Deutschland

Experten rechnen mit steigender Zahl an Insolvenzen

Lesezeit: 2 min
19.08.2019 17:16
Brexit-Wirrwarr und Trumps Protektionismus schaden der bislang noch hochtourig laufenden deutschen Wirtschaft – Insolvenzverwalter erwarten aber einen Anstieg von Unternehmenspleiten.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Obwohl es in diesem Jahr einige, selbst bekannte Unternehmen wie die Großbäckerei Kronenbrot, das Modelabel Gerry Weber, Schokoladenfabrikant Leysieffer oder den TV-Hersteller Loewe erwischt hat, ist die Zahl der Insolvenzen im ersten Halbjahr 2019 mit 9.900 (-0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum) weiter gesunken. Für Experten kommt es nicht überraschend, dass sich der einsetzende Abschwung bislang kaum in der Insolvenzstatistik widerspiegelt.

Die Zinsen sind nach wie vor noch unverändert niedrig, was die Finanzierung für die Unternehmen erleichtert. Zudem seien Insolvenzen deutlich nachgelagert, wie Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) erklärt. „Die aufkommenden Konjunkturprobleme werden sich daher wohl erst 2020 oder sogar 2021 so richtig auswirken und in Insolvenzen münden.“

Derzeit betrifft es vor allem Firmen, die nur mäßig saniert und durch billiges Geld am Leben gehalten wurden oder deren Geschäftsmodell durch äußere Entwicklungen wie die Digitalisierung sehr schnell erodiert. Die Wirtschaftsauskunftei und Inkassodienstleister Creditreform bezeichnet Firmen, die trotz negativer Ergebnisse, nicht aus dem Markt ausscheiden, als „Zombie-Unternehmen“. Nach Ansicht deren Experten gibt hierzulande nicht wenige Gesellschaften, die trotz guter Wirtschaftslage in den zurückliegenden Jahren fortwährend Verluste erwirtschafteten.

Wie Thomas Hoffmann, Co-Leiter der Praxisgruppe Restrukturierung und Insolvenz bei der Wirtschaftskanzlei Noerr kürzlich auf „WirtschaftsWoche Online“ argumentierte, habe sich die deutsche Wirtschaft bislang trotz Handelskriegen, Russlandkrise und Brexit-Drohung zwar „erfreulich robust gezeigt“, doch lasse es sich nicht mehr ausschließen, „dass wir nach der Finanzkrise von 2008 nun vor der nächsten großen Insolvenzwelle stehen.“

Besonders unter den Ausrüstern und Zulieferern der deutschen Autoindustrie deuteten sich Verwerfungen an. Insolvenzverwalter verspüren bereits ein hohes Krisenpotenzial. So hat erst Ende Juli der Anlagenbauer Eisenmann aus Böblingen wegen hoher Verluste aus dem Jahr 2018 einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Rund 3.000 Mitarbeiter sind von der Pleite betroffen. Vier Wochen zuvor haben Weber Automotive und die Weber Industrie Holding mit rund 1.500 Mitarbeitern beim Amtsgericht Konstanz einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt.

Wie Experten der US-Kanzlei Sidley Austin, auch in Deutschland vertretene Sanierungsanwälte, sehen diese „mit Blick auf die zunehmend dynamische Migration der Automobilindustrie in Richtung Elektromobilität nach wie vor erheblichen Restrukturierungsbedarf“. Neben reinen Zulieferer bekämen auch viele mit der Autoindustrie eng verbundene Maschinenbauer die Entwicklung zu spüren.

Im vergangen Jahr gab es in Deutschland rund 19.400 Firmenpleiten. Die Creditreform geht in einer ihrer jüngsten Veröffentlichungen in einer konservativen Schätzung für das gesamte Jahr 2019 von einer Stagnation oder leichten Erhöhung bei den Unternehmensinsolvenzen in einem Korridor von 20.000 bis 22.000 Fällen aus. Dies aber nur unter der Bedingung, dass sich die vielen Krisenherde nicht zu einer massiven Erschütterung anwachsen.

 


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel durch demografischen Wandel: Lösungen für Unternehmen
10.11.2024

Egal, welche Branche: Der demografische Wandel betrifft uns alle. Die bestehende Belegschaft wird immer älter, während es häufig an...

DWN
Panorama
Panorama Alkoholkonsum nach der Pandemie: Anstieg unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen
10.11.2024

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Alkoholkonsum unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen in Deutschland wieder zunimmt. Experten sind...

DWN
Technologie
Technologie Geothermie: Deutschlands unterschätzte Energiequelle?
10.11.2024

Die Wärme der Erde könnte ausreichen, um die gesamte Menschheit mit Energie zu versorgen. Trotzdem setzen kaum Länder auf die Geothermie...

DWN
Politik
Politik Opposition blockiert Zusammenarbeit mit Scholz und fordert Vertrauensfrage
09.11.2024

Nach dem Zerfall der Ampel-Koalition lehnen Union und FDP die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angebotene Zusammenarbeit im Bundestag...

DWN
Finanzen
Finanzen Nächste Finanzkrise durch Schattenbanken? EZB warnt vor Risiken durch NBFIs

09.11.2024

Die Stabilität des europäischen Finanzsystems mag sich laut der EZB verbessert haben. Doch mit der zunehmenden Macht der Schattenbanken...

DWN
Politik
Politik Trump 2.0: Deutsche Wirtschaft fürchtet Handelskrieg
09.11.2024

Zölle, Handelskrieg, Protektionismus – die Wahl von Trump 2.0 schlägt Wellen der Angst. Denn obwohl die Prognosen auf seinen Wahlsieg...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Batterie-Recycling: Ein aufkommender Markt in der Energiewende
09.11.2024

Mit der zunehmenden Zahl an Elektroautos stellt sich eine dringende Frage: Was passiert mit den alten Batterien dieser Fahrzeuge? Diese...

DWN
Panorama
Panorama 35 Jahre Mauerfall: Sieben weniger bekannte Aspekte des historischen Ereignisses
09.11.2024

Viele Menschen erinnern sich an den 9. November 1989 als einen bewegenden Moment in der deutschen Geschichte. Doch einige Facetten dieses...