Politik

Vietnam ist Donald Trumps nächstes Ziel im Handelskrieg

Bisher ist Vietnam der größte Gewinner des Handelskriegs zwischen den USA und China. Doch nun sendet Donald Trump seine Drohungen überraschend auch nach Hanoi.
22.07.2019 16:12
Lesezeit: 3 min

Wie kürzlich berichtet, haben zuletzt einige chinesische Unternehmen ihre Waren mit dem Label "Made in Vietnam" versehen. So wollen sie die von den USA verhängten Strafzölle auf chinesische Waren umgehen. Doch nun weitet US-Präsident Donald Trump den Handelskrieg auf Chinas südlichen Nachbarn aus.

Bisher ist die kostengünstige südostasiatische Nation der größte Gewinner des Handelskriegs zwischen den USA und China. Denn infolge der US-Zölle auf chinesische Waren verlagerten zahlreiche globale Lieferketten die Produktion von China nach Vietnam.

Im Juni schätzte die japanische Investmentbank Nomura, dass Vietnam aufgrund von Handelsverschiebungen, die durch den Streit zwischen den USA und China verursacht wurden, enorme 7,9 Prozent zu seinem BIP gewonnen hat. Der zweitgrößte Nutznießer war demnach Taiwan, das etwa 2,1 Prozent seines BIP zugelegt hat, so die Studie.

USA schießen im Handelskrieg gegen Vietnam

Bereits im Mai aber hatte das US-Finanzministerium Vietnam auf die Liste der möglichen Währungsmanipulatoren gesetzt. Dies könnte in Zukunft zu Strafmaßnahmen führen, wenn die Anschuldigungen weiterverfolgt werden. Im Juni sagte Trump, dass "Vietnam uns noch schlimmer ausnutzt als China". Hintergrund ist der hohe und steigende Handelsüberschuss Vietnams gegenüber den USA, der im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 40 Milliarden Dollar erreicht hat. Dabei bemüht sich die vietnamesische Regierung bereits, mehr von den USA zu kaufen.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres erreichte der Handelsüberschuss Vietnams mit den USA 21,6 Milliarden Dollar, das ist doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum 2018. Nun haben die USA einen Zoll von 400 Prozent auf vietnamesische Stahlimporte mit Ursprung in Südkorea und Taiwan eingeführt.

Als nächstes könnten die USA weitere Strafzölle auf vietnamesische Waren einführen, da Hanoi den Vorwürfen zufolge zulässt, dass chinesische Produkte das Label "Made in Vietnam" erhalten, bevor sie in die USA exportiert werden, um auf diese Weise die amerikanische Zölle zu umgehen. So könnten die USA beispielsweise einen Zollsatz von 25 Prozent auf Vietnams Exporte erheben, wie dies aus Gründen der nationalen Sicherheit mit China der Fall war. In der Folge würden Vietnams Exporte um ein Viertel und das BIP um mehr als 1 Prozent sinken.

Hanoi geschockt über Trumps Kurswechsel

Amerikas neue Zölle gegen Vietnam stellen einen drastischen Kurswechsel dar, der die vietnamesischen Beamten sehr überrascht hat. Im Februar, als Hanoi eine zweite historische Runde von Friedensgesprächen zwischen den USA und Nordkorea abhielt, hatte Trump seine vietnamesischen Gastgeber noch gelobt.

"Sie haben enorme Fortschritte gemacht, und das ist eine großartige Sache für die Welt", sagte Donald Trump damals dem vietnamesischen Premierminister Nguyen Xuan Phuc und bezeichnete die ehemaligen Kriegsgegner als "Freunde". Ein Grund für die milde Stimmung Trumps gegenüber Vietnam war offenbar der Besuch von Premierminister Nguyen Xuan Phuc im Weißen Haus im Jahr 2016, wo man eine Bestellung über mehrere Milliarden Dollar für mehrere Boeing-Verkehrsflugzeuge vereinbarte. Anonyme Quellen in der Kommunistischen Partei sagen, dass sie im Hinblick auf Donald Trumps Richtungswechsel ratlos sind. In den letzten zwei Jahren habe Trump so getan, als wären Vietnam und die USA die "besten Freunde", sagte ein vietnamesischer Beamter der Asia Times.

Die Drohung der US-Regierung mit weiteren Sanktionen gegen vietnamesische Importe ist möglicherweise nur eine Verhandlungstaktik ist, um dem Land weitere Zugeständnisse abzugewinnen. Denn den Quellen zufolge ist Vietnam bereits die von Washington geforderten handelsbezogenen Verpflichtungen eingegangen. Die jüngsten Kommentare von Trump zielen möglicherweise lediglich darauf ab, deren Umsetzung zu beschleunigen.

Vietnam kommt den USA entgegen

So hat Vietnam beispielsweise ein geplantes Gesetz zur Schaffung von drei neuen Sonderwirtschaftszonen auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Pläne führten im vergangenen Jahr zu seltenen landesweiten Protesten, denn chinesische Unternehmen drohte große Teile vietnamesischen Landes zu erwerben.

Unterdessen forderten die Delegierten der Nationalversammlung kürzlich die Funktionäre der Kommunistischen Partei auf, die chinesischen Investitionen in Vietnam zu drosseln. Zudem haben die Behörden ihr Vorgehen gegen chinesische Produkte verstärkt, die auf dem Weg in die USA durch Vietnam geleitet werden, um Zölle zu umgehen.

Um die Folgen eines möglichen Handelskonflikts mit den USA abzumildern, hat Vietnam Handelsabkommen mit anderen Partnern abgeschlossen. Anfang des Jahres wurde das Land formell Teil von CPTPP, einem Handelsabkommen zahlreicher Pazifikanrainerstaaten, aus dem die USA unter Trump ausgetreten sind.

Darüber hinaus hat Vietnam am 30. Juni nach mehrjährigen, langwierigen Verhandlungen endlich ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet. Das Abkommen mit der EU wird im Verlauf der kommenden sieben Jahren die Einfuhrzölle auf 99 Prozent der vietnamesischen Ausfuhren aufheben, gegenüber aktuell 71 Prozent. Dies könnte die vietnamesischen Ausfuhren in die EU nach offiziellen Schätzungen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent steigern.

Im vergangenen Jahr kaufte die EU Ausfuhren aus Vietnam im Wert von 42,5 Milliarden Dollar. Die USA, der wichtigste Handelspartner des Landes, importierten im vergangenen Jahr vietnamesische Waren im Wert von 49 Milliarden Dollar, während sie nur 9,6 Milliarden Dollar nach Vietnam exportierten.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind die US-Importe vietnamesischer Waren auf 25,8 Milliarden Dollar gestiegen, verglichen mit 18,9 Milliarden Dollar im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dies zeigt, dass Vietnam bisher als lachender Dritter enorm vom Handelskrieg zwischen den Großmächten profitiert hatte.

Vietnam ist von geopolitischer Bedeutung für die USA

Hanoi wird von den USA seit vielen Jahren bevorzugt behandelt, weil es für die amerikanischen Interessen von strategischer Bedeutung ist, auch gegenüber China im Südchinesischen Meer. Das Land gilt als wichtiger Verbündeter gegen den chinesischen Expansionismus in der Region. Mit seinen neuesten Attacken hat Donald Trump die vietnamesischen Beamten offenbar auf dem falschen Fuß erwischt. Quellen sagen, dass sie Überstunden machen, um ihr System der Ausfuhrgenehmigungen zu reformieren und gleichzeitig neue Wege zu finden, um ihren Handelsüberschuss zu verringern.

Die USA wollen außerdem erreichen, dass Vietnam mehr militärische Ausrüstung aus amerikanischer Produktion kauft und sich von seinem traditionellen Waffenlieferanten Russland entfernt. Dies würde nicht nur Hanois Handelsüberschuss verringern, sondern zugleich die militärischen Beziehungen zwischen den USA und Vietnam festigen.

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