Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einen Deal mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ausgesetzt, wonach das Land 16.000 afrikanische Migranten im Land behalten wolle und im Gegenzug das UNHCR dafür sorgt, dass weitere 16.000 Migranten auf westliche Länder aufgeteilt werden. Netanjahu gab am Montagabend laut Times of Israel bekannt, dass der Deal "ausgesetzt" werde. Der Grund: Im Süden Tel Avivs hätte es Proteste gegen den Verbleib von tausenden Migranten gegeben, teilte Netanjahu auf Facebook mit.
Nur Stunden zuvor hatte Netanjahu erklärt, Israel habe sich mit dem UNHCR auf eine Umsiedlung von tausenden afrikanischen Flüchtlingen in westliche Länder geeinigt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Montag laut Times of Israel: «Diese Vereinbarung wird die Abreise von 16.250 Migranten in entwickelte Länder wie Kanada, Deutschland und Italien ermöglichen.» Andere sollen demnach in skandinavische Länder gehen. Rund 16.000 Flüchtlinge würden laut dpa im Gegenzug einen «offiziellen Status» in Israel bekommen. Das Prinzip der Einigung sei: Ein Flüchtling werde umgesiedelt für einen, der bleiben dürfe. Innenminister Arye Dery sagte laut Haaretz, dass Israel nach den zähen Verhandlungen mit dem UNHCR zugestimmt hat, einen Asylsuchenden in einem westlichen Land für jeden Flüchtling mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in Israel umzusiedeln.
Netanjahu hatte bereits vor Monaten gedroht, die Migranten, von denen viele seit Jahren in Israel leben, in Massendeportationen abzuschieben.
Die israelische Regierung hatte angekündigt, bis zu 40.000 Flüchtlinge aus Eritrea und dem Sudan in afrikanische Drittländer abzuschieben. Bis Ende März wurde den Menschen in Israel die Möglichkeit gegeben, freiwillig auszureisen. Israel bot ihnen umgerechnet rund 2800 Euro. Danach drohte ihnen Gefängnis.
Das UNHCR hat mit Deutschland keine Vereinbarungen oder Abkommen über eine Aufnahme tausender afrikanischer Flüchtlinge aus Israel geschlossen. Dies meldete die Deutsche Presse-Agentur in Berlin am Montag aus Kreisen des UNHCR. Deutschland sei an dem Abkommen zwischen Israel und dem UNHCR gar nicht beteiligt, hieß es. Das Flüchtlingshilfswerk werde sich nun bemühen, Plätze im Ausland für die Migranten zu finden.
Das UNHCR in Genf bestätigte in einer Mitteilung, dass es in den kommenden fünf Jahren zusammen mit Israel rund 16.000 sudanesische und eritreische Flüchtlinge in andere Staaten umsiedeln will. Infrage kämen dazu etwa Patenschaften, Ressettlement-Programme, Familienzusammenführungen sowie Arbeits- und Ausbildungsvisa für Ausländer. Welche Länder die Migranten aufnehmen, müsse noch festgelegt werden.
Zuletzt war Bundesaußenminister Heiko Maas nach Israel gereist. Er hatte nach eigenen Angaben mit Netanjahu über eine ganze Bandbreite von Themen gesprochen. Ob er auch über das Ansiedlungsprogramm und den UN-Deal gesprochen hat ist unklar.
Die Deutsche Botschaft in Israel äußerte sich zunächst nicht zu der Frage, ob Deutschland tatsächlich Flüchtlinge aus dem Kontingent aufnehmen werde. Ein Sprecher sagte der dpa lediglich: «Deutschland nimmt im Rahmen bestehender Resettlement-Programme des UNHCR Flüchtlinge auf.» So seien etwa im Jahr 2017 auch 14 Eriträer und 8 Somalier nach Deutschland gekommen. In den Jahren 2014 bis 2018 seien insgesamt 9613 Flüchtlinge innerhalb von Programmen des UNHCR in Deutschland aufgenommen worden.
Die Umsiedlung der Flüchtlinge werde innerhalb von fünf Jahren geschehen, hieß es in einer Mitteilung von Netanjahus Büro. In dieser Zeit gebe «es keine Notwendigkeit, die Politik der erzwungenen Ausweisung in Drittstaaten fortzusetzen».
Die Regierung habe versucht, den ursprünglichen Plan umzusetzen. Aber aufgrund von «rechtlichen Zwängen und politischen Schwierigkeiten aufseiten der Drittstaaten» sei es notwendig gewesen, einen anderen Weg zu finden. Die Einigung mit UNHCR folge internationalem Recht.
«Ich denke, das ist eine gute Lösung», sagte Netanjahu. «Ich weiß, dass es die Erwartung gab, dass wir jeden durch einen Drittstaat wegbringen können.»
Israel betrachtet die vor allem aus Eritrea und dem Sudan stammenden Flüchtlinge als illegale Einwanderer und bezeichnet sie als «Eindringlinge». Asylanträge wurden bisher nur in extrem seltenen Fällen gebilligt.
Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International Israel, begrüßten laut dpa die Einigung mit den Vereinten Nationen. Man werde darauf achten, dass alle Asylsuchenden einen Status, Rechte und Sicherheit in Israel und den anderen Ländern erhalten würden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Gemeinden in Israel, die von einem starken Anteil von Migranten betroffen sind, äußerten sich dagegen laut Haaretz enttäuscht, weil die hohe Zahl der Migranten ihren Gemeinden "Schaden zufüge".
Mehrfach hatten Tausende Israelis in den vergangenen Wochen gegen die Abschiebung der Flüchtlinge demonstriert. Holocaust-Überlebende appellierten an die Regierung, sich angesichts der Geschichte des eigenen Volkes menschlich zu zeigen.