Politik

Türkische Medien: Hoher Nato-Funktionär soll ermordet worden sein

Die türkischen Medien beschäftigen sich erstaunlich ausführlich mit dem mysteriösen Tod eines ranghohen Nato-Rechnungsprüfers. Es ist unklar, ob die Medien bei ihren Interpretationen auf Hinweise des türkischen Geheimdienst zurückgreifen konnten.
28.12.2016 00:20
Lesezeit: 2 min

Der mysteriöse Tod eines hohen Nato-Rechnungsprüfers hat in den türkischen Medien zu einer erstaunlichen Flut von Berichten und Spekulationen geführt. Natürlich muss man bei einem solchen Themen-Komplex mit entsprechender Skepsis an die Berichterstattung herangehen. Doch sowohl die Regierungsnähe als auch die traditionell guten Kontakte der türkischen Medien zum mächtigen Geheimdienst MIT geben den Berichten eine nicht unerhebliche Bedeutung. Denn unabhängig von der Faktenlage ist zu erkennen, wie das Nato-Land Türkei die Nato und ihr Innenleben einschätzt.

Die Zeitung Vatan berichtet, dass Yves Chandelon ermordet worden sein soll. Er soll vor seinem Ableben herausgefunden haben, dass ein „europäischer Geheimdienst“ über Privatfirmen Terrororganisationen finanziert und sie entlang eigener Interessen in Europa einsetzt. Der betroffene Dienst soll zu einem Staat gehören, das sowohl Nato-Mitglied als auch EU-Mitglied sei. „In Nato-Kreisen überwiegt der Eindruck, dass Chandelon mundtot gemacht werden sollte und deshalb umgebracht wurde“, so das Blatt. Der Vorfall lässt die Aufmerksamkeit auf die Eskalation der Terroranschläge in Europa richten, die zum Aufstieg der rechtsextremen Bewegungen in Europa geführt haben. Das „Attentat“ auf Chandelon könnte von denjenigen „Zellen innerhalb des Staatsgebildes“ befohlen worden sein, die gleichzeitig ein Interesse am Aufstieg der Rechten in Europa haben. Die Terrorattacken haben bisher nur die europäischen Gesellschaften polarisiert und der extremen Rechten einen großen Spielraum geschaffen, so Vatan.

Nach Angaben der Zeitung Yeni Safak wurde Chandelon wie der russische Botschafter in Ankara und der russische Außendiplomat Polschikow Opfer eines Attentats.

Die Zeitung Aksam berichtet, dass die These kursiere, wonach Chandelon die Verstrickung westlicher Staaten in die Terrorfinanzierung von Gruppen wie ISIS herausgefunden haben soll. Die Zeitung stellt sogar einen Zusammenhang mit der CIA her.

Die regierungsnahe Zeitung Takvim berichtet:

„Yves Chandelon gehörte nach Angaben seiner Nato-Kollegen zu den Idealisten der Nato, der seiner Arbeit mit einem großen Enthusiasmus nachgegangen ist. Doch sein Idealismus wurde zerstört, nachdem er die geheimen Pläne, Operationen und Armeen der Nato kennengelernt hat. All seine Erkenntnisse hatte er schriftlich und mit Beweisen erfasst. Insbesondere die verdeckten Operationen in Syrien, im Irak und in der Türkei nahm er unter die Lupe. Das Problem dabei war, dass er keine Befugnis für diese Erkenntnisse hatte. Chandelon wurde bedroht und antwortete damit, alles, was er in Erfahrung gebracht hat, öffentlich zu machen, was zu einem schlechten Ende für Chandelon führte. Das war eine wichtige Botschaft der Nato, die sich sowohl nach innen als auch nach außen richtete. Chandelon hat die Macht der CIA innerhalb der Nato gesehen. Er hat ihre verdeckten und offenen Operationen gesehen (…) Innerhalb der Nato und in unserer Region tobt ein großer Verteilungs- und Machtkampf. Jemand will verhindern, dass Trump und Putin gemeinsam agieren.“

Die türkische Oppositions-Zeitung Sözcü titelt „Nato-Vertreter tot in einem russischen Auto gefunden“. Wenn man weiter liest, wird klar, dass es das Auto von Chandelon und kein russisches Auto ist. Der falsche Titel von Sözcü wurde von weiteren Oppositions-Zeitungen in der Türkei übernommen.

Die Publikation dieser Spekulationen ist auch deshalb brisant, weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag die USA direkt attackiert hat, weil sie mit Terroristen gemeinsame Sache mache: Erdogan hat der von der USA geführten Koalition laut Reuters vorgeworfen, die Extremistenorganisation Islamischer Staat und die militanten Kurdengruppen YPG und PYD zu unterstützen. "Sie haben uns beschuldigt, Daesch (Islamischer Staat) zu fördern", sagte Erdogan vor Reportern in Ankara. "Jetzt unterstützen sie Terror-Gruppen einschließlich Daesch, YPG, PYD." Dies sei sehr klar. Es gebe Film- und Fotobeweise dafür.

Die CIA hat erst vor wenigen Tagen erstmals offiziell eingeräumt, in Operationen in Syrien verwickelt zu sein. Mit welchen Söldnern die CIA zusammenarbeitet, sagte Direktor Brennan in einem NPR-Interview nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
04.09.2025

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Experten raten: Verkauf der Novo Nordisk-Aktie kann sinnvoll sein
04.09.2025

Die Novo Nordisk-Aktie gilt als Favorit vieler Anleger. Doch Experten zeigen, warum selbst ein Verkauf mit Verlust zum steuerlichen Vorteil...

DWN
Politik
Politik Vertrauen in den Staat auf Tiefstwert: Mehrheit der Bürger hält den Staat für überfordert
04.09.2025

Wie blicken die Bundesbürger auf den Staatsapparat? Neuste Zahlen geben Aufschluss: Drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für...

DWN
Technologie
Technologie Elektromobilität: Europas Batterieproduktion droht uneinholbarer Rückstand
04.09.2025

Noch vor zehn Jahren war Europas Autoindustrie technologisch in der Weltspitze. Doch der von China angeführte Umstieg auf die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Frankreich-Schulden: Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle - Muss der IWF eingreifen?
04.09.2025

Die Frankreich-Schulden treiben das Land in eine politische und finanzielle Krise. Investoren zweifeln an der Stabilität, und die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindersparen statt Konsum: So sichern Sie die Zukunft Ihres Erstklässlers
04.09.2025

Der erste Schultag ist nicht nur emotional ein Meilenstein – er sollte auch ein finanzieller Wendepunkt sein. Experten erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
04.09.2025

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei...

DWN
Politik
Politik Justiz überfordert: Unerledigte Verfahren oder Einstellungen bei Staatsanwaltschaften auf Rekordhoch!
04.09.2025

Die Staatsanwaltschaften kommen kaum noch hinterher. Die Aktenberge wachsen und wachsen: Zum Jahresende 2024 gab es einen traurigen...