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Lufthansa hat gute Karten im Poker um Air Berlin

Lesezeit: 2 min
20.12.2016 11:00
Lufthansa übernimmt im neuen Jahr einen wesentlichen Teil der Air Berlin. Es könnte eine komplette Übernahme der Berliner Airline bevorstehen.
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Mit der faktischen Dreiteilung der Air Berlin ist laut dpa der Poker um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft erst so richtig eröffnet. Derzeit scheint die Lufthansa die besten Karten in der Hand zu halten, um den kriselnden Konkurrenten auf Sicht komplett zu übernehmen. Entsprechende Gespräche der Frankfurter mit dem Air-Berlin-Großaktionär Etihad sollen bereits laufen und auch die Politik unterstützt nach Informationen des Handelsblatt eine deutsche Lösung.

An einer Schlüsselstelle sitzt jetzt der frühere Germanwings-Chef Thomas Winkelmann, der am Sonntag aus dem Lufthansa-Konzern an die Spitze der Air Berlin berufen worden ist. Die angeschlagene Airline vermietet ab dem kommenden Jahr 38 ihrer Jets an die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian und hat zudem 33 Flugzeuge an einen neuen Ferienflieger in Österreich ausgegliedert. Damit stellt sich für alle Beteiligten die bange Frage, ob der verbleibende Air-Berlin-Rumpf mit 75 Maschinen an den Drehkreuzen Düsseldorf und Berlin allein überlebensfähig sein kann.

Das Zutrauen ist angesichts der angespannten finanziellen Lage der offensichtlich nicht sehr groß. «Zunächst geht es erst einmal um die Absicherung des Wet-Lease-Geschäfts», sagte Luftverkehrsberater Gerald Wissel. Winkelmann werde dafür sorgen, dass Eurowings und Austrian bei dem Leihgeschäft mit 38 Jets keine bösen Überraschungen erlebten. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat zudem deutliches Interesse an den 14 Langstrecken-Jets vom Typ A330 der Air Berlin erkennen lassen, mit deren Hilfe operative Probleme beim noch dünnen Fernangebot der Billigtochter Eurowings gelöst werden könnten.

Die starken Gewerkschaften bei der Lufthansa sehen das Zusammenrücken der beiden Airlines mit gemischten Gefühlen. Bei Eurowings kommen die zusätzlichen Air-Berlin-Maschinen nämlich nicht obendrauf, wie es der Konzern zunächst in seiner Wachstumsstory angekündigt hatte. Stattdessen werden 20 ziemlich betagte Jets der Germanwings stillgelegt und ihre teuren Besatzungen zur Lufthansa-Mutter transferiert. Das habe man immerhin mit guten Sozialplänen abgesichert, sagt der Chef der Kabinengewerkschaft Ufo, Nicoley Baublies.

Lufthansa will hier die etwas niedrigere Kostenstruktur der samt Besatzungen geleasten Air-Berlin-Jets nutzen, um das Gesamtangebot auszudünnen und so den Markt im eigenen Sinne zu bereinigen. Die Probleme mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) werden dadurch aber auch nicht kleiner, denn die sieht sich auch in den Cockpits der Air Berlin «gut bis sehr gut organisiert», wie ihr Sprecher Markus Wahl sagt. Die VC dürfte es daher bei einer engeren Zusammenarbeit als ihre wichtigste Aufgabe ansehen, die Tarife anzugleichen, und zwar möglichst auf dem höheren Lufthansa-Niveau.

Bei einer weitergehenden Integration der Rest-Air-Berlin in den Lufthansa-Konzern sind aber noch viele weitere Fragen ungeklärt. Da sind der Schuldenberg der Berliner Gesellschaft von rund einer Milliarde Euro und die kartellrechtlichen Probleme auf zahlreichen Strecken, die bislang noch von Lufthansa und Air Berlin in Konkurrenz angeboten werden. Laut Handelsblatt haben besonders Landespolitiker aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hohes Interesse daran gezeigt, das bisherige Angebot an ihren Flughäfen aufrechtzuerhalten.

Kartellrechtlich gelegen könnte das stark ausgeweitete Angebot der aggressiven Billigflieger Ryanair und Easyjet kommen, die ihrerseits keine kriselnden Gesellschaften übernehmen wollen. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte als einer der ersten prophezeit, dass die Air-Berlin-Reste letztlich bei der Lufthansa landen würden.

Antworten sind derzeit vor allem aus Abu Dhabi gefragt, wo sich der Air-Berlin-Großaktionär Etihad entscheiden muss, was er mit seiner defizitären Deutschlandbeteiligung anfängt. Das erste Abkommen mit der Lufthansa über gemeinsam vermarktete Flüge weist den Weg zu einer engeren Zusammenarbeit oder sogar kapitalmäßigen Verflechtung mit der Lufthansa. Die könne ihrerseits einen arabischen Partner aus strategischen Gründen gut gebrauchen, glaubt Wissel.


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