Die europäischen Erfinder geraten bei der Zahl der Patent-Anmeldungen zunehmend ins Hintertreffen. Vor allem bei den immer wichtigeren digitalen Technologien liegen andere Länder vorn, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos am Dienstag mitteilte. Im Jahr 2015 hatten die USA bei den weltweiten Digitalpatenten einen Anteil von 30 Prozent, China einen Anteil von 27 Prozent. Die EU kommt auf 14 Prozent und wurde damit von Japan überholt, das 15 Prozent erreicht.
Zum Vergleich: 2005 kamen die USA noch auf knapp 40 Prozent, die EU auf knapp 30 Prozent, Japan auf knapp 20 Prozent und China auf unter fünf Prozent. Die Analyse basiert laut Prognos auf Daten des Europäischen Patentamtes. In dieser Datenbank sind mehr als 75 Millionen Patente von über 80 nationalen und internationalen Patentämtern hinterlegt.
Für die Zukunft erwartet Prognos, dass auf digitale Technologien gestützte Waren, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Standards mehr und mehr aus den Ländern und Regionen kommen werden, die heute in der Patentstatistik vorne liegen. "Will Europa und will Deutschland auf Dauer nicht wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten, sind Strategien und mehr Ressourcen für Forschung und Entwicklung im Bereich der digitalen Technologien erforderlich", folgern die Forscher.
Je mehr Patente, desto innovativer ein Land, lautet diese Logik. Allerdings räumt eine Sprecherin ein, dass die Zahl der Patentanmeldungen nur ein Indikator von vielen für den Erfindergeist in einem Land ist. "Er zeigt aber, wer seine Forschungsergebnisse auf die Straße bringt und zu Geld macht."
Gemessen an der Zahl der insgesamt angemeldeten Patente befinden sich die USA und die Europäische Union in etwa gleichauf an der Spitze - gleichwohl mit sinkender Tendenz. Im Jahr 2005 lagen die Anteilswerte noch bei jeweils 34 Prozent. Bis 2015 nahmen sie auf jeweils rund 25 Prozent ab. Größter Gewinner ist im betrachteten Zeitraum China. Der Anteil an den angemeldeten Patenten stieg im Zeitverlauf von zwei Prozent auf 14 Prozent.
"Angesichts der ökonomischen Potenz der USA und Chinas verspricht nur ein gemeinsames Vorgehen der EU Erfolg", erklärt Prognos- Geschäftsführer Christian Böllhoff.
"Nationalstaatliche Alleingänge bei der Förderung von Forschung, Entwicklung und Vermarktung digitaler Technologien wären aufgrund mangelnder Ressourcen zum Scheitern verurteilt".
In den USA stehen laut Prognos oft datenbasierte Geschäftsmodelle im Vordergrund, China treibt die Entwicklung im Bereich künstlicher Intelligenz massiv voran, um Daten massenhaft gezielt auszuwerten und in Geschäftsmodelle umzusetzen. Europas Chance sieht Böllhoff in der industriellen Prägung.
So führe Deutschland nach wie vor bei der Herstellung von Industrierobotern. "Gelingt es, hier die Standards für die Kommunikation von Produkten, Anlagen und Unternehmen zu setzen und damit eine globale Vorreiterrolle einzunehmen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit getan", schreibt Prognos. Auch die IT-Sicherheit und der Datenschutz gewinnen demnach an Bedeutung.
Prognos spricht sich dabei für einen geschützten digitalen Binnenmarkt aus. "Sich auf marktwirtschaftliche Prinzipien zu berufen und auf weiterhin offene Märkte zu hoffen wird nicht reichen, wenn die USA und China mit industriepolitischen Strategien Hegemonie anstreben", schreiben die Forscher.