EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sieht keine Chance für die Forderung, Kindergeldzahlungen für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshaltungskosten anzupassen. Der CDU-Politiker erteilte damit Forderungen aus der Union eine Absage. "Es gibt eine klare Tendenz unter den EU-Mitgliedstaaten, die gegenwärtige europäische Rechtslage nicht zu ändern" sagte Oettinger dem "Tagesspiegel" (Sonntagausgabe).
Der EU-Kommissar verwies auf Beratungen der EU-Sozialminister vom vergangenen Juni, bei denen eine Mehrheit der EU-Staaten eine solche Anpassung abgelehnt hatte. "Deshalb halte ich einen weiteren Vorstoß für wenig chancenreich", stellte Oettinger klar.
Die Zahl der im EU-Ausland lebenden Kinder, die Kindergeld aus Deutschland erhalten, ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das weckt Befürchtungen, dass Menschen beispielsweise aus osteuropäischen Ländern gezielt nach Deutschland kommen, um das hiesige und für ihre Verhältnisse hohe Kindergeld zu erhalten.
Hintergrund ist ein Rekord an ausländischen Kindergeldempfängern und Hinweise auf Betrugsfälle in Deutschland. Im Juni wurde hierzulande Kindergeld für 268.336 Kinder gezahlt, die im EU-Ausland leben. Das ist eine Zunahme um 10,4 Prozent seit Ende 2017. Im Inland bekommen über 2,7 Millionen Kinder aus anderen Ländern Kindergeld. Mehrere Oberbürgermeister sprechen von einer wachsenden Migration in das deutsche Sozialsystem, die auch von Schleusern und Schlepperbanden befördert wird.
Die Bundesregierung hatte schon in der vergangenen Legislaturperiode versucht, die Kindergeldzahlungen an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern anzupassen. Allerdings verzichtete sie schließlich wegen rechtlicher Bedenken darauf. Die EU-Kommission ist gegen eine solche Indexierung und hält sie für nicht mit EU-Recht vereinbar.
Aufgrund der kürzlich bekannt gewordenen Zahlen zu den Kindergeldzahlungen ins Ausland ist die Debatte über eine Indexierung jedoch erneut in vollem Gange. Es müsse die Kaufkraft am jeweiligen Wohnort des Kindes berücksichtigt werden, forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der "Augsburger Allgemeinen" vom Samstag.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordnetengruppe im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), unterstützt die Forderung. Er kritisierte im Deutschlandfunk die Position der EU-Kommission, dass eine Indexierung rechtlich nicht möglich sei. Caspary wies darauf hin, dass die EU-Kommission die Höhe der Kinderzuschläge für ihre Beamten davon abhängig mache, in welchem Mitgliedsland sich die Kinder aufhielten. "Was bei Beamten der europäischen Kommission möglich ist, das muss aus meiner Sicht auch für jeden anderen Bürger möglich sein", sagte er.