Die Verteilung des Volksvermögens ist in Deutschland so ungleich wie praktisch nur in den USA. Das ist der einhellige Befund verschiedener wissenschaftlicher Untersuchungen für die Vergangenheit. Berücksichtigt man die effektiven Vermögen der reichsten Haushalte, so besitzen ein Prozent der Haushalte einen Drittel, 10 Prozent der Haushalte fast drei Viertel des Volksvermögens. 50 Prozent der Haushalte besitzen praktisch nichts. Etwas weniger extrem ist die Verteilung, wenn man auf die Daten der Bundesbank zurückgreift. Dann besitzen 10 Prozent der Haushalte über 60 Prozent, 1 Prozent rund einen Viertel.
Doch dieser Befund ist statisch. Er reflektiert den Zustand, wie er in verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit gemessen wurde. Die Untersuchungen der Bundesbank etwa beziehen sich auf zwei Jahre, 2010 und 2014. Die vergleichende Untersuchung der Notenbanken im Eurosystem bezieht sich auf das Jahr 2013. Die SOEP des DIW startete in den 1980er Jahren.
Was diese Strukturdaten noch nicht zeigen, ist die aktuelle Vermögensverteilung und vor allem die Tendenz der zukünftigen Vermögensverteilung. Dabei lassen sich durchaus realistische Schlüsse ziehen, welche die Tendenz angeben. Kombiniert man die Strukturdaten etwa der Bundesbank-Untersuchungen mit der Entwicklung relevanter Preise, Zinsen und Vermögenskomponenten und der privaten Verschuldung, so wird schnell klar: Die Dynamik zur Vermögenskonzentration geht weiter, ja sie beschleunigt sich in hohem Tempo. Verantwortlich dafür sind die Geldpolitik der EZB, gekoppelt mit einem Steuersystem und einer Strukturpolitik in Deutschland, die von 30 Jahren Umverteilungspolitik geprägt sind. Von unten nach oben, nicht umgekehrt.
Einige statistische Merkmale des Banksparens
Beginnen wollen wir mit dem Umfang und vor allem der Zusammensetzung des Geldvermögens. Dabei greifen wir auf die verschiedenen, von der Bundesbank zur Verfügung gestellten Statistiken zurück. Die wichtigsten Beobachtungen betreffen die folgenden Punkte:
- Das Banksparen ist unverändert wichtig, es macht fast 40 % des totalen Geldvermögens der Haushalte aus und ist erstaunlicherweise in der Bedeutung über die Zeit hinweg stabil geblieben. Zusammen mit den Obligationen / Schuldverschreibungen dominieren also reine Zinsinstrumente direkt die Geldanlage der Deutschen. Indirekt kommt noch erheblich mehr hinzu, vor allem über die Anlagen der Lebensversicherungen und abgeschwächt auch der Pensionskassen. Die Anlage dieser beiden letzteren Geldvermögen wird separat gezeigt werden.
- Innerhalb des Banksparens hat sich das Schwergewicht von den traditionellen Spar- und Festgeldern sowie von den Sparbriefen hin zu Sichtguthaben verschoben. Traditionell dominierte in der Bundesrepublik ein sehr hoher Anteil von Spargeldern, später ergänzt durch Termingelder. Die Sichtguthaben steigen anteilsmäßig mit dem Rückgang der Zinsen seit den frühen 1990er Jahren. Sie sind in den letzten Jahren, den 2010er Jahren, mit der Nullzinspolitik der EZB dominant geworden. Mit dem Rückgang der Zinsen sind also weitreichende Umschichtungen in Kontoformen erfolgt, die hauptsächlich Transaktionscharakter aufweisen und deshalb gerade die niedrigste Verzinsung überhaupt offerieren.
Graphik: Zusammensetzung des Banksparens der Haushalte in Mrd. EUR zu verschiedenen Zeitpunkten
Quelle: Bundesbank
- Das Banksparen ist über alle Einkommens- und Vermögensklassen hinweg weit verbreitet. Es ist die erste Form der Vermögensanlage über das Gebrauchsvermögen hinaus. Die absoluten Beträge sind natürlich abgestuft, bei höheren Einkommen und Vermögen sind auch Giro- und Sparkonten besser dotiert. Aber die relative Bedeutung dieser Anlageform ist für kleine und vor allem für mittlere Vermögen und Einkommen viel höher. Vor allem gut qualifizierte und verdienende Berufsleute - Hochschulabgänger, Beamte, Facharbeiter - sowie Doppelverdiener - Paare ohne und mit Kindern - können durchaus substantielle Sparguthaben haben. Am meisten allerdings haben Wohneigentümer ohne Hypotheken. Der Unterschied von Wohneigentümern mit Hypotheken zu Mietern ist dagegen relativ unbedeutend. Und schließlich sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen von 35-45-Jährigen an bis zu den ganz Alten gering. Einen substantiellen, aber minoritären Teil des Banksparens machen die Bausparverträge aus.
- Das Banksparen hat also eine multiple Funktion: Es ist eine Form des Ansparens für den Immobilienerwerb, vor allem in der Form des Bausparens. Es ist zusätzlich direkt eine Form der Altersvorsorge, und es ist eine Form der Vermögenspräservation im Alter, wenn andere Anlageformen - etwa Aktien, zusätzliche Immobilien oder Lebensversicherungen - nicht mehr attraktiv sind.
Die Transformation des Banksparens durch die EZB- Politik und steuerliche Novellen
Das individuelle Bank- bzw. Sparkassensparen ist somit die traditionelle Form der Geldanlage und direkt und indirekt der Altersvorsorge der Deutschen. Es ist eine spezifische Form der Geldanlage, welches die Entwicklung und Struktur der deutschen Wirtschaft in der Nachkriegszeit maßgeblich geprägt hat.
- Zentraler Punkt war die positive Realverzinsung. Die positive Realverzinsung dokumentierte und symbolisierte, dass die Sparer oder Einleger am Wirtschaftswachstum partizipieren. Die Bundesbank veröffentlicht monatlich eine Statistik der Realverzinsung für verschiedene Bankeinlagen.
Graphik: Realverzinsung der verschiedenen Einlageformen in Deutschland
Quelle: Bundesbank
- Die Graphik zeigt, dass die Nullzinspolitik der EZB dem traditionellen Muster positiver Realverzinsung der Nachkriegszeit ein Ende bereitet hat. Das ist mit voller Absicht geschehen, es ist eine Politik der finanziellen Repression. Allerdings gibt es doch Zweifel, ob die negative Realverzinsung wirklich für alle Gruppen so zutrifft. Zur Deflationierung verwendet die Bundesbank nämlich den Verbraucherpreis-Index (VPI). Dieser ist vielleicht nicht exakt, aber in der Tendenz angemessen für Mieter, doch bei Wohneigentümern stellen sich Fragen. Mehr dazu in einem späteren Artikel.
- Ein weiteres wichtiges Element betraf eine steuerliche Privilegierung. Zinserträge wurden mit dem Einkommenssteuersatz besteuert. Traditionell wurden sie im vollen Umfang dem Einkommen zugeschlagen. Abhängig vom persönlichen Grenzsteuersatz war die Wirkung der Besteuerung also progressiv, sie war für kleine Einkommen gering, für große entsprach sie dem sehr progressiven Spitzensteuersatz.
- Zudem, dies ist wichtig, gab es einen Sparfreibetrag, das heißt eine Grundkomponente, die für alle Personen steuerlich ausgenommen war. Der Sparerfreibetrag, 1975 eingeführt, betrug über die Jahre hinweg unterschiedliche Größenordnungen, mit teils erheblichen Sprüngen. Zwischen 1993 und 2006 war er besonders hoch, und wurde bereits 2007 massiv herabgesetzt. 2009 wurde er im Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungssteuer aufgehoben, und durch den Sparpauschen ersetzt. Die Beträge in der folgenden Tabelle beziehen sich auf einzelne Personen, für Ehepaare galt das doppelte.
Graphik: Entwicklung des Sparerfreibetrages
Quelle: Wikipedia
- Mit der traditionell progressiven Besteuerung bis zur Einführung der Abgeltungssteuer machte der Sparerfreibetrag ein klassisches Element eines Altersvorsorgesystems aus. Für die niedrigen und die mittleren Einkommen waren die Sparfreibeträge plus der noch niedrige Grenzsteuersatz auf zusätzliche (Zins-)Einkommen über den Sparfreibetrag hinaus eine steuerlich begünstigte Form der Altersvorsorge.
- Heute ist die Begünstigung der niedrigen und mittleren Einkommen beinahe, aber nicht vollständig, aufgehoben, und ersetzt durch eine Privilegierung für höhere und hohe Einkommen. Denn heute ist der Sparerfreibetrag herabgesetzt, er heißt jetzt Sparpauschen und beläuft sich noch auf bescheidene EUR 801.- für Ledige und EUR 1602.- für Verheiratete jährlich. Die über diesen Betrag hinausgehende Besteuerung ist dafür geändert, und für alle Einkommens- und Vermögenskategorien einheitlich. Die Abgeltungssteuer wird von der Bank direkt erhoben und dem Finanzamt abgeliefert. Ihr Satz ist einheitlich 25% Prozent von den Zinserträgen plus den Solidaritätszuschlag von 5.5 Prozent auf dieser Abgeltungssteuer (total 26.375 %) plus ein allfälliger Kirchenzuschlag (total dann über 28%).
- Drei Punkte sind hierzu anzumerken: Grundsätzlich bleibt der Zinsertrag einkommenssteuerpflichtig. Haushalte mit einem niedrigen oder keinem Einkommen können eine Rückerstattung beantragen, wenn der Grenzsteuersatz deutlich niedriger als die 26.4% Prozent liegt. Sie müssen dafür eine sogenannte Nichtveranlagungsbescheinigung bei ihrem Finanzamt einfordern und der kontoführenden Bank vorlegen. Haushalte mit einem höheren Grenzsteuersatz müssen die Zinserträge nicht mehr in der Einkommenssteuererklärung angeben, weil sie durch die Abgeltungssteuer (nomen est omen) bereits als abgegolten gilt. Zu bemerken ist also, dass Kapitaleinkommen für höhere Einkommen mit einem niedrigeren Satz als Arbeitseinkommen besteuert werden, denn dies gilt auch für Dividenden und Kursgewinne bei Aktien und Obligationen. In der Praxis spielte dies bisher keine wichtige Rolle, denn durch den Renditezusammenbruch sind die Zinserträge marginal geworden.
- Eine hohe Sicherheit der Anlage ist ein weiteres Kernelement eines Altersvorsorge-Systems. Auch hier ist eine Wende eingetreten. Die Politik gerade in Deutschland hat auf die Finanz- und Eurokrise reagiert, indem sie mit Verve eine Abkehr von Bankenrettungen zulasten des Steuerzahlers gefordert und in Europa und damit für Deutschland durchgesetzt hat. Damit sind die grundlegenden Spielregeln geändert. Einleger und Sparer sind nur noch bis zu einem Betrag von EUR 100’000 versichert - dies über alle Kontoformen beim betroffenen Institut hinweg. Das betrifft nur wenige Haushalte, ist aber nicht unbedeutend. Darüber hinaus gehende Einlagen können bei einer Bankensanierung herangezogen werden. Eine Ausnahme gibt es: Sparbriefe, das sind Namenschuldverschreibungen auf eine bestimmte Person, den entsprechenden Sparer, sind isoliert von anderen Einlagen bis zu einem Beitrag von EUR 100’000 versichert. Sie gelten zu Recht als besondere sichere Anlageform.
- Bei einem Altersvorsorgesystem steht immer auch im Vordergrund, wie das Geld angelegt wird. Wichtig war, dass früher diese Gelder breit gestreut für zumeist langfristige Kredite verwendet wurden. Dadurch konnte die deutsche Wirtschaft spezifische Züge annehmen und komparative Vorteile erringen. Banken in vielen anderen Ländern in Europa vergaben nur oder primär kurzfristige Kredite an den privaten Sektor und investierten primär in Staatsanleihen. In Deutschland profitierten vor allem kapitalintensive Sektoren wie der Automobilbau, die chemische Industrie, der Maschinen- und Anlagenbau mit dem Schwerpunkt Werkzeugmaschinenbau von dieser Spezialität des deutschen Bankensystems. Es wurde insbesondere die verarbeitende Industrie über ein breites Spektrum von Industriezweigen gefördert. Auch der Dienstleistungssektor war Empfänger. Das Bausparen war und ist als Ansparen für zukünftigen Eigenheimbesitzer eine ganz wichtige Form der Eigentumsförderung wie auch der Altersvorsorge. Sie wurde gefolgt von der Bautätigkeit und natürlich später der an die Fertigstellung anschließenden Hypothekenvergabe. Mit den niedrigen Zinsen sind keine großen Sprünge bei der Verzinsung neuer Darlehen mehr möglich. Und bei älteren Darlehen können die Bausparkassen die Verträge kündigen oder Einzahlungen begrenzen.
- Heute hat sich die deutsche Struktur der Aktiven dem Muster anderer Länder angenähert. Noch immer funktioniert die Kreditversorgung der Gesamtwirtschaft, anders als in vielen anderen europäischen Ländern. Doch es dominieren Immobilienkredite an private Haushalte und Bau- und Immobilienkredite an den Unternehmenssektor. Kredite an die verarbeitende Industrie spielen nur noch eine untergeordnete Rolle, während Kredite an die Selbständigen effektiv an Bedeutung zugelegt haben. Genau wie in anderen Ländern in den 2000er (Zwanzig-Nuller) Jahren wird eine Preisblase am Immobilienmarkt finanziert, allerdings ohne exzessive Mengenkonjunktur. Nicht exakt eine gesunde Mischung, sondern was eben für eine extreme Geldpolitik mit Nullzinsen und massierten Käufen von Staatsanleihe folgerichtig ist.
Fazit / Schlussfolgerungen:
Das Banksparen als eine zentrale Form der Altersvorsorge und Vermögenspräservation des Geldvermögens scheint in Deutschland Geschichte zu sein oder zu werden. Es ist zur Vermögensvernichtungsmaschine zumindest für eine große Gruppe von Sparern mutiert. Deren Zinserträge sind über längere Zeiträume real stark negativ und haben sich vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt. Die daraus resultierenden kumulierten Vermögensverluste sind ganz erheblich. Allerdings gibt es bedeutende Unterschiede zwischen verschiedenen Sparergruppen, doch dazu mehr im nächsten Artikel. Die EZB-Politik der 2010er Jahre ist der wichtigste Treiber dieser Entwicklung, doch regulatorische und steuerliche Änderungen in Deutschland haben zeitgleich oder sogar vorgängig ebenfalls ihren Anteil.
Gemäß der Statistik der Bundesbank (PHF) sind die Betriebsvermögen (und die Geschäftskredite) der Selbständigen auf die obersten 10 Prozent der Vermögen konzentriert, der Immobilienbesitz und die hypothekarische Verschuldung auf die obersten 20 Prozent der Vermögen. Weitere 20 Prozent haben kleine Vermögen durch ihren Eigenheim-Besitz.
Statt einer Teilhabe am Wirtschaftswachstum ist deshalb das Banksparen in den 2010er Jahren Teil eines Prozesses beschleunigter gesamtwirtschaftlicher Vermögens-Umverteilung geworden - von unten und der breiten Mitte nach ganz oben. Auf einen kurzen Nenner gebracht subventionieren klamme, aber nicht ganz arme Haushalte mit geringen Geldvermögen und vor allem die Mittelklasse, vor allem jene ohne eigenen Hausbesitz, die wohlhabendsten Haushalte mit großen Eigenheimen und zusätzlichem Immobilienbesitz darüber hinaus. Andere Profiteure sind die wirtschaftlich erfolgreichen Selbständigen mit Geschäftsschulden. Gleiches gilt natürlich auch für das kommerzielle Grundstücksgeschäft und - viel weniger bedeutungsvoll als in der Vergangenheit - die wirtschaftliche Aktivitäten anderer Industrien und Wirtschaftszweige. Selbst unter den sehr wohlhabenden Haushalten gibt es Opfer, nämlich jene mit geringem Immobilienbesitz und hohen Bankguthaben.
In diesem Umfeld ist das Bausparen ebenfalls Opfer. So erstaunt es nicht, dass die Eigentümerquote für Wohnungen in den 2010er Jahren nicht mehr wesentlich angestiegen ist. Generell sind die jüngeren, 30-45-Jährigen gut qualifizierten Berufsleute aller Art – von Hochschulabsolventen, jüngeren Selbständigen, selbst Mittelständlern über hochqualifizierte Facharbeiter bis zu einfachen Arbeitnehmern - Opfer dieser Entwicklung. Anders als die vorangegangene Generation der geburtenstarken Jahrgänge haben sie keinen oder einen sehr stark erschwerten Zugang zur persönlichen Vermögensbildung, sofern sie nicht geerbt haben, insbesondere den Immobilienbesitz. Dieses Muster zieht sich im Übrigen durch alle Formen der Vermögensanlage oder Altersvorsorge, wie wir noch sehen werden.
Das Rätsel bleibt, warum trotz der scheinbar miserablen Erträge und der regulatorischen und steuerlichen Novellen das Banksparen in Deutschland diese Bedeutung beibehalten. Dazu sind vertiefte Einsichten nötig, wie wir sie in den nächsten Artikeln der Serie zu präsentieren versuchen.