Politik

Der Westen ist für China kein Vorbild mehr

Die chinesische Regierung ist überzeugt, nichts von den westlichen Staaten lernen zu können.
05.05.2018 20:35
Lesezeit: 3 min

Martin Wolf von der Financial Times hat an einem Treffen mit chinesischen Entscheidern teilgenommen. Er liefert interessante Erkenntnisse über die Sicht, die in Peking auf den Westen herrscht. Aus der chinesischen Sicht seien die westlichen Staats- und Wirtschaftsmodelle unglaubwürdig. Als Grund nennen sie schlecht ausgebildete "Regierungen und instabile Volkswirtschaften.

Wolf fasst die Argumente seiner chinesischen Gesprächspartner zusammen. Aus deren Perspektive ist Ernüchterung über den möglichen Übergang vom Kommunismus zur Demokratie eingekehrt:

"Westliche Modelle sind diskreditiert. Die Chinesen haben ein staatliches System entwickelt, das von einer technokratischen Elite hochgebildeter Bürokraten unter Parteikontrolle geleitet wird. Dies ist Chinas uraltes imperiales System in moderner Form.

Die Anziehungskraft, die die westliche Demokratie und der freie Marktkapitalismus auf diese Elite ausgeübt haben mögen, ist jetzt verflogen. Die Chinesen betonten das Scheitern der westlichen Staaten, in ihre physischen oder menschlichen Vermögenswerte zu investieren, die schlechte Qualität vieler ihrer gewählten Führer und die Instabilität ihrer Volkswirtschaften. Ein Teilnehmer fügte hinzu, dass ,90 Prozent der Demokratien, die nach dem Fall der Sowjetunion geschaffen wurden, jetzt gescheitert sind'. Dieses Risiko ist nicht aus der Welt zu schaffen.

All dies hat das Vertrauen in Chinas einzigartiges Modell erhöht. Dies bedeutet jedoch keine Rückkehr zu einer kontrollierten Wirtschaft. Im Gegenteil, wie ein Teilnehmer bemerkte: ,Wir glauben an die grundlegende Rolle des Marktes bei der Zuteilung von Ressourcen. Aber die Regierung muss eine entscheidende Rolle spielen. Sie schafft den Rahmen für den Markt. Die Regierung sollte das Unternehmertum fördern und die Privatwirtschaft schützen.' Ein Teilnehmer bestand sogar darauf, dass die neue Idee eines ,Kernführers' zu einer starken Einheit von Regierung und wirtschaftlicher Freiheit führen könnte."

China sieht seine eigene Rolle nicht in der Konfrontation mit dem Westen. Martin Wolf über entsprechende Einordnungen aus Peking: "China will nicht die Welt regieren. Diese Haltung wurde wiederholt geäußert. Die internen Probleme sind nach Ansicht der Teilnehmer für solche Ambitionen zu groß. Auf jeden Fall hat das keine ausgeklügelte Strategie, eine solche Rolle zu spielen. Daher müsse China, wie ein hochrangiger politischer Entscheidungsträger betonte, wolle China ,mit den USA zusammenarbeiten, um gemeinsame Probleme zu bewältigen'.

China setzt im geopolitischen Kontext weiter auf eine auf konkreten Projekten aufbauende Partnerschaft mit Russland. Für Russland ist China der Haupthandelspartner. Im vergangenen Jahr betrug das Umsatzvolumen zwischen den beiden Staaten rund 72 Milliarden Euro. Ökonome erwarten, dass es sich bis zum Jahr 2020 auf 180 Milliarden Euro verdoppelt. Der Grund: Im vergangenen Jahr beschlossen die beiden Staaten den Bau der Neuen Seidenstraße. Als Teil dieses Großprojekts nahm China im Januar die rund 950 Kilometer lange Rohölpipeline „Eastern Siberian Pacific Pipeline“ in Betrieb . Beginnend in nordchinesischen Grenzstadt Mohe wird auf diese Weise Öl aus dem benachbarten Russland zum einem Ölterminal in der nordostchinesischen Stadt Daqing geleitet. Die Pipelinekapazität liegt bei rund 3.800 Kubikmeter Rohöl pro Stunde.

China ist, so Wolf, wesentlich weniger abhängig vom internationalen Handel geworden. Das Land sei auf dem Weg zu einer Industrienation. Die Bedeutung des Handels bleibt allerdings erheblich: Anlässlich des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos hatte der chinesische Staatspräsident Xi gesagt, China werde in den kommenden fünf Jahren Waren im Wert von rund acht Billionen US-Dollar jährlich importieren. Zusätzlich wolle das Land bis 2022 rund 750 Milliarden US-Dollar Direktinvestitionen im Ausland tätigen und im selben Zeitraum Investoren für Projekte in China in Höhe von rund 600 Milliarden US-Dollar gewinnen.

Nach Einschätzung der chinesischen Experten wird ein Handelsstreit mit den USA die chinesische Wirtschaft kaum schwächen können. So seien die USA zum einen wirtschaftlich abhängig von China, zum anderen sei Chinas Wirtschaft größer als die der USA, Japans und Deutschlands zusammen. Im vergangenen Jahr exportierte China Waren in die USA im Wert von über 400 Milliarden Euro. Im Gegenzug importierte das Land Waren von rund 104 Milliarden Euro. Für die USA ist China der wichtigste Handelspartner vor Kanada und Mexiko. Rund 15,8 Prozent des gesamten US-amerikanischen Handelsvolumens wurde zwischen den beiden Staaten umgesetzt. Dem gegenüber machen die US-Exporte nach China einen Anteil von rund vier Prozent der gesamten chinesischen Wirtschaftskraft aus.

Im aktuellen Zollstreit mit den USA sehen die chinesischen Medien durchaus Bewegung. Die Zuversicht ist das Resultat der zweitägigen Gespräche einer hochrangigen US-Delegation mit US-Vertretern in Peking. Präsident Donald Trump kündigte an, er wolle noch am Wochenende mit der US-Delegation das Ergebnis der Reise bewerten.

Die englischsprachige Zeitung "China Daily" schrieb nach dem Besuch von US-Finanzminister Steven Mnuchin, es gebe trotz großer Differenzen eine positive Entwicklung. Dazu zähle eine konstruktive Vereinbarung zur Fortführung der Gespräche. Die Parteizeitung "Renmin Ribao" schrieb, die Gespräche hätten eine solide Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen, an deren Ende Vorteile für beide Seiten stehen könnten. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete von mehreren Punkten, in denen man sich geeinigt habe.

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