Finanzen

EU erwägt Veto gegen Übernahmen aus China

Lesezeit: 2 min
11.09.2017 11:42
Die Bundesregierung drängt auf eine gesamteuropäische Strategie gegen Übernahmen aus China.
EU erwägt Veto gegen Übernahmen aus China

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Bundesregierung rechnet mit der EU-weiten Einführung schärferer Vorschriften gegen ungewollte Übernahmen von Unternehmen durch chinesische Firmen. Man sei zuversichtlich, die mit Italien und Frankreich erarbeitete Haltung auf EU-Ebene durchsetzen zu können, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Reuters-Anfrage. Zuvor hatten die Zeitungen Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten entsprechend berichtet. Demnach wolle EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch vor dem EU-Parlament eine Verschärfung bestehender Regeln anregen.

Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig sagte den Zeitungen, man müsse verhindern, „dass unsere Offenheit als Einfallstor für industriepolitische Interessen anderer Staaten benutzt wird“. Deutschland habe zwar Interesse an ausländischen Investitionen. Diese müssten aber zu marktwirtschaftlichen Bedingungen erfolgen. Deshalb werde auf europäischer Ebene an Änderungen der Regeln gearbeitet.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, Deutschland achte auf faire Wettbewerbsbedingungen. „Denn es ist bedenklich, wenn unsere Unternehmen sich im Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern befinden, die nicht so offen sind wie wir.“ In den letzten Jahren hätten Zukäufe an Zahl und Komplexität so deutlich zugenommen, „dass unser vorhandenes Prüfinstrumentarium darauf reagieren muss“. Daher habe man auf nationaler und europäischer Ebene einen Prozess dazu angestoßen. Ziel sei, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um national im Einzelfall gegen staatlich gelenkte oder staatlich finanzierte, strategische Direktinvestitionen einschreiten zu können.

Die Bundesregierung scheint eine treibende Kraft bei der geplanten Verschärfung der Übernahmebestimmungen zu sein. Bereits im August hatte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries einen Brief an Kommissionspräsident Juncker geschrieben. „Konkrete Vorschläge planen wir für den Herbst“, sagte Juncker damals, berichtet die dpa.

Zypries schrieb, die zahlreichen Firmenkäufe durch chinesische Investoren und der damit verbundene Kapitalzufluss belegten zwar die Attraktivität des Standortes Europa und sicherten auch in Deutschland Wachstum, Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Es sei aber zu erkennen, dass China sich bei Übernahmen in Europa und Deutschland einseitig auf „industrielle Hoch- und Schlüsseltechnologien“ konzentriere.

Zugleich bleibe der chinesische Markt europäischen Investoren oft verschlossen. „Offene Märkte dürfen aber keine Einbahnstraße sein“, betont die SPD-Politikerin. Auch sollten die EU-Staaten die Möglichkeit bekommen, in Einzelfällen „nicht marktkonforme, also insbesondere staatlich gelenkte oder subventionierte strategische Erwerbe von Unternehmen“, die Schlüsseltechnologien entwickeln oder herstellen, zu prüfen und notfalls zu untersagen.

Zypries hatte ihre Forderungen schon im Februar mit ihren Kollegen aus Paris und Rom an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström geschickt – mit Bitte um konkrete Vorschläge der Kommission. Seitdem ist aus Berliner Sicht nicht allzu viel passiert. Zypries lobt in dem Brief aber, dass Juncker das Thema zur Chefsache gemacht hat.

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland einer Studie der Beratungsfirma Ernst & Young zufolge 68 Übernahmendurch chinesische Käufer. Diese zahlten dafür insgesamt 12,6 Milliarden US-Dollar. Das waren mehr Übernahmen als in den vorangegangenen zehn Jahren zusammen. So kaufte der chinesische Midea-Konzern trotz Bedenken der Politik den Augsburger Roboterhersteller Kuka. Die China-Übernahme des Spezialmaschinenbauers Aixtron platzte dagegen, weil der damalige US-Präsident Barack Obama wegen Sicherheitsbedenken Nein sagte. „Auch 2017 ist die Zahl der Übernahmen durch chinesische Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr bereits deutlich gestiegen“, teilt Zypries mit.

Die Bundesregierung hatte kürzlich ihr nationales Vetorecht gegen die Übernahme strategisch wichtiger Firmen durch ausländische Investoren ausgebaut. Besser geschützt werden nun weitere Rüstungsfirmen sowie Telekom-Anbieter von Cloud-Anwendungen.

Das Wirtschaftsministerium kann eine Übernahme prüfen, wenn ein ausländischer Interessent mit Sitz außerhalb der EU mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Anteile kauft. Das gilt vor allem für strategisch wichtige Branchen wie Telekommunikation/IT, Rüstung oder Strom- und Wasserversorgung, wo Sicherheits- und Landesinteressen oder die Versorgung bedroht sein könnten. Jährlich schaut sich das Ministerium 40 bis 50 ausländische Investitionen in Deutschland an.

Weiter gehende Vetorechte müssten jedoch auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden. Wirtschaftsverbände sowie einige EU-Länder haben Vorbehalte, weil sie die Abschreckung von Investoren fürchten. Die Bestrebungen für mehr staatliche Intervention sind auch deshalb wichtig, weil die USA unter Präsident Donald Trump eine protektionistische Handelspolitik anstreben. Verschärfungen der Investitionsbedingungen zwischen der EU und China könnten das gegenwärtig gültige globale Handelssystem weiter verändern.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Sunak in Berlin: Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Chef sieht Zinssenkungspfad unklar und plädiert für digitalen Euro
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
24.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...