Politik

Großbritannien wandelt EU-Gesetze in britisches Recht um

Die britische Regierung hat damit begonnen, die juristische Oberhoheit des Europäischen Gerichtshofes in Großbritannien zu beenden.
14.07.2017 00:30
Lesezeit: 2 min

Großbritannien treibt die Vorbereitungen für den Brexit voran. Die Regierung in London veröffentlichte am Donnerstag Gesetze, mit denen der EU-Austritt vollzogen werden soll, berichten die Nachrichtenagenturen AFP und Reuters. Im Kern geht es darum, wie EU-Gesetze in britisches Recht umgewandelt werden und wie die Oberhoheit des Europäischen Gerichtshofs auf der Insel beendet wird.

Die „Repeal Bill“ (Aufhebungsgesetz) soll die 1972 geschaffene Grundlage für die EU-Mitgliedschaft des Landes aufheben. „Es ist eines der wichtigsten Gesetze, das jemals durch das Parlament gegangen ist“, sagte Brexit-Minister David Davis. „Und es ist ein großer Meilenstein in dem Prozess unseres Rückzugs aus der Europäischen Union.“ Das Gesetz werde sicherstellen, dass das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt über ein „voll funktionierendes Rechtssystem“ verfüge, sagte Davis. „Dieses Gesetz bedeutet, dass wir die EU mit einem Maximum an Sicherheit, Kontinuität und Kontrolle verlassen.“

Die Überarbeitung der Gesetzgebung aus vier Jahrzehnten ist eine Mammutaufgabe, tausende Gesetzestexte müssen überarbeitet werden. Über den am Donnerstag vorgestellten Entwurf zur Überarbeitung der Gesetzgebung soll im Herbst im Parlament abgestimmt werden.

Die Opposition kündigte bereits an, Änderungen an den Plänen vornehmen zu wollen. „Wir haben ernsthafte Probleme mit der Herangehensweise der Regierung“, sagte der Brexit-Sprecher der Labour-Partei, Keir Starmer, dem Guardian. „Wenn die Regierung diese Punkte nicht thematisiert, werden wir das Vorhaben nicht unterstützen.“ Der Chef der Liberalen, Tim Farron, sagte mit Blick auf die Parlamentsdebatte: „Das wird die Hölle.“

Die Oppositionsparteien erzürnt besonders, dass die Regierung vorgeschlagen hat, bestimmte Gesetze auch ohne vollständige Beteiligung des Parlaments durchbringen zu wollen. Davis rief die Abgeordneten auf, „im nationalen Interesse zusammenzuarbeiten“.

Der Chef des britischen Rechnungshofes, Amyas Morse, kritisierte unterdessen Fehler der Regierung beim Brexit und sprach von „vagen“ Austrittsplänen. Die Minister bildeten keine einheitliche Front bei den Herausforderungen durch den EU-Austritt. Dies könne verheerende Folgen haben.

Für Regierungschefin Theresa May dürfte die wohl nach der Sommerpause beginnende Parlamentsdebatte deshalb zur Nagelprobe werden. May ist angeschlagen, seitdem ihre Partei bei der Parlamentswahl im Juni die absolute Mehrheit verlor. Sie führt nun eine Minderheitsregierung, die auf die Unterstützung einer kleinen nordirischen Partei angewiesen ist. May sagte dem Rundfunksender BBC, sie sei „am Boden zerstört“ gewesen und habe „eine kleine Träne“ vergossen, als am Wahlabend die ersten Prognosen darauf hindeuteten, dass die Konservativen Mandate einbüßten. „Als das Ergebnis vorlag, war das ein völliger Schock.“ Die 60-Jährige will sich aber nicht öffentlich festlegen, wie lange sie noch im Amt ist. „Ich sehe, dass wir noch viel tun müssen, und als Premierministerin will ich mit dem Job vorankommen, das Leben der Menschen zu verbessern“, sagte May.

Die britische Wirtschaft sorgt sich derweil um negative Folgen des EU-Austritts. Eine Umfrage unter 7700 Firmen signalisiere nur eine maue Konjunktur, teilten die Britischen Handelskammern (BCC) mit. „Für viele Branchen ist das Wachstum im besten Fall statisch, und im schlimmsten Fall fängt es an, sich zu verlangsamen“, sagte BCC-Generaldirektor Adam Marshall. „Dieses gedämpfte Konjunkturbild zeigt, wie wichtig es ist, dass wir in den nächsten Monaten so viel Klarheit wie möglich zur Übergangsphase beim Brexit bekommen.“

Sollte der Brexit langfristig das Wirtschaftswachstum dämpfen, kommt die Regierung nach Ansicht des Rechnungshofes nicht umhin, entweder Staatsausgaben zu senken oder Steuern zu erhöhen.

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