Politik

EU und Großbritannien einigen sich auf Vertrag zu EU-Austritt

Die EU und Großbritannien haben sich auf einen Vertrag zum Austritt des Landes aus der EU geeinigt.
13.11.2018 21:19
Lesezeit: 2 min

Die Europäische Union (EU) und Großbritannien haben sich nach langem Tauziehen auf die Grundsätze eines Scheidungsvertrags geeinigt. Das britische Kabinett werde am Mittwoch um 15.00 Uhr MEZ zusammenkommen und über den Entwurf für den Ausstiegsvertrag beraten, teilte das Büro der britischen Premierministerin Theresa May am Dienstagabend mit. Die Regierung in London muss der Vorlage zustimmen. Ein ranghoher EU-Vertreter bestätigte, dass ein Vertragsentwurf erreicht wurde. Nach Aussagen von EU-Diploamten enthält der Kompromiss einen Lösungsvorschlag für die Frage der irischen Grenze. In trockenen Tüchern ist der Deal aber noch lange nicht: Vor einem Monat lag ein erster Entwurf des Vertrags vor, der Abschluss schien in Reichweite. Doch lehnte Mays Regierung ab. Seitdem wurde wieder intensiv verhandelt.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, hat den Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen bestätigt. "Ja, der weiße Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt", sagte Weber am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Man habe sich auf eine Übergangsphase verständigt, um Schaden für die Wirtschaft und EU-Bürger, die in Großbritannien leben, abzuwenden, erklärte der CSU-Politiker, der selbst nicht an den Verhandlungen teilgenommen hat.

Weber, der auch Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl im Frühjahr ist, zeigte sich erfreut, dass auch die lange umstrittene Frage geklärt sei, wie nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Die EU hatte hier auf einer Garantie bestanden, dass es keine Kontrollen geben werde. "Das ist gelungen. Die nordirische Grenze wird nicht als harte Grenze eingerichtet", sagte Weber. Die EU habe somit einige Ziele erreicht. Dennoch sei es zu früh, um grünes Licht zu geben. "Wir werden da sehr kritisch draufblicken."

Der Vertragstext wird den EU-Vertretern zufolge eine Absicherung enthalten, die die Rückkehr von Kontrollen an der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland nach dem Brexit vermeiden soll. Der Punkt würde Großbritannien zusammen mit Nordirland vorübergehend in einer Zollunion mit der EU halten - und Nordirland im EU-Binnenmarkt. Die Frage ist bislang der größte Zankapfel in den Verhandlungen über den EU-Austritt von Großbritannien Ende März 2019. Die EU und Irland wollen eine harte Grenze zu dem lange Zeit von politischer Gewalt geprägten Nordirland auf keinen Fall zulassen.

May ist aber auch auf die Zustimmung der nordirischen Protestantenpartei DUP angewiesen, die eine Zollgrenze zwischen der Provinz und Großbritannien ablehnt. Die DUP äußerte sich skeptisch zu der Einigung. Sie werde aber zunächst den Text der Übereinkunft studieren, bevor sie eine Entscheidung treffe, erklärte DUP-Vizechef Nigel Dodds am Dienstagabend.

Deutlicher wurden Mays Gegner und Brexitbefürworter in ihren eigenen konservativen Reihen. Der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg und der frühere Außenminister Boris Johnson sagten, May habe das vereinigte Königreich verkauft. Sie würden gegen die Übereinkunft mit der EU stimmen.

In Brüssel werden nach Aussagen eines anderen EU-Vertreters die EU-Botschafter ebenfalls um 15.00 Uhr über die Fortschritte unterrichtet. Dann müssten noch die EU-Staats- und Regierungschef dem Papier zustimmen. Dafür müsste ein Sondergipfel angesetzt werden, wahrscheinlich Ende des Monats.

Eine Einigung auf den Ausstiegsvertrag wäre für beide Seiten ein großer Durchbruch. Erst dann könnte sich Großbritannien auf die Übergangszeit nach dem EU-Goodbye verlassen. In der Periode von ungefähr zwei Jahren nach dem Brexit würden EU-Regeln noch weiter auf der Insel gelten, der Warenverkehr könnte also weiter laufen.

Und erst mit einem wasserdichten Austritts-Deal kann auch über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien gesprochen werden. Die wichtigsten Details dazu sollen in einer politischen Erklärung stehen, auf die sich beide Seiten auch noch verständigen müssen. Und dann steht noch die Zustimmung des EU- und des britischen Parlaments aus. Insbesondere letztere ist alles andere als sicher. May hat in ihrer Tory-Partei und beim Koalitionspartner DUP aus Nordirland zahlreiche Gegner. Die fürchten wegen des EU-Plans für die irische Insel eine Zweiteilung des Königreichs. Trotz aller Widrigkeiten schätzt die Bank Goldman Sachs die Wahrscheinlichkeit für einen Brexit mit einem Ausstiegsvertrag aber auf 70 Prozent ein.

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