Finanzen

Gasmarkt Europa: Russland könnte US-Attacke mit Preis-Senkung kontern

Lesezeit: 3 min
05.08.2017 21:18
Anbieter aus Russland und den USA konkurrieren um die Kunden in Europa. Russland hat derzeit bessere Karten.
Gasmarkt Europa: Russland könnte US-Attacke mit Preis-Senkung kontern

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Als US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch in Polen im Juli 2017 im Rahmen einer Rede sagte, dass die USA ihre Flüssiggas-Lieferungen (LNG) nach Europa steigern werden, wurde er von den Polen begeistert unterstützt. Dies dürfte beim russischen Gaskonzern Gazprom für Unmut gesorgt haben, da derzeit ein Verteilungskampf um den europäischen Energiemarkt tobt. Es konkurrieren US-amerikanische und russische Gas-Lieferanten, so die Financial Times. Auf den ersten Blick habe Gazprom einen Vorteil: Russland verfügt über große Gasreserven, niedrige Produktionskosten und eine ausgebaute Energieinfrastruktur, die Europa mit Gas versorgt.

Die US-Produzenten müssen hingegen das LNG-Gas einfrieren, es auf Schiffe laden und dann verfrachten. Jason Bordoff, ein ehemaliger Energiepolitik-Berater des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, sagt, dass LNG-Gas teurer sei als russisches Gas. Doch Russland müsse sich trotzdem darauf einstellen, schmerzliche Entscheidungen zu treffen, weil es künftig mehr Konkurrenten auf dem europäischen Markt geben werde. Russland müsse sich auf einen Preiskampf bei gleichzeitiger Verteidigung der Marktposition einstellen. Die zweite Alternative sei, dass Russland seine Gas-Produktion drosselt, um die Preise in die Höhe zu treiben. Nach Angaben von Bordoff werde dies jedoch nicht geschehen, da es zu weniger Umsätzen und Gewinnen führen werde.

Trumps freundlicher Empfang in Polen harmoniert mit der politischen Atmosphäre in anderen osteuropäischen Ländern wie Lettland, Estland oder Litauen, die allesamt als pro-amerikanisch einzustufen sind. Alleine aus politischen Gründen, die eine generell ablehnende Haltung gegenüber Moskau umfasst, könnten sich diese Länder bereit erklären, LNG-Gas aus den USA zu beziehen – auch wenn sie dafür einen höheren Marktpreis bezahlen müssen.

Die US-Sanktionen gegen Russland verkomplizieren den Konkurrenzkampf, zumal die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 behindert wird. „Die Versuche, Nord Stream 2 zum Entgleisen zu bringen, sind Teil der unlauteren Wettbewerbspraktiken durch potenzielle Anbieter von LNG, das im Vergleich zu Erdgas, das von Pipelines geliefert wird, teurer ist. Diese politisch motivierten ökonomischen Einschränkungen werden letztlich die Energieressourcen auf dem Markt teurer machen“, sagte der russische Energieminister Alexander Novak den Financial Times, bevor Trump die Sanktionen unterzeichnete. Novak ist der Ansicht, dass die europäischen Staaten ihre Gas-Importe kurzfristig erhöhen werden, da die inländische Produktion in den europäischen Staaten zurückgehe.

In den ersten sechs Monaten des aktuellen Jahres hat Gazprom seine jährlichen Gasexporte nach Europa um 12,3 Prozent erhöht. „Unser Gas erfreut sich einer steigenden Nachfrage in Europa. Die Nachfrage nach Erdgas wird weitergehen“, so Gazprom-Chef Alexej Miller. Der Vorstand des russischen Konzerns argumentiert, dass Polen einen höheren Preis für die US-amerikanischen LNG-Gas-Lieferungen zahlen muss, wenn das Land seine russischen Gas-Importe reduziert.

Doch der Aufstieg des LNG-Gases habe zur Verknüpfung der Märkte geführt, so die Financial Times weiter. Der Produktionsanstieg in den USA, Katar und Australien verbinde regionale Märkte, die zuvor getrennt gewesen sein sollen. Das LNG-Angebot wird voraussichtlich bis 2020 um 50 Prozent steigen. Diese Entwicklung habe bereits zu einem Preisrückgang geführt.

Der Preis für US-Gas liegt derzeit bei 2,85 Dollar MMBTU (British Terminal Unit). Nach Berücksichtigung der Gebühren für Versand, Verflüssigung und Vergasung steige der Preis nach Angaben von Gazprom auf sechs Dollar MMBTU. Auf dem Großteil des europäischen Markts liege jener Preis bei fünf Dollar MMBTU. Auf dem europäischen Markt stellt Gazprom ein Drittel des Gas-Angebots bereit.

Trotz der Preisvorteile in Bezug auf russisches Gas möchten Polen und die baltischen Staaten mehr LNG-Gas aus den USA importieren, um den Russen zu zeigen, dass sie Alternativen haben. Die Regierungen dieser Staaten beschweren sich darüber, dass die Gazprom-Preise zu hoch seien und sie in direkter Abhängigkeit von Russland stünden.

Nach Aussagen von Ira Joseph, Chefin der Gasabteilung des Energieberaters Pira, habe LNG eine Hebelwirkung, um sich vom „russischen Würgegriff“ zu befreien. Charif Souki, Leiter der Energiegruppe Tellurian, sagt, dass die LNG-Lieferungen nicht als Ersatz für die Gas-Pipelines in Europa angedacht seien, da die Lieferungen die Nachfrage in Europa alleine nicht decken können. Doch LNG mache den Markt flexibler. „Gas kann nun weltweit dahin transportiert werden, wo es gebraucht wird. Das ist die größte Herausforderung für ein Unternehmen wie Gazprom“, so Souki.

Die zusätzliche Flexibilität und der gestiegene Wettbewerb auf dem Markt können die Preise für europäische Kunden senken, so die Financial Times. Von der Konkurrenz zwischen den USA und Russland können nach Angaben des Blatts die europäischen Kunden nur profitieren, wenn ein Preiskampf entstehen sollte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...