einsehen, dass mehr Menschen sterben, obwohl es mehr Boote als je zuvor auf dem Mittelmeer gibt, die Such- und Rettungsaktionen durchführen. Etwas stimmt da nicht – und das hat mit dem sich ändernden und sehr grausamen Geschäftsmodell zu tun, das die Schmuggler in Libyen betreiben.

Die Antwort liegt darin, die lybische Küstenwache so auszustatten, um in lybischen Gewässern arbeiten zu können, wo die meisten Menschen tödlich verunglücken und wo die NGO-Boote nicht hinkönnen; die Bedingungen in Libyen zu verbessern und sichere Wege über die Neuansiedlung von Flüchtlingen zu eröffnen. Hierauf werden wir unsere Anstrengungen fokussieren.“

Amnesty hatte der EU Versagen beim Schutz von Bootsflüchtlingen vorgeworfen, die über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen versuchen. Die EU müsse ihrer Verantwortung bei der Seenotrettung vor Libyen gerecht werden und mehr Boote einsetzen, forderte die Menschenrechtsorganisation vor dem Treffen der EU-Innenminister in der vergangenen Woche. Andernfalls drohe 2017 zum "tödlichsten Jahr" für Flüchtlinge bei der Überquerung des Mittelmeers zu werden.

In diesem Jahr seien bereits mehr als 2000 Menschen im Mittelmeer ertrunken, erklärte der Amnesty-Nordafrika-Experte René Wildangel. Dabei habe die EU die Mittel, "um dem massenhaften Sterben ein Ende zu bereiten: Wenn sie mehr Schiffe und mehr Personal für die Seenotrettung einsetzen und endlich legale und sichere Zugangswege für Flüchtlinge schaffen würde."

Amnesty kritisierte auch die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache, damit Flüchtlinge nach Libyen zurückgebracht werden und nicht nach Italien gelangen. Die libysche Küstenwache sei für Menschenrechtsverletzungen bekannt und habe nach UN-Angaben schon mehrfach Flüchtlingsboote beschossen und Flüchtlinge misshandelt, erklärte Wildangel. In Libyen selbst würden Migranten "weiterhin inhaftiert, missbraucht, vergewaltigt und gefoltert".

Eine AI-Sprecherin sagte dem US-Sender PBS, dass die Lage in Libyen verheerend sei.  Schwarzafrikaner seien schwerem Rassismus, der Versklavung und dem sexuellen Missbrauch ausgesetzt. Die Europäer hielten trotz der desaströsen Zustände an einer restriktiven Flüchtlingspolitik fest. Die AI-Sprecherin sagte allerdings nicht, dass Libyen erst durch einen völkerrechtswidrigen Krieg der USA und seiner westlichen Verbündeten in den Zustand des völligen Chaos gestürzt worden ist. Eine spezielle Hilfe der USA für die bedrängten Flüchtlinge und Migranten wurde in dem Interview nicht diskutiert (Video am Anfang des Artikels).

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