Derzeit stehen jeder verheirateten Frau 500 Gramm, jeder unverheirateten Frau 250 Gramm und jedem Mann 100 Gramm Goldbesitz zu. Alles, was darüber hinausgeht, wird als illegaler Besitz eingestuft und somit konfisziert. Eine Beschränkung für den Schmuckbesitz gibt es nur dann nicht, wenn der Schmuck per Erbschaft erworben wurde. Die Bewertung des jeweiligen Haushalts bleibt den indischen Steuerbeamten überlassen, die die Hausuntersuchungen durchführen. Nach Informationen des Financial Express gelten indische Steuerbeamte als besonders korrupt. Statt die Korruption in den Steuerbehörden zu bekämpfen, hat der indische Premier Narendra Modi den Beamten mehr Befugnisse gegeben.
In der Praxis heißt das, dass die Reichen das zahlen werden, was sie zahlen müssen, um den Belästigungen der Steuerbeamten zu entgehen. Doch der Rest der Bürger wird den Beamten ausgeliefert sein. In einem derart unklaren Umfeld mit schlecht überwachten Steuerbeamten sind auch Investitionen unwahrscheinlich. Das BIP ist im dritten aufeinanderfolgenden Quartal zurückgegangen. Die jüngsten Zahlen zeigen einen Rückgang von 5,6 Prozent. Ohne Investitionskapital wird das Wachstum leiden. Zudem haben die Wohlhabenden des Landes ihr Bargeld längst in Immobilien und weitere Investitionsobjekte gesteckt, um sich vor dem Zugriff des Staats zu retten.
Indien ist der weltgrößte Markt für Goldschmuck und einer der größten Gold-Markplätze der Welt. Doch der Demonetarisierungs-Prozess hat die Goldnachfrage um 80 Prozent sinken lassen. Nach Angaben von Ashok Minawala, Geschäftspartner von Danabhai Jewellers and Sons, hat die Demonetarisierung die größte Krise aller Zeiten für das Gold- und Juwelengeschäft ausgelöst. „Unsere Stammkunden kommen nicht mehr in unsere Läden“, zitiert die First Post Minawala. Seit Einführung der Kontrollen bei Goldkäufen soll das Geschäft um 40 bis 50 Prozent zurückgegangen sein. Goldverkäufe gegen Bargeld sind um über 50 Prozent zurückgegangen.
Denn seit August 2016 müssen alle privaten Goldkäufe gegen Bargeld registriert werden. Die Goldhändler müssen bei Verkäufen ab 200.000 Rupien diese an das Finanzamt melden. Zuvor hatte die Regierung in Neu Delhi versucht, das private Gold der Bürger gegen Staatsanleihen zu tauschen. Damit wollte die Regierung mit dem Gold der Kleinanleger das Staatsdefizit senken.
Auch internationale Ökonomen befassen sich mit den Vorkommnissen in Indien. US-Ökonom Kenneth Rogoff erkennt einen bisher unbeachteten Ansatz hinter dem Vorstoß des indischen Premiers Modi.
Er sagte den Financial Times: „Anstatt die großen Noten zu beseitigen, tauscht Indien sie gegen neue aus und stellt auch eine größere 2000-Rupien-Note vor, die im Austausch für die alten Noten ausgegeben wird. Die Idee im Buch ,The Curse of Cash‘ (Anm.d.Red. Rogoffs Buch) zielt beim Vorschlag, große Banknoten zu eliminieren und sie nicht zu ersetzen, nicht auf die Entwicklungsländer ab, weil dort der Anteil der Menschen ohne effektiven Zugang zu Banken zu groß ist.“
Doch die aktuelle Auszeit der großen Banknote in Indien sei eine „goldene Gelegenheit“, die finanzielle Inklusion durch die Bereitstellung von kostenlosen Grundschulden-Konten für Individuen mit niedrigem Einkommen voranzutreiben. Die Regierung könnte diese Konten nutzen, um Transfers zu tätigen, was wiederum eine große Kostensenkungsmaßnahme wäre, meint Rogoff. Denn in Indien hätten 90 Prozent der Menschen keine Bankkonten.
Allerdings führt dieser Prozess zu einem negativen Bank-Run. Die Kunden werden gezwungen, ihre Gelder zur Bank zu bringen, um im Endeffekt somit die Banken zu retten.
Bisher fanden 87 Prozent aller Geldtransfers in Indien in Bargeldform statt, so die Financial Times.