Brüssels Verhandlungsstrategie gescheitert
Trotz monatelanger Verhandlungen und weitreichender Zugeständnisse bleibt die Europäische Union im transatlantischen Dialog faktisch außen vor. US-Präsident Donald Trump zeigt offen seine Präferenzen: Statt Brüssel rücken London und – überraschend – Peking in den Fokus amerikanischer Handelspolitik. Die EU hingegen kehrte zuletzt mit leeren Händen aus Washington zurück.
EU-Beamte boten den USA erneut eine vollständige Senkung der Industriezölle an – unter der Bedingung, dass auch Washington im Gegenzug auf seine Strafzölle verzichte. Darüber hinaus versprach die Kommission den verstärkten Import von US-Gas und Soja. Doch die USA blieben unbeeindruckt. Die jüngste Erkundungsmission brachte keinerlei Fortschritte – nicht einmal Klarheit über die Absichten der Trump-Regierung.
„Wir wollen verhältnismäßig bleiben“, heißt es aus Brüssel – doch die Zeichen deuten zunehmend auf Eskalation. Die EU hat bereits eine umfassende Zollliste vorbereitet, die als Notfallmaßnahme gelten soll, aber ein Handelskrieg scheint damit realistischer denn je.
Trump signalisiert Deals – aber nicht mit Brüssel
Während die EU mühsam um Gleichgewicht ringt, haben die USA ein Abkommen mit Großbritannien zur Senkung von Zöllen auf Stahl und Fahrzeuge unterzeichnet. Weitere Zollsenkungen lehnte Trump gegenüber dem britischen Premier Keir Starmer jedoch ab – ein symbolischer Deal, den ein EU-Diplomat als „Nichts-Burger“ bezeichnete. Doch politisch sendet er ein deutliches Signal: London wird als bilateraler Partner bevorzugt.
Gleichzeitig entspannt Washington die Beziehungen zu Peking. In sozialen Medien kündigte Trump an, die Strafzölle gegenüber China – derzeit bei bis zu 145 Prozent – reduzieren zu wollen. Parallel dazu traf sich Handelsbeauftragter Jamieson Greer in Genf mit chinesischen Vertretern.
Für Brüssel eine empfindliche Niederlage. Denn der Schulterschluss mit den USA gegen Chinas staatlich subventionierte Industrie war eines der wenigen verbliebenen strategischen Argumente der EU. Diese Grundlage bröckelt nun rapide.
Zollfront gegen die EU: 10 Prozent Basiszoll, 25 Prozent auf Schlüsselindustrien
Seit März erhebt Washington einen 10-prozentigen Basiszoll auf EU-Exporte im Wert von 300 Milliarden Euro. Besonders betroffen: irische Agrarprodukte wie Butter und Whiskey. Für Autos, Stahl und Aluminium gelten bereits Strafzölle von 25 Prozent. Ein Pauschalzoll von 20 Prozent wurde lediglich bis Juli aufgeschoben.
Friedrich Merz, Bundeskanzler und derzeit wichtigster europäischer Gesprächspartner Trumps, warnte in einem Telefonat am Donnerstag eindringlich vor einer weiteren Eskalation. Er betonte: Einzelverhandlungen mit EU-Mitgliedstaaten seien ausgeschlossen – Europa verhandle nur als Block.
Irland im Fadenkreuz: Luftfahrt, Whiskey und Chemieindustrie bedroht
Besonders betroffen von möglichen Gegenzöllen: Irland. Fluglinien wie Ryanair, die fast ausschließlich auf Boeing-Flugzeuge setzen, sind verwundbar. Auch Whiskey-Produzenten und Technologiefirmen wie die Kerry Group, CRH und Kingspan, mit großen Niederlassungen in den USA, geraten unter Druck.
Taoiseach Micheál Martin sprach offen von einer „nicht schmerzlosen Reaktion“ der EU. Er warnte, dass eine Eskalation mit Washington auch wichtige Exportgüter aus Irland massiv treffen könnte – darunter medizinische Geräte, Chemikalien und Technologie-Dienstleistungen.
Ein Sprecher von Ryanair wollte sich zu möglichen Auswirkungen nicht äußern: „Wir kommentieren keine Gerüchte oder Spekulationen.“
Fazit: Europa wird zur Nebenrolle im globalen Machtspiel
Der strategische Bedeutungsverlust der EU in der amerikanischen Handelspolitik ist unübersehbar. Während Trump Deals mit Peking und London forciert, bleibt Brüssel isoliert. Die EU setzt auf Verhältnismäßigkeit – doch ihr Handlungsspielraum schrumpft.
Die Kommission will nicht eskalieren, doch sie bereitet sich auf das Schlimmste vor. Zölle auf US-Medikamente und IT-Dienstleistungen sind nicht ausgeschlossen. „Wir halten uns alle Optionen offen“, so ein ranghoher Beamter.
Die EU droht in eine geopolitische Randposition zu geraten. Trump signalisiert, dass Partnerschaften mit flexiblen Nationalstaaten für ihn attraktiver sind als komplexe Verhandlungen mit der Brüsseler Bürokratie. Während China und Großbritannien handeln, wartet Europa – und verliert Einfluss.