Politik

Ungarn fordert ehrlichen Umgang der EU mit der Türkei

Ungarns Ministerpräsident Orbán fordert von der EU, eine tragfähige Übereinkunft mit der Türkei herbeizuführen.
10.10.2018 00:16
Lesezeit: 2 min

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat am Montag bei einem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gesagt, dass die EU entscheiden muss, ob sie eine "umfassende, tiefe Zusammenarbeit" mit der Türkei will oder nicht. Die Verhandlungen der Türkei, ein vollwertiges EU-Mitglied zu werden, wurden 2005 eingeleitet, sind jedoch in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten. Hungary Today zitiert Orbán: "Ich erinnere mich nicht an eine Zeit, als wir einem Kandidatenland gesagt haben, dass wir verhandeln wollen, während bedeutende Länder sagten, dass wir dieses Land niemals in die Europäische Union aufnehmen werden. Wenn Europa sich tatsächlich dazu entschließt, ein wichtiger globaler politischer Akteur zu werden, dann muss es die richtige Form der Zusammenarbeit mit der Türkei finden. Was wir jetzt tun, ist unehrlich. Ungarn will ein starkes Europa, und dazu brauche es ein strategisches Abkommen mit der Türkei".

Orbán sagte auch, dass die Stabilität in der Türkei und ihre Bemühungen, den Zustrom von Migranten nach Europa zu stoppen, für die Sicherheit Ungarns von entscheidender Bedeutung seien. Der ungarische Premier will nach eigenen Aussagen die Zusammenarbeit mit der türkischen Militärindustrie ausbauen. In den vergangenen Jahren habe keine nennenswerten Investitionen in das ungarische Militär gegeben. "Ungarns Ziel ist der Aufbau einer modernen und effektiven nationalen Armee", zitiert Hungary Today Orbán. Die ungarische Außenpolitik müsse sich auf drei Städte konzentrieren: Ankara, Moskau und Berlin. "Deshalb ist es wichtig, dass die Beziehungen zwischen Ungarn und der Türkei immer ausgeglichen, geordnet und positiv sind und dass die Beziehung zwischen den beiden Ländern auf Respekt basiert", so der ungarische Premier.

Der ungarische Premier hatte im Juli 2017 seine Loyalität zur Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekräftigt. "Was auch immer an türkeifeindlichen Äußerungen in bedeutenden EU-Ländern fallen mag, Ungarn wird sich daran nie beteiligen (…) Selbst wenn das Unannehmlichkeiten bringt", erklärte er im Juli 2017 auf einem bilateralen Geschäftsforum in Ankara. Die Freundschaft zur Türkei bezeichnete er  als "Folge einer Strategie, wonach in Ungarn - als einem konservativen Land - die menschlichen Werte zählen". Ungarn stehe an der Seite "seiner Freunde", so Orbán.

Erdoğan sagte am Dienstag, dass die Türkei und Ungarn insbesondere gemeinsame Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent vornehmen werden. Der bilaterale Handel zwischen beiden Staaten sei derzeit zu niedrig und müsse ausgebaut werden. "Eine große Hürde stellt die Tatsache dar, dass die EU mit den Neuverhandlungen zur Zollunion mit der Türkei immer noch nicht begonnen hat", zitiert der türkische Fernsehsender NTV den türkischen Präsidenten. Erdoğan fügte hinzu, dass der türkische Vorschlag zur rechtzeitigen Errichtung von Schutzzonen im Norden Syriens, um die Flüchtlingswelle einzudämmen, von "unseren Verbündeten sabotiert" wurde.

Die regierungsnahe türkische Zeitung Yeni Şafak berichtet: "Der hochrangige Strategische Kooperationsrat (HLSCC) zwischen den beiden Ländern wurde während des Besuchs des damaligen Premierministers Erdoğan in Ungarn im Jahr 2013 vereinbart. Das erste HLSCC-Treffen fand während des Besuchs von Orbán in der Türkei im Jahr 2013 statt. Ein zweites Treffen folgte 2015 in Budapest und das dritte in Ankara im Jahr 2017 unter dem Vorsitz des damaligen Premierministers Binali Yıldırım und Orbán. Das vierte Treffen wird 2019 in Budapest stattfinden. Nach Angaben der Webseite des türkischen Außenministeriums verfolgt Ungarn eine auf Wirtschaft und Handel ausgerichtete Außenpolitik und betrachtet die Türkei als eines der Schlüsselländer in seiner Öffnung gen Osten. Das bilaterale Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern erreichte 2017 2,5 Milliarden Dollar.  Etwa 80.000 ungarische Touristen besuchten die Türkei im Jahr 2017. Nach Angaben des Ministeriums leben rund 2.500 türkische Bürger in Ungarn."

Die Türkei plant, ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit der Visegrad-Gruppe, dessen Mitglieder Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind, zu stärken. Die Zeitung Yeni Safak berichtet, dass die Beziehungen zwischen den Visegrad-Mitgliedern sich in den vergangenen Jahren intensiviert hätten. Angesichts des anstehenden Brexits werde die Visegrad-Gruppe künftig mehr Gewicht innerhalb der EU erlangen.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...