Finanzen

Währungsreform stürzt Indien ins Chaos

In Indien herrscht nach der Währungsreform Chaos. Es gibt aber keine Demos - weil das Bargeld fehlt, um Demonstranten zu bezahlen.
23.11.2016 00:33
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Zwei Wochen, nachdem die indische Regierung überraschend den Austausch der 500-Rupien-Note sowie der 1000-Rupien-Note bekanntgab, stehen noch immer hunderttausende Inder vor den Bankautomaten an, berichtet die Hindustan Times. Sie versuchen, an ihr Geld zu kommen. In den vergangenen Tagen war dies vielerorts nicht möglich, weil der Nachschub an Bargeld knapp wurde.

Premierminister Narendra Modi hatte seine Landsleute darauf eingestellt, dass die Währungsumstellung noch einige Wochen dauern und zu Unannehmlichkeiten führen könnte, schreibt das Magazin Brics. Die Änderung werde alles in allem etwa 50 Tage in Anspruch nehmen.

Das Problem: Die indische Wirtschaft, die vorwiegend auf Bargeld aufbaut, ist faktisch zum Stillstand gekommen. Lebensmittelmärkte überlegen zu schließen, weil die Kunden kein Geld haben. Die kleinen und mittleren Betriebe haben ihre Arbeit eingestellt, weil die Rechnungen nicht bezahlt werden.

Dass es trotz der wachsenden Unruhe bisher zu keinen großen Demonstrationen gekommen ist, erklärt ein indischer Beobachter den Deutschen Wirtschafts Nachrichten mit einem Paradox: "In Indien werden Demonstranten meist bezahlt. Es gibt ganze Organisationen, die gehen in Viertel und rekrutieren tausende Leute. Allerdings sind die Leute in Massen nur gegen Bargeld zu mobilisieren - und genau das fehlt jetzt."

Andere Beobachter kritisieren, dass die Regierung an dem Chaos der vergangenen Tage schuld sei, weil sie im Vorwege nicht genügend neue Geldscheine bereitgestellt habe. Modi konterte, dass es sich bei der Währungsumstellung um eine unangekündigte Aktion gehandelt habe, die nur deshalb funktionieren würde. Eine Bereitstellung großer Bargeldbeträge im Vorfeld hätte das Vorhaben gefährdet.

In Indien hatten sich in den vergangenen beiden Wochen nicht nur lange Schlangen vor den Bankschaltern gebildet, sondern es kam auch zu Schlägereien und Übergriffen: Viele Menschen wollten ihre überraschend ungültig erklärten Banknoten umtauschen oder einzahlen. Für die alten gibt es neue Scheine im Wert von 500 oder 2000 Rupien. Schätzungen zufolge sind durch den Währungsschnitt rund 85 Prozent der umlaufenden Geldmenge über Nacht für ungültig erklärt worden.

24 Stunden lang waren die beiden bislang größten Geldscheine des Landes ungültig; Millionen Einwohner standen ohne genügend Bargeld da, um etwa ihre täglichen Lebensmittelkäufe zu machen. Im Süden des Landes beging eine 55-jährige Bäuerin Selbstmord, weil sie glaubte, die Scheine hätten keinen Wert mehr. Sie hatte laut Polizei 5,5 Millionen Rupien (75.000 Euro) aus einem Grundstücksverkauf zu Hause aufbewahrt, um damit die ärztliche Behandlung ihres Mannes und ein neues Grundstück zu bezahlen.

Ministerpräsident Narendra Modi begründete den Banknoten-Tausch vor allem mit dem Kampf gegen die Korruption. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte Reisende vor „erheblichen Engpässen bei der Bargeldversorgung“ gewarnt.

In Indien regt sich inzwischen politischer Widerstand gegen die Währungsreform, berichtet die Hindustan Times. Oppositionsparteien kritisieren Premierminister Narendra Modis Entscheidung, die 500- und 1000-Rupien-Note aus dem Verkehr zu ziehen und gegen neue Banknoten einzutauschen. Die Opposition kritisiert nicht nur das „wirtschaftliche Chaos“, sondern fordert Klarheit über Gerüchte, denen zufolge der Regierungspartei BJP nahestehende Personen schon vor der offiziellen Entscheidung von der Reform Kenntnis hatten. Sie forderte eine parlamentarische Untersuchung zu den Vorfällen.

„Ihre BJP-Niederlassungen haben hunderte von Millionen vor der Ankündigung eingezahlt. Dies ist ein ernster Fall“, sagte ein oppositioneller Kongressführer. Der Kongress fragte außerdem an, auf wen sich Modi in einer Rede in Goa bezogen habe, als er sagte, dass „die Währungsreform ihre korrupten Einnahmen der vergangenen 70 Jahre aufgelöst habe“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...

DWN
Politik
Politik Deutschland steht vor dem historischen Aufschwung – aber es gibt ein großes Problem
21.06.2025

Mit der faktischen Abschaffung der Schuldenbremse beginnt Deutschland eine neue Ära – mit enormen Investitionen in Militär,...

DWN
Panorama
Panorama KI-Musik auf dem Vormarsch: Gefahr oder Chance für die Musikbranche?
21.06.2025

KI-Musik verändert die Musikbranche – kreativ, disruptiv, kontrovers. Künstler verlieren Kontrolle und Einnahmen. Doch wie weit darf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Disney gegen die KI: Wem gehört das Internet noch?
21.06.2025

Disney zieht gegen Midjourney vor Gericht – und kämpft nicht nur für Mickey Mouse, sondern für unser digitales Eigentum. Wenn selbst...