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Anja Garms von der dpa berichtet über einen dramatischen Befund:
Insekten bestäuben Obstbäume und Gemüsepflanzen. Sie zersetzen Aas, Totholz oder Kot. Zudem sind sie für viele andere Tiere eine unverzichtbare Nahrungsquelle. Der renommierte Insektenkundler Thomas Schmitt spricht gar von «Dienstleistern am Ökosystem». Doch das Schwirren und Zirpen wird mancherorts weniger.
Einer aktuellen Studie zufolge ist die Zahl der Fluginsekten in Teilen Deutschlands erheblich zurückgegangen. In den vergangenen 27 Jahren nahm die Gesamtmasse um mehr als 75 Prozent ab, berichten Wissenschaftler im Fachmagazin «PLOS ONE». Die Analyse bestätigt erste, im Sommer vorgestellte Ergebnisse.
Nicht an der Studie beteiligte Experten sprechen von einer überzeugenden Arbeit, durch die bisherige Hinweise auf ein massives Insektensterben auf eine solide Basis gestellt worden seien. Der Deutsche Bauernverband ist hingegen der Meinung, dass die Studie mehr Fragen aufwerfe, als dass sie Antworten gebe.
Caspar Hallmann von der Radboud University in Nijmegen (Niederlande) und seine Mitarbeiter hatten Daten ausgewertet, die seit 1989 vom Entomologischen Verein Krefeld gesammelt worden waren, also von ehrenamtlichen Insektenkundlern. Diese hatten in insgesamt 63 Gebieten mit unterschiedlichem Schutzstatus in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und in Brandenburg mit Hilfe von Fallen Fluginsekten gesammelt und deren Masse bestimmt. Welche Arten in den Fallen landeten, untersuchten die Forscher nicht.
Sie verglichen dann, wie sich in einzelnen Lebensräumen – etwa in Heidelandschaften, Graslandschaften oder auf Brachflächen – die Biomasse über die Zeit verändert hatte. Insgesamt landeten 53,54 Kilogramm wirbellose Tiere in den Fallen – Millionen Insekten.
Die Auswertung zeigte, dass der Verlust in der Mitte des Sommers – wenn am meisten Insekten herumfliegen – am größten war: knapp 82 Prozent. «Ein Schwund wurde bereits lange vermutet, aber er ist noch größer als bisher angenommen», sagte Erstautor Hallmann.
Auf der Suche nach möglichen Gründen für den Insektenschwund untersuchten die Wissenschaftler etwa den Einfluss von Klimafaktoren, der landwirtschaftlichen Nutzung und bestimmter Lebensraumfaktoren. Die Analyse brachte jedoch keine eindeutige Erklärung.
Vermutlich spiele die intensivierte Landwirtschaft samt dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowie der ganzjährigen Bewirtschaftung eine Rolle, erklären die Forscher. Untersucht haben sie dies aber nicht. Die Intensivierung der Landwirtschaft sei eine plausible Ursache für den Rückgang, sagt auch Teja Tscharntke, Agrarökologe an der Georg-August-Universität Göttingen. Zu den Faktoren gehörten unter anderem große Felder, nur wenige schmale Feldränder und wenige Hecken und Gehölze.
Der deutsche Bauernverband pocht auf weitere Untersuchungen. «In Anbetracht der Tatsache, dass die Erfassung der Insekten ausschließlich in Schutzgebieten stattfand, verbieten sich voreilige Schlüsse in Richtung Landwirtschaft», sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. «Die neue Studie bestätigt und betont ausdrücklich, dass es noch dringenden Forschungsbedarf zum Umfang und den Ursachen des dargestellten Insektenrückgangs gibt.»
Auch das Klima könne als wichtiger Faktor nicht ausgeschlossen werden, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. Was immer die Gründe für den Insektenschwund sind – sie haben einen weit verheerenderen Effekt als bisher erkannt, fassen die Autoren der aktuellen Studie zusammen.
Das betont auch Schmitt, Direktor am Senckenberg Deutsches Entomologischen Institut in Müncheberg (Brandenburg): Hummeln, Honigbienen und Wildbienen seien als Bestäuber wichtig für viele Pflanzen. Werden Nutzpflanzen nicht mehr regelmäßig angeflogen, entstehen der Landwirtschaft große Verluste, wie Schmitt erklärt. Zudem vertilgen bestimmte Insekten wie beispielsweise Laufkäfer laut Schmitt gerne Pflanzenschädlinge.
Alle Experten sind sich einig, dass die Folgen und das geografische Ausmaß dringend genauer erforscht werden müssen. Alexandra-Maria Klein, Landschaftsökologin von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg warnt davor, mit einer Änderung der Landnutzung zu lange zu warten: Sonst könnte es «für einige Insekten zu spät sein».