Finanzen

Economic Hit Man Perkins warnt Türkei vor dem IWF

Der US-Ökonom John Perkins sagt, dass die Türkei keinen IWF-Kredit aufnehmen dürfe. Am Ende dieses Kredits würde die Veräußerung türkischer Vermögensgüter und Rohstoffe stehen.
27.08.2018 00:28
Lesezeit: 3 min

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der türkische Präsident Erdoğan hat Spekulanten für die aktuelle Krise in der Türkei verantwortlich gemacht. Er sagte: „Diejenigen, die Spekulationen über Banken oder Devisen durchführen, werden dafür bezahlen.“  Spielen Spekulanten wirklich eine Rolle in der Währungskrise der Türkei?

John Perkins: Während es spekulative Angriffe auf die türkische Wirtschaft gegeben hat und die US-Zölle und -Sanktionen sich als nachteilig erwiesen haben, sind die ursprünglichen Ursachen für dieses zunehmende Währungsproblem intern. Die Türkei lieh sich von ausländischen Investoren zu viel Geld, um ihre Wirtschaft anzukurbeln. Die Gesamtverschuldung stieg auf über 450 Milliarden Dollar, etwa die Hälfte des BIP. Türkische Exporte und das Leistungsbilanzdefizit stiegen auf 50 Milliarden Dollar. Dies führte zu einem schnellen inländischen Wachstum - in den letzten zehn Jahren erreichte es eine jährliche Rate von fast sieben Prozent-, aber es schuf auch das, was Ökonomen einen „Blaseneffekt“ nennen, der unausweichlich abflachte.

Die jüngste Abwertung der türkischen Lira um rund 40 Prozent ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar hat es türkischen Unternehmen, Geschäftsleuten und Verbrauchern extrem erschwert, ihre Schulden zurückzuzahlen. Dies wiederum hat das Wachstum der Wirtschaft gebremst und dazu geführt, dass in der Türkei weniger Geld für fast alles ausgegeben wird. Eine solche Situation ist natürlich äußerst gefährlich und ein wesentlicher Faktor für den wirtschaftlichen Niedergang.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten:  Wenn Spekulanten eine Rolle spielen sollten, mit welchen Methoden „manipulieren“ sie die Währungen der Schwellenländer? Gibt es Ähnlichkeiten zwischen der Wirtschaft und der Wirtschaftskrise in Lateinamerika und in der Türkei?

John Perkins: Ich habe in meinen Büchern ausführlich dargelegt, wie die „Economic Hitman“ vorgehen. Diese Details sind zu komplex, als dass sie hier schnell dargestellt werde können. Ich kann jedoch sagen, dass die aufstrebenden Märkte (Schwellenländer, Anm. d. Red.) , ob in der Türkei, in Lateinamerika oder anderswo, gegen die Schulden aufbegehren sollten. Länder wie Island, Argentinien und Ecuador sind ein Beispiel dafür, wie dies möglich ist. Sie weigerten sich, ihre Schulden zu begleichen, weil die Bürger diesen Schulden nie zugestimmt hatten. Die Schulden wurden von korrupten und nicht gewählten Regierungen akzeptiert. Am Ende entschieden sie sich normalerweise dafür, einen Prozentsatz der geltend gemachten Schulden zu bezahlen. Mein Rat an die Schwellenländer ist, dass sie sich zusammenschließen und sich weigern, ihre Schulden zu begleichen, die sie ungerechtfertigt durch Korruption  - oder von Regierungen, die von den Bürgern nicht unterstützt werden – aufgenommen haben.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten:  Mehrere türkische Zeitungen behaupten, dass die Türkei, aber auch andere Schwellenländer, unter „wirtschaftlicher Belagerung“ stehen. Leider liefern sie keine Hinweise oder Erklärungen. Stehen die Türkei und/oder andere Schwellenländer unter „wirtschaftlicher Belagerung“? Wenn ja, was bedeutet das?

John Perkins: Es scheint, dass Präsident Trump sein Herz darauf gerichtet hat, die traditionellen internationalen Beziehungen und die globale Wirtschaft zu stören. Dies wird von vielen als „wirtschaftliche Belagerung“ betrachtet. Wie Sie betonen, ist die Türkei nicht das einzige Land, gegen die er Sanktionen und Zölle verhängt hat. Seine Politik ist extrem gefährlich für die USA, die Türkei und die ganze Welt. Wie ich bereits sagte, sind die ursprünglichen Ursachen der Probleme der Türkei - wie auch in vielen anderen Ländern - zu Hause, also innenpolitisch, begründet.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten:  Mehrere Finanzzeitungen meinen, dass die Türkei am Ende einen Kredit beim IWF beantragen wird. Wie würden Sie dieses Argument einordnen?

John Perkins: IWF-Kredite haben ein lang anhaltendes Muster, das Länder dazu zwingt, ihre Ressourcen billig zu verkaufen, ihre Geschäfte im öffentlichen Sektor zu privatisieren und andere belastende „Konditionalitäten“ zu akzeptieren. Ich möchte die Türkei ermutigen, sich vom IWF fernzuhalten. Heute gibt es noch viele andere Möglichkeiten, wie sie Katar anbietet. Länder wie die Türkei sollten die Hebelwirkung nutzen, die sie bieten, und den IWF und andere Finanzinstitutionen aus China, den USA, der EU und den Golfstaaten zwingen, miteinander zu konkurrieren. Auf diese Weise hat die Türkei viele Möglichkeiten, bessere Geschäfte zu machen. Sie sollte alles tun, um mehr Auslandsschulden zu vermeiden.

***

John Perkins war Chefökonom beim Beratungsunternehmen Chas. T. Main und beriet die Weltbank, die Vereinten Nationen, den IWF, das US-Finanzministerium und führende Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika und dem Nahen Osten. Die erste Ausgabe seines Buchs „Bekenntnisse eines Economic Hit Man“ blieb 73 Wochen auf der Sachbuch-Bestsellerliste der New York Times und wurde in 32 Sprachen übersetzt. 

John Perkins: „Bekenntnisse eines Economic Hit Man - erweiterte Neuausgabe: Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia“. Goldmann Verlag München, 480 Seiten, 14,99€. Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.

Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel – das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!

Oder bestellen Sie das Buch bei Amazon.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...